Morgens, halb zehn in Cala Millor: In den Frühstückssälen der riesigen Hotelburgen herrscht Hochbetrieb – entsprechend leer ist es noch am Strand. Doch der gemeine deutsche – und häufig auch britische – Urlauber hat natürlich vorgesorgt: Eine Vielzahl der kostenpflichtigen Liegen im Sand ist bereits mit Hotelhandtüchern belegt, ganz nach dem Motto: reservier oder stirb.

Schon wenig später sind gar keine hamacas mehr zu haben, und es wird eng. Der alltägliche Handtuchkrieg beginnt, vor allem im südlichen Teil der Bucht, ab dem ehemaligen Café del Sol bis zum Beginn der Landzunge Punta de n’Amer, wo die Bucht von Cala Millor endet. Hier ist der Strand auf einem Abschnitt von mehreren Hundert Metern deutlich schmaler als im nördlicheren Teil der Bucht und auch die Anzahl der Liegen geringer. An vielen Stellen dominiert nicht Sand, sondern felsiger Untergrund.

Weniger Strand, weniger Liegen

„Das war früher anders. Der Strand war doppelt so breit, statt gut 150 Liegen gab es bestimmt 400 bis 500“, klagt MZ-Leser und Stammurlauber Friedhelm Kort. Immer wieder waren der 75-Jährige und seine Frau Weronika (68) in den vergangenen Jahren auf Mallorca, mehrmals auch in Cala Millor. „Wegen seines wunderschönen weitläufigen Sandstrands“, sagt Kort. Doch als das Ehepaar Ende Juni im Urlaubsort eintraf – zum ersten Mal nach coronabedingter zweijähriger Pause – war es enttäuscht. „Es ist todtraurig, wenn man schon ab 10 Uhr keine Liege mehr bekommt und stattdessen an den Hotelpool muss. Wir haben den Strand geschätzt, weil es so viel Platz gab, um sich auszubreiten. Dafür sind wir extra hergekommen.“

Auch sei der Strand bei Korts diesmaligem Besuch Ende Juni – anders als beim Ortstermin der MZ am 21.7. – auffällig schmutzig gewesen. „Die sollten sich schämen. Ich habe nichts gegen die Touristensteuer, zahle sie gerne, aber dann müssen sie dafür auch Leistungen bringen“, findet der Rentner, der auch künftige Gäste warnen will. „In den Urlaubsprospekten und der Werbung finden sich ausschließlich Bilder vom Strand, wie er früher war. Das ist irreführend.“

Keine Lösung in Sicht

Dass es dringend eine Regenerierung des Strands braucht, findet auch Marcial Rodríguez. Er ist der Vorsitzende des Tourismus-Konsortiums Cala Millor, das bei allen Tourismus-Themen als übergeordnetes Bindeglied zwischen den beiden zuständigen Rathäusern von Son Servera und Sant Llorenç fungiert. „Wir beklagen die Situation um die Cala Nau bereits seit mehr als fünf Jahren“, stimmt Rodríguez in die Kritik ein. Schon damals sei zu beobachten gewesen, dass mit jedem Unwetter mehr Sand vom Strand ins Meer gespült werde. „Richtig geschadet hat dann aber der Sturm Gloria im Januar 2020“, so Marcial Rodríguez. Tatsächlich habe sich die Breite des Strandabschnitts praktisch halbiert. „Für ein Urlaubsziel ist das unhaltbar.“

Immer wieder habe man bei der zuständigen Küstenbehörde in Madrid gefordert, den Strand neu aufschütten zu lassen. „Zuletzt vor anderthalb Jahren. Wir haben einen detaillierten Plan vorgelegt, wie man den Sand aus dem Meer zurück an den Strand schaffen könnte, um so die felsigen Flächen zu bedecken, die aktuell bloßliegen.“

Zwar habe es in den vergangenen Monaten und Jahren immer wieder Treffen mit den Rathäusern, mit dem Umweltministerium der balearischen Landesregierung und mit Verantwortlichen der Küstenbehörde gegeben. Eine Bewilligung des Projekts stehe aber weiterhin aus. Auch eine Anfrage der MZ an die Küstenbehörde blieb unbeantwortet.

„Das balearische Umweltministerium hat sich nie offen gegen das Projekt ausgesprochen, aber wirklich unterstützt haben uns die Politiker in Palma auch nicht“, so Rodríguez. Gegenüber der MZ betonte ein Sprecher des Umweltministeriums nur, nicht für die Regenerierungsfrage zuständig zu sein. „Es ist zum Verzweifeln, gerade jetzt, in dieser wichtigen Saison nach der Pandemie, wo so viele Besucher da sind“, sagt Rodríguez, der weiter in Madrid nachhaken will.

Dann lieber Alcúdia

Eine langfristige Perspektive erhofft man sich indes in Cala Millor von dem Forschungsprojekt LifeAdapt, das im September mit EU-Geldern starten soll. Hier wird über mehrere Jahre hinweg beobachtet, welche Auswirkungen der Klimawandel auf den Strand von Cala Millor – einem der ohnehin am meisten erforschten Strände Europas – hat. „Aber eine kurzfristige Lösung, um den Strand zu regenerieren, kann wohl nur ein Regierungswechsel bringen“, sagt Marcial Rodríguez.

Friedhelm und Weronika Kort jedenfalls wollen Cala Millor nach ihren jüngsten Stranderlebnissen erst einmal den Rücken kehren. „Das nächste Mal fahren wir lieber in die Bucht von Alcúdia. Zum breiten Sandstrand“, sagt Friedhelm Kort.