Gabriel Escarrer sagt von sich, er sei ein typischer Mallorquiner, der nicht viel Aufhebens um das macht, was er so tut. Das mag so zugetroffen haben auf das bisherige Leben des 86-jährigen Gründers und Präsidenten der größten Hotelkette Spaniens, Meliá International Hotels. Bei der Vorstellung seiner Memoiren vergangene Woche jedoch ließ Escarrer jede falsche Scham beiseite. In einer halbstündigen Rede blickte der aus Porreres in der Inselmitte stammende Sohn einer Aprikosenbauern-Familie mit jeder Menge Stolz auf ein Leben zurück, das er stets mit „Mut, Beharrlichkeit und dem Bestreben, sich selbst zu übertreffen“ geführt habe. Er sei ein „leidenschaftlicher Touristiker, ich habe das im Blut“.

Escarrer hatte eine beträchtliche Zahl an prominenten Zuhörern an diesem Abend im Hotel Gran Meliá Victoria am Paseo Marítimo in Palma. Gekommen waren neben den wichtigsten Politikern der Balearen und anderen mallorquinischen Hoteliers zahlreiche Weggefährten wie der ehemalige spanische Tourismusminister und Ex-Präsident des Europaparlaments Enrique Barón, den Escarrer mehrfach einen „echten Freund“ nannte. Sie alle lauschten, wie Escarrer seine Anfänge im Hotelgeschäft beschrieb, die die Journalistin Isabel Durán jetzt ausführlich in den Memoiren „Mi vida“ darlegt.

Postkarte des ersten Escarrer-Hotels Altair. Meliá

Escarrer, der als Fünfjähriger 1940 mit seiner Familie aus Porreres nach Palma zieht, weil sich die Eltern dort ein besseres Leben erhoffen, ist früh gezwungen, Geld zu verdienen. Seine Eltern sind nicht vermögend, ein Universitätsstudium auf dem Festland – auf Mallorca gab es damals noch keine Uni – scheidet also aus. Umso stolzer ist Escarrer heute über die Ehrendoktorwürde der Balearen-Universität, die ihm 1988 zuteil wurde.

Aufgewachsen in El Terreno

Der junge Gabriel Escarrer lebt mit seiner Familie im Viertel El Terreno, direkt an der Auffahrt zum Castell Bellver. Dort kommt er als Jugendlicher früh mit Touristen in Berührung, die die auf der Straße spielenden Jungs nach dem Weg zum Schloss fragen. Weil Gabriel mit einem Sprachentalent gesegnet ist, kann er ihnen Hilfestellung geben und erklärt meist gleich auch noch, was es in Bellver alles zu sehen gibt. Die Welt des Tourismus beginnt den Heranwachsenden zu interessieren, die zu dieser Zeit, Ende der 1940-Jahre, noch in den Kinderschuhen steckt.

Escarrer startet nach seinem Schulabschluss eine Ausbildung bei einer Reiseagentur, einem Ableger des britischen Veranstalters Thomas Cook. Strebsam sei er gewesen, ja fast besessen davon, alles rund um den Tourismus in sich aufzusaugen, erfährt man in seinem Buch. Während einer viermonatigen Hospitanz im Hauptsitz von Thomas Cook in London reift in ihm der Wunsch, sein eigenes Hotel zu managen. Er schaltet im „Diario de Mallorca“ eine Anzeige mit vier Worten: „Busco hotel para alquilar“ (Suche Hotel zur Miete). Mehr Text kann er sich damals nicht leisten.

Nach einer Woche meldet sich die Besitzerin des Hotels Altair in Son Armadams, und als der 21-jährige Escarrer zum Treffen mit der Eigentümerin erscheint, ist diese erschrocken. Wie könne ein so junger Mann einem derartigen Posten gerecht werden, fragt sie ihn. Ganz abgesehen davon, dass er wohl kaum die 100.000 Peseten habe, die die Besitzerin Carolina Arozarena als Sicherheit und Mietzins verlangte. Escarrer ist weit entfernt davon, resigniert aufzugeben, und schafft es, seine Eltern sowie die Eltern seiner Freundin Ana María Jaume davon zu überzeugen, ihm jeweils 50.000 Peseten zu überlassen, umgerechnet rund 300 Euro. Die gesamten Ersparnisse von zwei Familien setzt der junge Möchtegern-Hotelier aufs Spiel für seinen großen Traum. Der Plan geht auf. Die Eigentümerin lässt sich vom Charme des hochgewachsenen, blonden jungen Mannes vereinnahmen und schlägt ein.

Mit 24 bereits vier Hotels

Das Hotel ist, vor allem dank Escarrers guten Kontakten zu den Reiseveranstaltern, allen voran Thomas Cook, wo er jahrelang neben seiner Aufgabe als Hotelbetreiber weiter arbeitet, immer gut ausgelastet. Schnell mietet er weitere Unterkünfte an. Zum Zeitpunkt seiner Hochzeit mit Ana María Jaume, mit 24 Jahren, betreibt Escarrer bereits vier Hotels. Er tourt durch England, um eine Reihe Reiseveranstalter persönlich abzuklappern. Zu dieser Zeit nennt sich seine Kette Hoteles Mallorquines. Mit 36 Jahren hat Escarrer 21 Hotels in seinem Portfolio und sechs Kinder.

Der genau jetzt einsetzende Tourismusboom kommt dem Jungunternehmer gerade recht. All seine Hotels befinden sich zu dieser Zeit entweder in Palma – und dort bevorzugt am Paseo Marítimo – oder in den unmittelbar angrenzenden Gebieten der Playa de Palma sowie in den Küstenorten der Gemeinde Calvià. So kann er sie alle jeden Tag abfahren und von den Hoteldirektoren über jedes Detail informiert werden. Man könnte ihn einen Pedanten mit Kontrollzwang nennen, er nennt sich „ehrgeizig, im besten Sinne des Wortes“.

Escarrer setzt voll auf sol y playa, den Strandtourismus, und das bald nicht mehr nur auf Mallorca. Mitte der 1970er wagt der Unternehmer den Sprung auf die Kanaren. Nun sieht sich Escarrer gezwungen, den Namen seiner Hotelkette zu ändern. Aus Hoteles Mallorquines wird Sol Hoteles. Nie hatte er daran gedacht, das Unternehmen nach sich zu benennen, unter anderem, weil er der Meinung war und es bist heute ist, Urlauber könnten Schwierigkeiten bei der Aussprache seines Nachnamens haben.

Er führte als Erster das Buffet ein

Die Ölkrise und gleichzeitig die steigenden Löhne in der Branche setzen der bereits gefestigten Hotelkette zu. Escarrer überlegt, wie er Kosten sparen kann und führt nach seinen Angaben als erster Hotelier in Spanien das Buffet ein. Zunächst gibt es Widerstände, die Gäste beklagen den beschnittenen Service. Doch schnell hätten sich die schärfsten Kritiker in Fans des Buffets verwandelt.

Die 1980er-Jahre sind eine Zeit des enormen Wachstums. Sol Hoteles, bereits größte Hotelkette des Landes, übernimmt die Nummer 2, Hotasa. Sol kommt zu diesem Zeitpunkt auf 28.450 Gästebetten, Hotasa auf 17.033. Im Jahr 1987 dann die Transaktion, die zum heutigen Namen führt: Escarrer plant, Anteile am Hotel Meliá Princesa in Madrid zu erwerben. Nach einem Abendessen mit dem Eigentümer von Meliá schlägt dieser ihm vor, gleich das gesamte Unternehmen zu übernehmen.

Escarrer setzt die Expansion fort und wagt den Schritt ins Ausland. Rund 13.000 Kilometer von seinem Büro in Palma entfernt errichtet der Unternehmer ein Hotel auf Bali. Über die Karibik und Mexiko geht das rasante Wachstum auch bis nach Kuba, wo Escarrer eine eigentümliche Freundschaft mit dem kubanischen Staatschef Fidel Castro beginnt. 15 Jahre lang treffen sich die beiden Männer im Palacio de la Revolución. Die Abendessen, erinnert sich Escarrer, ziehen sich meist über fünf Stunden hin. Beide diskutieren leidenschaftlich darüber, wie man den Tourismus in Kuba voranbringen könnte.

Über weitere Zukäufe – unter anderem stößt Meliá 1994 in den deutschen Markt mit der Kette Innside vor – wächst das Imperium immer weiter und ist 1996 die erste spanische Hotelkette, die an die Börse geht. 1997 bekommt sie als erste in Europa eine eigene Buchungswebsite, ab 2011 nennt sich das Unternehmen nur noch Meliá Hotels International. Stand heute hat die Kette 45.000 Mitarbeiter in 45 Ländern, 380 Hotels sowie 200.000 Betten und seit 2019 auch die Auszeichnung als nachhaltigste Hotelkette der Welt.

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„Mi vida“ von Isabel Durán (256 Seiten, 23,90 Euro) ist im Verlag „La esfera de los libros“ erschienen.