An einem Wochenende im Februar waren es im Naturpark s’Albufereta (Port de Pollença) gut ein Dutzend Flamingos. Die Zahl der gefiederten Besucher schwankt, denn sie kommen nicht als Zugvögel saisonal auf die Insel. Die über einen Meter großen Tiere sind auf ihrer Wanderschaft in einem riesigen Radius unterwegs. Im Zentrum liegen Küstenregionen und salzige Inlandslagunen, wo sie ihre Nistkolonien haben. Die größten Europas befinden sich in der Camargue im Rhonedelta, aber auch in der Lagune Puente de Piedra bei Málaga. Weil die Rosaflamingos (Phoenicopterus roseus bot., flamenco span., flamenc kat.) Kolonienbrüter sind, suchen sie sich als Nistplätze weitflächige, salzhaltige, stehende Gewässer aus.

Dort werden die Küken der europäischen Flamingoart seit dem Jahr 1986 beringt. Seither können ihre Wanderungen von Ornithologen nachverfolgt werden. Einer von ihnen ist Jordi Muntaner, der viele Jahre im Umweltministerium der Balearen für den Artenschutz verantwortlich war. Jetzt ist der 63-Jährige im Ruhestand und beobachtet häufig Flamingos im Naturpark Es Trenc-Salobrar im Inselsüden sowie in den Naturschutzgebieten des Nordens: s’Albufera und s’Albufereta. Dort sucht Muntaner mit dem Teleskop beringte Vögel und sammelt Informationen über Flugrouten, Nist- und Futterplätze.

Nistplätze mit viel Platz, aber wenig Nahrung

„Kürzlich fand ich heraus, dass ein Flamingo, der sich auf Mallorca aufhielt, zuvor in den Nistplätzen von Puente de Piedra sein Küken gefüttert hatte“, berichtet der Mallorquiner. Wo er anschließend hingeflogen ist, wäre noch nicht bekannt, es könne jedoch gut sein, dass er zu seinem Nachwuchs zurückflog, um ihn mit der auf Mallorca gesammelten „Kropfmilch“ zu füttern. Denn die Laguna bei Málaga biete zwar viel Platz für Nistplätze – „die Kinderstuben der Flamingos sind riesig“, sagt der Ornithologe – aber zu wenig Nahrung.

Deshalb fliegen die Tiere, mit einer Stundengeschwindigkeit von 50 bis 60 Kilometern und meist in der Nacht, zu weiter entfernten Feuchtgebieten. Erfahrende Altvögel hüten den Nachwuchs, solange die Eltern auf der Futtersuche sind. Für ihre Brutgebiete ist in den Feuchtgebieten auf Mallorca nicht genügend Platz, doch sie bieten den Vögeln viel Futter. In den salzigen, nicht tiefen Gewässern leben der Salinenkrebs (Artemia salina), der den Vögeln das Karotin für ihre rosafarbenen Federn liefert.

Zudem sind Wasser und Schlamm reich an anderen Kleintieren und Mikroorganismen – die Flamingos filtern sie mit ihren abgerundeten Schnäbeln, darin den Walen nicht unähnlich, heraus. Auf der Insel ruhen sie sich zudem von den Flügen aus, sie schlafen auf einem Bein und widmen sich der Pflege ihres Gefieders. Dieses ist bei frisch geschlüpften Küken zunächst schwarz und weiß, Beine und Schnäbel sind grau.

Fliegen lernen und Futtersuche

Noch bevor die Nestflüchter in den Brutkolonien fliegen lernen, treiben Freiwillige unter der Aufsicht von Parkwärtern und Ornithologen die Jungvögel mit Netzen zusammen. In den Gewässern bei Aigues Mortes in der Camargue sind es in einer Brutsaison an die 5.000 Küken. Bei dieser Menge können nur etwa zehn Prozent der Jungvögel beringt und danach wieder freigelassen werden.

„Wenn der Nachwuchs im August in den Brutgebieten fliegen gelernt hat, macht er sich im September erstmals zur Futtersuche auf den Weg nach Mallorca“, sagt Jordi Muntaner. Er beobachtet dann, wie sich das Gefieder verändert. Mit drei Jahren sind die Federn, ebenso wie Schnäbel und Beine, weiß und rosarot. Flamingos brüten erst mit vier Jahren. Muntaner hat auf der Insel schon betagte Exemplare gesehen, die vor 1996 beringt worden sind, die Vögel bis zu 30 Jahre alt.

Manche bleiben über Monate

Bis vor einigen Jahren sind die Flamingos nur kurz im Winter auf die Insel gekommen, heute bleiben sie Monate, manche sogar den Sommer über. Doch die Zahl der Besuche ist nur schwer zu erfassen. Muntaner berichtet, dass 2020 zum Beispiel ein schwaches Jahr war, in dem nur 200 Tiere registriert wurden. Doch Anfang Dezember 2021 hingegen konnten an einem einzigen Tag über 600 Flamingos im Inselsüden gesichtet werden, die im Norden noch nicht mitgerechnet. Noch häufiger besuchen die Vögel allerdings die Salinen auf Ibiza. Nicht selten werden dort 900 und mehr Flamingos an einem Tag registriert.

Die Zunahme der Futtersucher liege an der ansonsten unguten Erhöhung des Salzgehaltes in den Gewässern der Feuchtgebiete auf Mallorca, sagt Muntaner. Der erhöhte Salzgehalt führt dazu, dass die Zahl der Schilfpflanzen, die ausschließlich im Süßwasser gedeihen, abnimmt und die freien Wasserflächen größer werden, was großen Wasservögeln den An- und Abflug erleichtert. Zudem steigen die Bestände in den Habitaten und Brutkolonien der europäischen Naturparks seit Jahren.

Ruhe durch Strandbesucher gestört

Die Ruhe, die Flamingos auf Mallorca nach ihren langen Flügen suchen, ist nicht immer garantiert. So spazieren Strandbesucher von Es Trenc zum Salobrar. Sie ignorieren Verbotsschilder nicht nur, sie reißen sie sogar ab. Die Vögel werden für Fotos im Flug mit Rufen aufgescheucht. In der s’Albufereta dagegen sind die Tiere schwerer erreichbar, es braucht schon Gummistiefel, um das Brackwasser für eine Besichtigung zu queren. Doch auch hier waren verbotenerweise schon Besucher mit Drohnen unterwegs. Für Flamingo-Fans und Fotoamateure empfiehlt Montaner die Observatorien im Naturpark s’Albufera.

Übrigens: Mit dem Flamenco-Tanz hat der spanische Name der Vögel nichts zu tun. Er geht auf das lateinische Wort „flamma“ zurück und steht für flammenrotes Federkleid.