Álvaro Middelmann, Air-Berlin-Chef von Spanien und Portugal, hat nach vier Jahren den Vorsitz von Mallorcas Fremdenverkehrsverband abgegeben. Nachfolger ist der Reisebüro-Unternehmer Pedro Iriondo, nachdem Hotelier Ignasi Esteve seine Kandidatur am Donnerstag (17.12.) zurückgezogen hat. Er wird nun entscheiden müssen, wie es mit dem Fremdenverkehrsverband weitergeht. Denn nachdem der „Fomento del Turismo" in seiner 104-jährigen Geschichte als Fremdenverkehrsamt, Incoming- und Werbeagentur fungierte, übernimmt in Zukunft eine öffentlich-private Stiftung das Mallorca-Marketing.

Wirtschaftskrise, Regierungskrise, Großprojekte in der Warteschleife– ist es schade, dann abzutreten, wenn es besonders spannend ist?

Nein. Die vier Jahre sind um, und ich habe von Anfang an gesagt, dass ich mich nicht zur Wiederwahl stellen werde. Und von meiner Warte bei Air Berlin aus werde ich für den Fremdenverkehr auf Mallorca noch viel machen können. Ich kann mich jetzt auch freier äußern.

Wo mussten Sie sich besonders zurückhalten?

Ich wollte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass ich mein Amt mit den Inte­ressen von Air Berlin vermischen würde. Und in letzter Zeit haben sich die Themen gehäuft, bei denen ich mich gerne freier ausgedrückt hätte.

Zum Beispiel?

Die Behörden messen dem Flugverkehr auf den Balearen nicht die Bedeutung bei, die ihm gebührt. Das kann leicht abgetan werden mit dem Argument, dass ich zuerst an Air Berlin denken würde. Das ist unfair, und als Vorstandsvorsitzender des Fomento kann ich mich dann nicht richtig wehren. Das wird ab dem 18. Dezember anders.

Die öffentlich-private Stiftung Turisme Mallorca übernimmt in Zukunft die Werbung für die Insel als Reisedestination. Fomento, quo vadis?

Ich habe einen konstruktiven Vorschlag gemacht, wie der Fomento trotzdem weiterexistieren könnte. Meine Vorschläge sind aber bei einem Teil des Vorstands nicht auf Gegenliebe gestoßen, deswegen habe ich sie zurückgezogen. Es ist aber eine Verleumdung zu sagen, ich wäre angetreten, um den Fomento aufzulösen. Das ist das Letzte, was mir einfallen würde. Das hat mich schwer getroffen. Dieses Ehrenamt hat mich viel Zeit und auch die meiner Familie gekostet. Da frage ich mich schon, was das soll. Nun wird sich der nächste Vorstand damit auseinandersetzen müssen.

Schrumpft der Fomento zu einer Lobby der Tourismusbranche?

Er sollte Sprachrohr sein – das hat natürlich auch etwas mit Lobby zu tun – und Diskussionsforum. Ein Beitrag von mir war das Thema Landwirtschaft, die heute eine große Rolle spielt. Auch die neuen Technologien habe ich thematisiert – sie werden erstaunlicherweise noch von einigen negiert, als ob das Internet nur eine Modeerscheinung wäre. Der Fomento kann übergreifende Themen in der öffentlichen Debatte platzieren und deswegen auch in der Zukunft sehr nützlich sein. Aber dafür muss er politisch unabhängig sein. Wenn die Kosten von anderen Institutionen getragen werden, ist die Unabhängigkeit dahin.

Wie lässt sie sich sichern?

Der Fomento muss sich darauf konzentrieren, Sprachrohr und Diskussionsforum für den Tourismus zu sein. Dafür reichen die Mitgliedsbeiträge aus. Es ist auch traurig, dass eine so ehrenwerte Institution zwar von einigen mit Pomp in den Mund genommen wird, es aber ganz anders aussieht, wenn Mitgliedsbeiträge gezahlt werden müssen.

Die Beiträge müssen eingetrieben werden?

Aber wie! Da kann ich ein Lied von singen.

Auf welches Projekt sind Sie besonders stolz?

Wir haben gezeigt, dass man mit wenigen Ressourcen eine große Wirkung erzielen kann. Bei Treffen mit britischen Journalisten zum Beispiel haben wir gezeigt, dass Mallorca nicht nur ein Massenziel ist, sondern auch Kultur, Landschaft und Gastronomie zu bieten hat. Wir sind kreativ gewesen – obwohl das Team sehr klein ist. Auch beim Thema Golf hat sich in den vergangenen vier Jahren viel geändert. Wir knüpften Kontakte mit den Umweltschützern und stimmten mit ihnen in der Bedeutung des Landschaftsschutzes überein – auch wenn wir uns beim Thema Golf nicht einigen konnten.

Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit der politischen Institutionen beim Thema Tourismus?

Da hat sich einiges geändert, die Regierung nimmt zum Beispiel das Thema Golf ernster – da zeigt sich sicherlich auch unser Einfluss. Man hat auch begonnen, Messeauftritte zu hinterfragen – das Marketing wird stärker segmentiert, man konzentriert sich stärker auf Kundengruppen. Man kann vieles besser machen, aber die Mittel sind im Vergleich mit anderen Regionen auch nicht besonders üppig. Mit der öffentlich-privaten Stiftung Turisme Mallorca hat nun zum ersten Mal die Privatwirtschaft die Möglichkeit mitzubestimmen, wie Gelder in Zukunft investiert werden. Das ist ein großer Schritt nach vorne. Die Verantwortung wird größer, und bei Kritik müssen sich Unternehmer in Zukunft auch an die eigene Nase greifen.

Welche Schatten werfen ­Korruption und Regierungskrise auf die Förderung des Fremdenverkehrs?

Das wirkt sich sehr negativ auf den Tourismus aus. Ganz große Sorge bereitet mir, was ich die Italianisierung der Politik nenne: Die Gesellschaft nimmt die Politik nicht mehr wahr. Hier muss sich etwas ändern, um Bürger und Politiker wieder zusammenzubringen. Die Bürokratie muss zurückgefahren werden – man muss sich inzwischen mit fünf Institutionen abstimmen: der EU, der spanischen Regierung, der Balearen-Regierung, der Inselregierung, der Gemeindeverwaltung. Da ist überhaupt kein Spielraum mehr für Unternehmergeist. Zudem wächst die juristische Unsicherheit.

Kongresspalast, Messegelände, Playa de Palma – die Großprojekte auf Mallorca kommen nicht voran. Woran liegt das?

Zum Teil sind es Kommunikationsfehler. Man fragt sich aber auch, ob da wirklich die richtigen Leute an der Macht sind.

In der Printausgabe lesen Sie außerdem:

- Korruption I: Sturm auf das Palästchen

- Korruption II: Absteiger, Aussitzer, Newcomer

- Nationalismus: Per Volksbefragung zu mehr Eigenständigkeit

- Finanzkrise: Sparkasse Sa Nostra verhandelt Fusion

- Thema Überfischung: Freizeitangler, die unbekannte Größe

- Kampagne: Bescherung für ausgesetzte Tiere