Mallorca Zeitung

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MZ-Serie „Die anderen Auswanderer“: Hier gibt es auf Mallorca Tacos wie in Mexiko

Mit nur zwölf Jahren begann Pili García ihren ersten Job in Mexiko. 30 Jahre später eröffnet sie in Palma ihren eigenen Laden. Mit dabei: die Kolumbianerin María José Rodríguez

Pili García (re.) hat sich mit dem Taco-Laden „Tak & Roll“ einen Traum erfüllt. Ihre Freundin María José Rodríguez begleitet sie dabei. | FOTO: NELE BENDGENS

Wenn eine Bestellung hereinkommt, steigt Pili García direkt auf einen ihrer vielen Hocker. Die 43-jährige Mexikanerin schneidet dann frisch Gemüse und Fleisch, das ihr María José Rodríguez von ihrem eigenen Hocker aus reicht. „Wir sind beide so klein, dass wir Rückenschmerzen bekommen, wenn wir ohne Hocker arbeiten“, sagt García und lacht. Tatsächlich würde die Mexikanerin sonst nicht an die heiße Platte kommen, auf der sie geübt Gemüse und Fleisch brät. García ist 1,47 Meter groß, ihre kolumbianische Mitarbeiterin misst nur ein paar Zentimeter mehr.

Klein ist auch der Laden Tak & Roll, in dem die beiden Lateinamerikanerinnen arbeiten. In einem fast quadratischen Raum sind vier Tische, die Theke und Garcías Grillplatte aufgestellt, in einem Nebenraum stehen die Zutaten. Dort schnippelt die Kolumbianerin María José Rodríguez Zitronen und Koriander, um auf größere Kundenmengen vorbereitet zu sein.

Der kleine Taco-Laden ist der große Traum von Pili García. Die Mexikanerin hat ihr Leben lang für andere gearbeitet, jetzt ist sie ihre eigene Chefin. García kam vor 43 Jahren in Mérida in der Region Yucatán in Mexiko zur Welt. Sie war die sechste von sieben Geschwistern. Ihre Familie war arm, die Kinder mussten früh das Elternhaus verlassen, um Geld zu verdienen. „Ich glaube, ich würde die meisten meiner Brüder und Schwestern nicht wiedererkennen“, sagt die Mexikanerin. Sie habe sie seit Jahrzehnten nicht gesehen.

Nanny in Vancouver

Mit nur zwölf Jahren war auch García an der Reihe. Ihre Familie schickte sie nach Jalisco, einen weit entfernten Bundesstaat. Ihre erste Anstellung war bereits in einer taquería. Hin und wieder besuchte ihre Mutter sie, dann übergab García der Frau ihr Erspartes. Bis zu ihrem 18. Geburtstag reiste García durch verschiedene Gegenden ihres Heimatlandes, meist arbeitete sie dabei an Taco-Ständen. Volljährig beschloss die Mexikanerin dann auszuwandern. „Ich bin abenteuerlustig und wollte etwas von der Welt sehen“, sagt sie. Die meisten ihrer Geschwister lebten zu diesem Zeitpunkt bereits in den USA, doch sie zog es nach Kanada. In Vancouver arbeitete sie als Nanny.

Nach einigen Jahren im Norden ging es für García zurück nach Mexiko. Dort machte sie wieder einmal Tacos, lernte einen Mann kennen und gründete eine Familie. Doch die Beziehung ging schnell in die Brüche, und nun war García allein mit zwei kleinen Kindern. Sie nahm sie mit zur Arbeit, schuftete viele Stunden, um genug Geld zusammenzukratzen. Irgendwann war jedoch klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Wie alle ihre Geschwister vor ihr beschloss auch García, fest auszuwandern. In die USA wollte sie nicht, sie kannte das Land aus Reisen und wollte nicht ihre Kinder in der dortigen Kultur aufziehen. Weil eine Schwester von ihr seit Jahren auf Mallorca lebte, kam sie 2016 auf die Insel.

Gerade wenn García auf die schweren Zeiten ihres Lebens zu sprechen kommt, lächelt sie immer nett, ihre Stimme wird fast beschwichtigend. „So war das damals eben“, fügt sie häufig ein. Oder: „Das ist vielen so gegangen.“ Auch wenn sie über ihre ersten Jahre auf Mallorca spricht, lächelt sie. Um auf der Insel Fuß zu fassen, kam García alleine und ließ ihre Kinder in Mexiko zurück. Drei Jahre lang, bis sie eine Aufenthaltsgenehmigung erlangt hatte, konnten sie sich nicht sehen. Ihr Sohn war drei Jahre alt, als sie ihn bei Verwandten ließ, ihre Tochter fünf. „Das war sehr hart“, sagt sie zum ersten Mal im Gespräch. Nur wenige Tage nachdem sie ihre Papiere in Ordnung gebracht hatte, saß García im Flugzeug nach Mexiko. „Ich hatte Glück, dass ich meine Kinder noch vor der Pandemie zu mir holen konnte“, sagt sie.

„Jede Arbeit mit Stolz“

Seit 2019 lebt die Mexikanerin mit ihren Kindern und ihrem jetzigen Partner in Palma. Zuerst verdiente sie ihr Geld mit Putzjobs. Im Bus saß sie immer wieder neben einer ebenfalls kleinen Frau, die nur wenige Jahre älter war als sie: María José Rodríguez. Die Kolumbianerin ähnelt ihrer mexikanischen Chefin nicht nur in Alter und Größe, auch sie plappert gerne fröhlich, gibt den Stammkunden liebevolle Spitznamen und lächelt viel.

Heiß und saftig: Zwei selbst gemachte Tacos mit Rindfleisch, Zwiebeln und Paprika. Dazu scharfe Soße. Marlene Weyerer

Rodríguez, die in der Hafenstadt Buenaventura am Pazifik zur Welt kam, arbeitete in Kolumbien in der Verwaltung eines Kindergartens, bis sie ihren Job verlor. „Ich hatte eine Familie, musste also weder hungern noch um mein Dach über dem Kopf fürchten, aber ich wollte weiter arbeiten“, sagt sie. Also kam sie 2009 nach Spanien und fand ähnlich wie García erst einmal nur Jobs als Putzfrau. „Es hat mir nichts ausgemacht zu putzen“, fügt sie hinzu. „Ich mache jede Arbeit mit Stolz.“ Jeden Euro, den sie erübrigen kann, schickt sie nach Hause. „Niemand verlangt das von mir, aber ich will ihnen helfen.“

Wenn sie von ihrer Heimat spricht, hat sie Tränen in den Augen. „Ich vermisse mein Zuhause, meine Familie, meine Freunde.“ Sie lächelt, entschuldigt sich für ihre Emotionalität und wechselt das Thema: von Kolumbien zurück nach Mallorca. García und Rodríguez tauschten irgendwann im Bus ihre Nummern aus, wurden Freundinnen. Und als die Mexikanerin eine Anstellung in einem Restaurant fand, heuerte auch Rodríguez dort an.

Taco-Laden ist eine Gemeinschaftsarbeit

Doch García wollte mehr. „Ich habe so viele Stunden gearbeitet und meine Kinder selten gesehen – und das alles für andere“, sagt sie. Und so eröffnete sie im Februar 2023 ihre eigene taquería, auch hier wieder mit Rodríguez. Der Laden ist eine Gemeinschaftsarbeit: Das Geld dafür stellte neben Garcías eigenem Ersparten ihr spanischer Partner, das Logo entwarf ihre zwölfjährige Tochter, alle zusammen dekorierten sie nach und nach den Raum.

García will hier Tacos so machen, wie sie wirklich in Mexiko gegessen werden. Selbst die Tortillas macht sie selbst. In schnellen Bewegungen entstehen dann aus dem Teig kleine runde Pfannkuchen. Mit der Hand dreht die Mexikanerin sie auf der heißen Platte um. Es ist kaum zu erklären, dass sie sich dabei nicht verbrennt. „Ich mache Tortillas nun einmal, seit ich ein kleines Mädchen bin“, sagt García und lächelt wieder, dieses mal stolz.

Übung macht bei Tortillas wirklich die Meisterin. Denn dieser kleine Taco-Laden, bei dem vier Tacos zehn Euro kosten, kann problemlos mit mexikanischen Restaurants mithalten, die das Doppelte verlangen. Immer mehr Menschen wissen das auch zu schätzen. „In den ersten Monaten war hier wenig los, aber inzwischen haben wir Stammkunden und teils auch größere Bestellungen“, sagt García. Von 11 bis 23 Uhr ist Tak & Roll geöffnet. In den Nachmittagsstunden, wenn weniger los ist, sind auch Garcías Kinder hier, die Mexikanerin kann mit ihnen Zeit verbringen. „Mein Sohn will mir immer schon helfen, Tacos zu machen“, sagt sie. „Aber er ist dafür noch zu klein.“ Im Gegensatz zu García selbst dürfen ihre Kinder erst erwachsen werden, bevor sie anfangen zu arbeiten.

Adresse: Carrer Benet Pons i Fàbregues, 2B

Öffnungszeiten: Mo.-Sa. 11-22 Uhr

Menü: Tacos, Burritos, Quesadilla, Nachos...

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