Sant Antoni waren mit die ersten Wörter, die Víctor Martínez als Kleinkind lernte. Und es sind die Worte, die ihm in diesen Tagen am meisten im Kopf herumschwirren. Eigentlich würde der 32-Jährige an diesem Sonntag (16.1.) den dunklen Mantel anziehen, die riesige Maske mit den Hörnern aufsetzen und – bejubelt von Tausenden Dorfbewohnern – als einer von zwei Teufeln durch die engen Gassen von Capdepera ziehen. Stattdessen wird er höchstens mit ein paar Freunden zusammensitzen und in Erinnerungen schwelgen. Denn die Feierlichkeiten fallen in allen Inseldörfern aus, im zweiten Jahr in Folge. „Ich empfinde wirklich Trauer und auch Wut. Obwohl ich weiß, dass es richtig so ist“, sagt Víctor Martínez.

Phasellus ipsum quam, iaculis et mattis nec, congue commodo dolor. Ut vitae ligulaeifend id ultrices in, rhoncus at est. Vestibulum | FOTO: SIMUADLO

Schlicht nicht realisierbar

Schuld daran ist natürlich die Pandemie. Experten erwarten den Höhepunkt der jüngsten Welle in der dritten Januarwoche (S. 6). Am 23. Dezember gab die balearische Landesregierung die verschärften Auflagen bekannt: strenge Personenbeschränkungen und Sitzpflicht nicht nur im Inneren, sondern auch bei Outdoor-Aktivitäten wie den ball de dimonis (Teufelstänzen) oder den beneïdes (Tiersegnungen). Gänzlich verboten sind die traditionellen Lagerfeuer (foguerons) und der Ausschank von Getränken an Außenständen.

Stets müssen Sicherheitskräfte den Einlass kontrollieren. Kurzum: Die traditionellen Feiern, bei denen das Umarmen, das Schaukeln in der Masse und die Nähe genauso dazugehören wie der Heilige Antonius, sind unter diesen Voraussetzungen schlicht nicht realisierbar.

"Aber es schmerzt"

Von Sa Pobla über Muro bis hin zu Inca und Manacor sagten die Feier-Hochburgen denn auch nach und nach ihre fiestas ab. Das dürfte die eingefleischten Mallorquiner in etwa so treffen, wie einen Kölner der Ausfall des Karnevals. „Ich kann es natürlich nachvollziehen, die Gesundheit geht vor. Aber es schmerzt“, so Víctor Martínez aus Capdepera.

Seit 14 Jahren gehört er zu einem der drei Dimoni-Duos, die am 16. Januar in Capdepera und am darauffolgenden Wochenende in Cala Ratjada die dunkle Versuchung mimen, die dem Heiligen Antonius einst zusetzte. „Es ist eine Ehre, da mitzumachen, schon als kleines Kind war es mein Traum, dimoni zu sein. Man muss tief im Dorf verwurzelt sein, damit einem dieses Privileg zuteil wird“, sagt Martínez. „Was mir Sant Antoni bedeutet, ist kaum zu beschreiben, es ist einfach ein sehr starkes Gefühl.“

Jung und Alt, zusammen und einander nah beim Tanz der Teufel in Artà. | ARCHIV-FOTO: GUILLEM BOSCH

Omikron vereitelt Plan B

Und genau das wird durch den Ausfall der Festlichkeiten verletzt. Kein Wunder, dass viele Rathäuser und Festkomitees zunächst noch Alternativpläne schmiedeten, um die Traditionen zumindest in abgewandelter Form begehen zu können. Doch Omikron vereitelte alles, zwang zur Absage. „Wir haben die Entscheidung mit dem Kopf getroffen, nicht mit dem Herzen“, verkündete das Rathaus von Capdepera Anfang Januar.

In Artà, ebenfalls einer Sant-Antoni-Hochburg, war man den Schritt sogar schon gegangen, bevor die Balearen-Regierung ihre Regelungen veröffentlichte. „Bei jeglicher Abwandlung des Festes würde seine Essenz verloren gehen. Wir sind nicht in der Lage, mit Beschränkungen zu feiern. Die beste Option ist, alles abzusagen, so weh es auch tut“, so Artàs Bürgermeister Manolo Galán bereits am 22. Dezember.

Wild und feurig: Auch die Feuerumzüge (correfocs) und das gemeinschaftliche Grillen müssen dieses Jahr noch einmal ausfallen. | ARCHIV-FOTOS: PERE JOAN OLIVER/SEBASTIÀ TERRASSA

Kindermasken für die Katz

„Für uns, die Sant Antoni schon immer leben, ist es ein Desaster. Aber ein Desaster, das man akzeptieren muss“, berichtet auch Antoni Riutort. Der 69-jährige aus Son Carrió bei Sant Llorenç ist tief in der Ortstradition verwurzelt, seit über 40 Jahren bastelt er in seiner Freizeit unentgeltlich aufwendige Teufelsmasken. Normalerweise verpasst er die Feierlichkeiten um keinen Preis – nun ist es schon das zweite Jahr in Folge, dass Son Carrió zu Sant Antoni ebenso still daliegen wird wie an den übrigen Tagen im Jahr.

In der Hoffnung auf Besserung hatte Riutort bereits drei Masken für Kinder aus dem Ort fast fertiggestellt. „Nun brauchen wir sie schon wieder nicht. Ich werde sie den Kleinen aber trotzdem geben“, so Riutort resigniert. Wie die Mehrheit der Mallorquiner heißt Riutort den Ausfall der Feierlichkeiten dennoch gut. „Wir müssen verantwortungsbewusst handeln“, findet er. Allein in Sa Pobla wurden kritische Stimmen des Bürgerkollektivs Sa Negreta gegen die Regelungen der Landesregierung laut. Man hätte durchaus unter moderaten Hygieneauflagen den ein oder anderen Programmpunkt durchziehen können, finden die Anwohner. Letztlich sollen in Sa Pobla nur die Tiersegnungen am Montag (17.1.) stattfinden.

Vor der Pandemie kein Problem, derzeit undenkbar: Menschenmassen feuern die „dimonis“ bei ihrem Tanz in Manacor an. | ARCHIV-FOTO: GUILLEM BOSCH Sophie Mono

Lass uns singen

Auch in Manacor schaffte es immerhin eine Betroffenengruppe, sich durchzusetzen. Auf den Gottesdienst der completes wollen die Kirchenoberen trotz der Pandemie nicht verzichten. In Vor-Corona-Zeiten münden die dort zunächst auf Latein gesungenen Liturgien in ein mallorquinisches Gesangs-Happening, bei dem die Menschen in der brechend vollen Kirche lauthals die goigs anstimmen.

Vergangenes Jahr war die Öffentlichkeit ganz ausgeschlossen, diesmal sollen nur die teilnehmen dürfen, die bereits zwei musikalischen Vorproben in dieser Woche beigewohnt haben – als Beweis für das wahre Interesse. Die Organisatoren gehen davon aus, dass so die Einlassgrenze von 30 Prozent nicht überschritten wird.

Auch Sant Sebastià fällt aus

In Palma de Mallorca steht derweil am 20. Januar das Patronatsfest Sant Sebastià an, das ebenfalls Corona zum Opfer fällt. Die Grillparty, die Konzerte, die Tiersegnungen – alles abgesagt. Joan Moyà verspürt Resignation, wenn er daran denkt. Seit er 2013 die alternative Bruderschaft Cofradía Sant Sebastià gegründet hat, versucht der Palmesaner, dem Fest mehr Leben einzuhauchen. Dem Anthropologen fehlten in Palma lange das Gefühl, die Beteiligung und die Ausgelassenheit der Fiestas auf den Dörfern.

Seine cofradía hat dies in den vergangenen Jahren erfolgreich geändert: Im Januar 2020, kurz vor der Pandemie, machten rund 1.000 Anhänger der Bruderschaft mit Kostümen, wilden Gesängen und Tänzen auf sich aufmerksam. Zudem gründeten sich rund 40 weitere Bruderschaften mit ähnlichen Zielen.

Das war einmal: Konzerterlebnisse zu Sant Sebastià in Palma, ganz ohne Masken und Hygieneauflagen. | ARCHIV-FOTO: ENRIQUE CALVO Sophie Mono

Das Feiern richtig zu schätzen gelernt

„Dass all das nun schon zum zweiten Mal nicht weitergeführt werden kann, ist traurig. Die Leute brauchen diese Feiern, um sich einander anzunähern und den Rest des Jahres ein besseres Gefühl zu haben“, findet Moyà. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. „Die Menschen haben durch die Pandemie den sozialen Wert von Feiern erst richtig zu schätzen gelernt. Die Lust ist größer denn je. Wenn es nächstes Jahr möglich ist, werden wir geradezu explodieren!“