Mallorca Zeitung

Mallorca Zeitung

Mit 80 Jahren zum ersten Mal am Ballermann: Wie Rentner-tauglich ist der Bierkönig?

Ein Schützenzug aus NRW hat es ausprobiert. Wir waren dabei

Prost! Der Schützenzug "Freischütz" im Bierkönig. PSS

Es ist kurz vor 23 Uhr, als Karsten das vierte Bier hebt und zufrieden erklärt: „So langsam komme ich auf Betriebstemperatur.“ Es sind nicht mehr viele aus der Gruppe dabei, die meisten liegen schon im Bett. Aber der pensionierte Bauingenieur aus Korschenbroich singt lauthals mit, als der Bierkönig-DJ „Sweet Caroline“ über die Anlage pustet. „Oh, oh, oh!“ schallt es aus Hunderten Kehlen. Karsten hat den Zeigefinger ausgetreckt und bewegt ihn im Rhythmus.

Der 80-Jährige ist an diesem Abend in doppelter Weise ein Tourist. Mit seinem Schützenzug „Freischütz“ verbringt er einige Tage auf der Insel. Und hier im Bierkönig wirkt er mit seinem grauen Pullunder über dem karierten Hemd wie ein Paradiesvogel zwischen den Fußballtrikots und den bunten Leibchen mit dem Logo des Hauses. Eingeschüchtert ist Karsten dadurch nicht. Im Gegenteil.

Mit 17 Leuten sind die Schützen angereist, Gattinnen inklusive. Die meisten von ihnen sind über 70 und alle hatten sich vorgenommen, den sagenumwobenen Ballermann einmal aus der Nähe zu betrachten. Ein paar Tage zuvor hatten manche von ihnen bereits vormittags in den Megapark reingeschnuppert. „Da war schon wat los“, erzählen sie. Wo man aber schon mal in der Woche des Bierkönig-Openings vor Ort ist, kann man ja auch da noch einmal vorbeischauen.

"Schwere Verluste erlitten"

Das Vier-Sterne-Adults-only- Hotel liegt rund 1,2 Kilometer von der Schinkenstraße entfernt. Für viele aus der Gruppe ist das zu weit. Sie haben den ganzen Tag in Sóller verbracht und sind müde. Selbst die doch ziemlich schrägen Interpretationen von 90er-Jahre-Popsongs des Saxofonisten in der Hotellobby können sie nicht auf die Straße treiben. „Der Krieg hat noch nicht einmal angefangen, und wir haben schon schwere Verluste erlitten“, kommentiert Wolfgang die Ausgangslage. Insgesamt entschließen sich sieben Teilnehmer der Reisegruppe dafür, sich ins Getümmel zu stürzen.

Auf dem Weg zum Bierkönig geht es vorbei an in Weiß getünchten Bars. Solche, die irgendetwas mit Avocado auf der Karte haben. Wolfgang ist ein wenig erstaunt, dass das die Zukunft ist, die sich einige Unternehmer für den Ballermann vorgestellt haben. „Dann haben wir ja Glück, dass wir noch einmal hergekommen sind“, sagt er grinsend.

Der Tisch wird selbst abgeräumt

Kurz meldet eine Teilnehmerin der Gruppe Bedenken an, ob man überhaupt reingelassen werde in den Partytempel. Aber die Sicherheitsleute zucken nicht mit der Wimper, als die Gruppe das Lokal betritt. Einmal drinnen, wird ein Tisch ausfindig gemacht, auf dem sich ein paar halb ausgetrunkene Maßgläser befinden. „Gibt es das Bier hier auch in kleineren Größen?“, fragt Karsten. Die Gruppe macht kurzen Prozess und befördert die Gefäße mit schal gewordenen Cola-Mixgetränken an die nächstgelegene Bar. Von irgendwoher zaubert Monika einen feuchten Lappen herbei und wischt einmal gründlich über den Tisch. Es kann losgehen. Das König Pilsener wird in 0,3-Liter-Gläsern bestellt. Prost.

Ein kräftiger junger Mann im Trikot der Heimatmannschaft torkelt vorbei, stellt die Schwerkraft auf die Probe. Die Schützen runzeln kurz die Stirn. Danach sind sie fürs Erste damit beschäftigt, Fotos zu machen, die in der WhatsApp-Gruppe geteilt werden. Das Fußballspiel, das im Hintergrund auf den Leinwänden läuft, interessiert sie weniger. Ein wenig Mitleid gibt es für die Go-go-Tänzerinnen. „Schau mal, die werden gar nicht beachtet. Das war im Megapark auch schon so“, sagt Wolfgang.

Etwas Action kommt erst auf, als ein junger Mann im Fußballtrikot vom Nebentisch herüberkommt. Besonders Karsten plaudert lange mit ihm. Es werden Selfies gemacht. Ein älterer Herr mit grauem Bart ist eben eine Attraktion an so einem Ort. Wenn er in dem Alter sei, wolle er auch so sein wie die Mitglieder der Gruppe, sagt der junge Mann. Stefan, der sich das Ganze eher schweigend angeschaut hat, kommentiert trocken: „Sach ihm, dann soll er weniger saufen.“

Die Enttäuschung

Ein wenig sind die Schützen enttäuscht, dass es keine Livemusik gibt. Fußball könne man schließlich auch woanders gucken. Auch dass es deutsches Bier gibt, kommt nicht gut an. „Dafür brauche ich doch nicht nach Mallorca kommen“, findet Hans Hugo.

Ein Teil der Gruppe macht sich nach dem zweiten Bier auf den Weg nach Hause. Karsten, Wolfgang und Angelika bleiben noch für eine Runde. Das Fußballspiel ist vorbei. Die Schützen beschließen, von der Empore aus einen Blick auf die Feiernden zu werfen. Irgendwo im Hintergrund beginnt Tim Toupets Auftritt. Man kann ihn von hier aus aber kaum hören. „Es ist ein bisschen wie bei uns auf dem Schützenfest“, sagt Wolfgang. „Nur größer.“

Artikel teilen

stats