Stephan Benazet hat alle Hände voll zu tun. Mit einer hält er das Telefon ans Ohr: „Tisch für vier heute Abend? Kein Problem! Ist notiert. Bis später, guapa!“, flötet der Wirt auf Deutsch mit einem charmanten französischen Akzent in die Leitung. Mit der anderen Hand deckt der Chef der Pizzeria Coppola Tische ein. Es ist Samstag, und Port d’Andratx brummt. Während Benazet von seiner Restaurantterrasse über die Avenida Mateo Bosch eilt, um die Reservierung ins Buch einzutragen, nehmen die ersten Gäste für den Mittagstisch Platz. Die Straße trennt den Hafenbereich mit seinen Restaurants vom Rest des Ortes, Kellner und Besucher überqueren die Fahrbahn an allen möglichen Stellen. „Jetzt ist wieder Schrittgeschwindigkeit angesagt“, ruft der Fahrer eines Luxuswagens mit Kölner Kennzeichen durch das geöffnete Autofenster.

„Port d’Andratx war schon immer ein ganz besonderer und exklusiver Ort“, erzählt Benazet. „Hier kommen viele Ferienhausbesitzer her. Die Kaufkraft der Gäste ist allgemein sehr hoch.“ Während in anderen Gegenden Mallorcas beinahe eineinhalb Jahre die Bürgersteige hochgeklappt waren, öffnete der Gastronom sein Restaurant mitten in der Pandemie, sobald es ihm erlaubt war. Kundschaft und somit Arbeit gab es eigentlich immer. „Jetzt sind besonders abends und am Wochenende die Tische voll.“ Rasch legt er noch Platzdeckchen, Besteck sowie Servietten und stellt Gläser auf die letzten ungedeckten Tische. „Stammgäste kommen zu mir und erzählen freudig, dass sie geimpft sind. Die Leute wollen wieder reisen und Geld ausgeben.“

Stephan Benazet, Gastronom in Port d'Andratx. Paula Müller

Fast alle Lokale gibt es noch

Schick frisiert, elegant gekleidet und in Begleitung zweier Herren flaniert Karin von der Heyden an der Hafenpromenade entlang, dort wo vor der Kulisse der ersten Ausläufer der Tramuntana die mallorquinischen Fischkutter neben den Luxusyachten im Wasser liegen, dort wo die Fischernetze in der Sonne trocknen und Besucher nebenan ein kleines Vermögen für ein Fischgericht ausgeben können. Port d’Andratx versprüht seinen eigenen Charme. „Die Stimmung ist toll, ich liebe den Ort einfach“, sagt Karin von der Heyden. Die Seniorin hat seit mehreren Jahrzehnten eine Ferienwohnung in Hafennähe.

„Wir fühlen uns sicher hier, auch wenn die Abstände immer weniger eingehalten werden“, berichtet sie. Positiv sei ihr aufgefallen, dass im Gegensatz zu anderen Orten der Insel offenbar fast alle Geschäfte und Restaurants die Krise überstanden hätten. Jetzt sei die Zeit, dass die Leute wieder nach Port d’Andratx kämen, „mir wird es beinahe schon zu voll“, sagt die Frau und lacht.

Ist das die Zukunft der Insel?

Der kleine Parkplatz an der Ortseinfahrt ist bereits in den Vormittagsstunden gut gefüllt. Stefanie und Ruben Schimmelpfennig haben sich für einen Tagesausflug in Port d’Andratx aufgemacht und gerade noch einen Stellplatz für ihren Wagen ergattert. Das junge Paar urlaubt eigentlich in Peguera: „Dort ist es schon anders als hier, aber die Hotels sind nicht so ganz unsere Preisklasse.“ Viele erleben in Port d’Andratx den Tourismus, den Mallorca seit einigen Jahren verstärkt fokussieren will. Nicht Masse, sondern Klasse – beziehungsweise finanzstarke Besucher. Besitzer der Ferienimmobilien halten den Betrieb das ganze Jahr über am Laufen, so auch während der Corona-Krise.

An der Promenade von Port d'Andratx. Paula Müller

„Port d’Andratx hängt nicht komplett vom Tourismus ab wie andere Ort“, sagt Hans Lenz, Geschäftsführer von Engel&Völkers Südwest. „Die Leute wollen auf der Straße sein, sie wollen in ihre Ferienwohnungen reisen, das sorgt für positive Vibes.“ Die Stimmung sei eigentlich die ganze Zeit über gut gewesen – auch vor einem Jahr schon. Das Gewerbe im Küstenort sei positiv gestimmt. „Die Qualität der Kundschaft steigt, und damit auch das entsprechende Angebot“, betont der Makler.

Zehn Mal im Jahr auf die Insel

Das Ehepaar Rudolph, das die Promenade entlang spaziert, hat seit mittlerweile 20 Jahren eine Ferienwohnung in Port d’Andratx. „Wir kannten die Insel damals nicht, wurden gut beraten und dann war klar: Der Südwesten soll es sein“, erzählen die beiden. Mit ihrem Ferienort sind sie voll und ganz zufrieden: „Er hat Charme, und viele Teilzeit-Residenten kommen her.“ Puerto Portals beispielsweise sei ihnen zu Schickimicki. Eigentlich reisen die Rudolphs zehnmal jährlich nach Mallorca. „Dieses Jahr waren wir bisher viermal hier. Wir fühlen uns gut und sicher, wobei wir allerdings auch schon geimpft sind“, erzählen die Stuttgarter. Zwei Wochen wollen sie auf Mallorca bleiben: „Aber mal sehen, wie sich das Infektionsgeschehen so entwickelt, vielleicht fliegen wir auch früher wieder.“

Eine Mutter posiert für die Handykamera ihrer jugendlichen Tochter vor der Hafenkulissen. Im Café stoßen zwei junge Frauen mit Sekt an, dazu haben sie beim Kellner zweimal Obstsalat mit Joghurt bestellt. Besonders entlang der Promenade tummeln sich die Ferienhausbesitzer, Urlauber und Ausflügler. Im Stimmengewirr hört man deutsche, englische, aber auch viele spanische und mallorquinische Stimmen.

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In den Seitengassen wird es ruhiger. Mechy González arbeitet in der Boutique „In Love“, die sich in der Gasse befindet, die vom Hafen zur Kirche des Ortes hinaufführt. „Seit einem Monat ziehen die Geschäfte wieder an. Zwar langsam, aber es geht los“, betont die Verkäuferin aus Uruguay. Es kommen viele deutsche, schwedische, französische und seit einigen Tagen auch englische Gäste. „Wobei die deutschen die besten Kunden sind“, schmeichelt die Modeberaterin, „die Franzosen hingegen kaufen nur zögerlich ein.“ Natürlich habe es auch in Port d’Andratx ein geschäftliches Tief gegeben: „Den vergangenen Sommer, den zählen wir gar nicht erst mit. Doch von diesem Sommer heißt es, dass er besser werden soll als der 2019.“

Boutique-Verkäuferin Mechy González in Port d'Andratx. Paula Müller