Der Kunde ist König. Der Gast hat immer recht. Bei solchen Weisheiten kann Joan V. derzeit nur seufzen. Er leitet ein großes Hotel an Mallorcas Ostküste, seit 36 Jahren arbeitet er in der Branche. Die Gäste machen es ihm nicht immer leicht. Zumindest einer. „Ja, Herr G. ist uns bestens bekannt“, sagt der Hoteldirektor im Gespräch mit der MZ. Der Schweizer, Thilo G., steigt seit 40 Jahren in dem Hotel ab. Doch jetzt ist es zu einem Zerwürfnis zwischen dem Stammgast und dem Haus gekommen. Das zeigt sich in Dutzenden von Mails seitens des Gastes an die Hotelleitung sowie die -kette. „Ich fordere eine schriftliche Entschuldigung“, betont der Schweizer Urlauber. Dampf muss er allerdings auch ablassen.

Wie konnte es so weit kommen? Die Geschichte handelt von einer Flasche Whiskey, einem Beagle auf der Terrasse des Hotelrestaurants, einem Sprung in den Hotelpool, aber auch von gekränkten Eitelkeiten sowie Erinnerungen an die vermeintlich guten alten Zeiten. „Ich habe als Kind Tennis spielen hier gelernt“, erzählt Thilo G. Er hänge sehr an Mallorca, komme gern in das Hotel und habe dort auch Freundschaften geschlossen. „Doch beim letzten Mal wurde ich zurechtgewiesen. Ich dachte, ich bin bei der ‚Versteckten Kamera‘.“

Beim Frühstück wies der Restaurantleiter den Gast darauf hin, dass Hunde nicht im Speisesaal erlaubt seien. Das träfe auch auf die Terrasse zu. Dort saß Thilo G. nämlich mit seinem Beagle. Am Tag darauf wiederholte sich die Szene in ähnlicher Weise, obwohl der Schweizer nur mit dem Hund an der Terrasse vorbeigelaufen sei, wie er sagt. „Dann bin ich laut geworden. Ich bin eben ein Mensch, der schnell mal laut wird“, so der Urlauber. „Er sagte, wenn das hier ein Restaurant sei, dann sei er der Kaiser von China“, erinnert sich der Hoteldirektor an die Begegnung. Damals sprachen beide noch persönlich miteinander.

Im Laufe des Urlaubs wagte der Sohn von Thilo G. dann vom Beckenrand einen Salto in den Pool. Das rief den Vizedirektor auf den Plan. Laut Thilo G. behauptete dieser, er sei der einzige Hotelgast, der immer Problem bereite, und es wäre besser, wenn er nicht mehr wiederkäme. „Das kann ich so nicht hinnehmen“, ergänzt der Gast und setzt eine Frist für eine schriftliche Entschuldigung. „Andernfalls werde ich konsequent handeln“, droht er in einer seiner E-Mails. Der Hoteldirektor stellt sich hinter seinen Mitarbeiter. Vielmehr habe der Gast gedroht, das Hotel nicht mehr aufsuchen zu wollen, und der Vizedirektor habe lediglich geantwortet: „Das ist Ihre Wahl.“

Im sprichwörtlichen Giftschrank des Hotels schlummert ein Video von Thilo G. Es zeigt, wie er bei einem Aufenthalt 2017 eine Flasche Whiskey aus der Hotelbar an sich nahm, als diese bereits geschlossen hatte. Die Ehefrau bezahlte sie im Nachhinein, erzählt Joan V. Der Gast schrieb dem Hotel dazu nur: „Das besagte Video können Sie gerne als Hotel-Promotion-Video abspielen.“ Seine Begründung lautete, dass die Bar um 23.45 Uhr geschlossen wurde und ihn niemand mehr gefragt habe, ob er noch etwas trinke wolle.

Breitseite gegen das Hotel

„Die ganzen Verbote im Hotel, das geht mir auf den Zeiger“, schimpft der Schweizer. Für Kinder werde kaum noch etwas geboten, der Tennisplatz sei nicht mehr das, was er einmal war. Überhaupt habe das Hotel in den vergangenen 20 Jahren extrem nachgelassen. Thilo G. schickte also eine umfangreiche Mängelliste an die Hotelleitung. „Das ist keinesfalls ein Vier-Sterne-Haus, das sind maximal drei Sterne“, betont er am Telefon. Er beklagt Fettgeruch „wie in einer Pommesbude“, seine Frau habe sich an einem Feuerlöscher im Flur verletzt, die Rezeption falle durch Chaos auf, andere Gäste würden auch in den Pool hüpfen. „Das Hotel ist ein ‚alter Schuppen‘ geworden, der entweder kernsaniert oder abgerissen werden muss“, heißt es in einer E-Mail.

Aber auch der Hausherr hat Beschwerden über den Gast. So habe dieser ein gefälschtes ärztliches Attest vorgelegt, wonach er keine Maske tragen müsse. „Ich habe mehrere Beschwerden von Mitarbeitern und anderen Gästen wegen des Benehmens von Herrn G. bekommen“, erzählt der Direktor zudem.

„Dass Sie als Hoteldirektor von Ihren eigenen Leuten geschätzt und geachtet werden, dass ist allem Anschein nach nicht der Fall“, hält wiederum der Schweizer in einem seiner Schreiben Joan V. vor. Der MZ gegenüber äußert er, dass sich der Direktor mittags das Drei-Gänge-Menü an der Poolbar genehmige. In seinem Büro sehe es nicht nach Arbeit aus, aber gut angezogen seien der Direktor und sein Vize jederzeit, „das muss man ihnen lassen.“

Inzwischen hat der Hoteldirektor seinem Stammgast geantwortet. Eine Entschuldigung im klassischen Sinne ist die E-Mail nicht geworden. „Aber Herr G. will weiterhin zu uns kommen, hat er mir geschrieben“, fügt Joan V. an, „was soll ich dazu noch sagen?“