Mallorca Zeitung

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Hai-Alarm, Live-Sex und jede Menge Promis: Die größten Sommer-Aufreger aus 35 Jahren auf Mallorca

Manche Journalisten machen aus einer Mücke einen Elefanten, wenn sie über die Insel schreiben. Das treibt die Auflage nach oben

Erhitzte Gemüter gibt es bei Mallorca-Themen regelmäßig. | FOTO: CHEREMUHA, ISTOCK

Alle Jahre wieder, meistens in der Hauptsaison, erhitzen skurrile Geschichten von der Lieblingsinsel der Deutschen die Gemüter. Mitunter harmlose Ereignisse auf Mallorca müssen dafür herhalten, das Sommerloch zu stopfen. Mal stecken politische Manöver dahinter. Mal spekulieren Boulevardmedien auf hohe Verkaufszahlen. Was aber war oder ist vor Ort wirklich los? Wir haben einige Themen aus den vergangenen Jahrzehnten zusammengetragen.

29. Mai 1989: die Ratten kommen

„Mallorca: Müllstreik – die Ratten kommen“ polterte der Journalist C. Jacob-Rüdiger auf der ersten Seite der „Bild“. 25.000 Deutsche waren in dem Monat, als die Müllabfuhr streikte, nach Angaben der Zeitung auf Mallorca. Gesichtet wurden einzelne Ratten, die es auch in jeder deutschen Großstadt gibt. Die Behauptung, den Deutschen würde durch eine Rattenplage „der Urlaub verleidet“, war maßlos übertrieben.

Die Ekel-Geschichte setzte auf einen Effekt, den man in der Dramentheorie Katharsis nennt. Viele Aufreger im Boulevard folgen diesem Strickmuster: Angesichts des Leids anderer fühlen wir uns selbst besser. Bis heute streikt die Müllabfuhr auf Mallorca immer mal wieder. Alternativen für Seite-eins-Geschichten hätte es genug gegeben.

Am 7. Mai 1989 fanden Kommunalwahlen in der DDR statt. Bürgerrechtler wiesen Fälschungen nach. Die Friedensgebete in Leipzig und anderswo verzeichneten einen immer größeren Zulauf. Dass die „Bild“ in solch turbulenten Zeiten auf eine Ferieninsel zoomte, verdeutlicht, welche Kaufkraft man Mallorca-Fans zutraute, und zeigt, dass sich die Leser ihrer Lieblingsinsel stärker verbunden fühlten als der DDR.

9. Juli 1993: Mallorca wird deutsch

Vor ziemlich genau 30 Jahren hieß es, Deutschland wolle den Spaniern die ganze Insel abkaufen. Am 9. Juli 1993 wurde die Formulierung geboren, Mallorca sei das „17. Bundesland“. An diesem Tag prangte auf der Titelseite der „Bild“ die Zeile „Der verrückteste Vorschlag aus Bonn – Mallorca soll deutsch werden“. Der Reporter Einar Koch hatte mit dem damaligen CSU-Bundestagsabgeordneten Dionys Jobst informell gesprochen. Aus der harmlosen Plauderei wurde später die Behauptung herausgegriffen, Bonner Abgeordnete dächten darüber nach, die Insel für 99 Jahre zu pachten oder zu kaufen, zu einem Schätzwert von 50 Milliarden DM.

Koch zitierte Jobst wie folgt: „Jetzt strömen die Deutschen wieder ins Ausland. Eigentlich sollte man ja für die schönen Urlaubsgebiete nur in unserem eigenen Land verstärkt werben. Aber Mallorca ist ja schon nahezu zu einer Insel mit deutschen Einwohnern geworden. Deshalb müsste die Bundesregierung eigentlich mit Spanien in Verhandlungen treten und sich um den käuflichen Erwerb dieser Insel bemühen.“ Jobsts Bundestagskollege Peter Ramsauer (ebenfalls CSU) schlug eine „Erbpacht von Mallorca durch Deutschland“ vor.

Viele Urlauber hielten diese Frotzeleien für bare Münze. Der damalige CDU-Generalsekretär Peter Hintze soll ziemlich sauer gewesen sein, Kanzler Helmut Kohl blieb Zeitzeugen zufolge gelassen. Anrufe aus der ganzen Welt erreichten Jobst, auch das spanische Königshaus schaltete sich ein, was für weitere Schlagzeilen sorgte. „Spaniens König greift ein“ und „Spaniens Botschafter protestiert“ hieß es später.

In Großbritannien ärgerte man sich darüber, dass sich die Deutschen die Insel angeblich unter den Nagel reißen wollten. Die Briten machten daraufhin ihrerseits Besitzansprüche geltend. Die Boulevardzeitung „Sun“ titelte: „Wir kämpfen um jeden Liegestuhl“. Es dauerte Wochen, bis in diesem absurden Schlagzeilengefecht wieder Waffenstillstand herrschte. Bis heute gibt es einen „Bild“-Podcast namens „Das 17. Bundesland“. Die Bezeichnung taucht immer wieder in Medien auf.

Claudia Schiffer stellt Mode von Mango vor. Ursula Dueren

9. Dezember 1998: Claudia Schiffer

Noch bevor Boris Becker mit Geldproblemen in die Schlagzeilen geriet, zeigte der „Bild“-Journalist Marc Werthmann mit dem Finger auf eine andere populäre Deutsche. Das Topmodel Claudia Schiffer, deren Eltern bereits ein Haus in Andratx gehörte, kaufte nach Angaben der Zeitung „eine ganze Landzunge“ (404.400 Quadratmeter), während angeblich für „viele Deutsche“ der Traum „von einem kleinen Häuschen“ auf der Insel unerfüllt bleiben würde. Die Zeitung machte sich zum „Anwalt des kleinen Mannes“, indem sie auf Sehnsüchte ihrer Leser nach einem Eigenheim spekulierte.

17. März 2006: Die Mallorca-Karin

Nach „Florida-Rolf“ und „Karibik-Klaus“ empörte die „Mallorca-Karin“ die Bürger von der Nordsee bis zu den Alpen. Mehr als 40.000 Euro Arbeitslosengeld sollte die Frau in vier Jahren erschwindelt haben, während sie sich auf Mallorca ein Leben in Saus und Braus gönnte, wie die „Bild“ herausfand. Außerdem wurde die Frau beschuldigt, zwei angeblich ihr gehörende Luxusapartments in Colònia de Sant Jordi vermietet und Reiterreisen auf die Insel vermittelt zu haben. Zusammen mit dem Geld aus Deutschland habe sie sich auf Kosten der Steuerzahler einen „lockeren Lenz“ auf Mallorca machen können.

Das Thema verfing, auch andere Medien griffen die Story auf. Auch durch solche Schlagzeilen wurde das Narrativ von den Sozialschmarotzern weiter verbreitet. Dazu beigetragen hatte der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder mit einer Aussage, die einige Jahre zuvor hohe Wellen schlug. „Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft“, polemisierte Schröder im April 2001 angesichts hoher Beschäftigungslosigkeit. So rechtfertigte er die Hartz-Gesetze, die eine Kommission unter Vorsitz des VW-Managers Peter Hartz im Jahr 2002 erarbeitet hatte.

22. Juli 2009: Die Schweinegrippe

Nach dem Tod einer Schweinegrippe-Patientin am 16. Juli auf Mallorca brach einmal mehr Sommerloch-Panik aus. „Deutsche Urlauber in Angst“ titelte die „Bild“. Die Schweinegrippe, auch als Neue Grippe oder Influenza H1N1/2009 bezeichnet, wurde durch eine Tröpfchen-Infektion übertragen: Körperkontakt, Küssen, Trinken aus dem gleichen Sangría-Eimer sowie Schlafmangel oder Überanstrengung förderten Ansteckungen. Dennoch gab es auf Mallorca nicht signifikant mehr Fälle als anderswo. Einen Grund, auf Urlaubsreisen zu verzichten, gebe es nicht, teilte der Branchenriese Tui mit. Die meisten Touristen blieben cool und feierten einfach weiter, wie die Mallorca Zeitung berichtete – mit einer Titelseite, die zu einer Karikatur der „Bild“-Schlagzeile wurde.

18. August 2009: Sex im Paradies

Sex sells. „Super Lesbian Porn Night“, „Porno Casting“ und „Werde der neue Rocco Sifredi“ (ein bekannter männlicher Porno-Star) stand auf Flyern, die Promoter am Boulevard der Playa de Palma Touristen in die Hand drückten. Die spanische Polizei sei zu lasch, so die „Bild“, sie dulde sogar Live-Sex im Club Paradies: „Verkommt unsere Lieblingsinsel jetzt zum schlüpfrigen Sex-Dorado?“ Die Beamten rechtfertigten sich laut „Bild“: „Wenn dort Sexpartys stattfinden, reicht die Discolizenz nicht, dann brauchen die Betreiber eine Lizenz für Pornografie. Wir werden das mit unserer Spezialabteilung untersuchen.“

Auch Prostitution auf Mallorca wurde immer wieder zum Thema der Boulevardpresse, und zwar in Form der „Klauhuren“ an der Playa de Palma. In Spanien findet das offiziell nicht legalisierte Gewerbe in der rechtlichen Grauzone statt. Die Sozialisten schlugen vor, Bordelle zu schließen und Zuhälter mit höheren Strafen abzuschrecken. Dagegen gab es Widerstand, auch von Sexarbeiterinnen.

1. September 2011: Dr. Bluff

Im Film „Catch me if you can“ von Steven Spielberg aus dem Jahr 2002 spielt Leonardo Di Caprio den Betrüger Frank Abagnale Junior, der erfolgreich vorgibt, Pilot zu sein, später Arzt. Letzteres gelang auch einem Deutschen in Palma. Über Jahre hatte der Mann mit einem falschen adligen Namen deutsche Residenten und Touristen behandelt. Er setzte Spritzen, gab Kortison, verordnete Antibiotika. In einer Notarzt-Jacke tauchte er im Nachtleben an der Playa de Palma auf. Auf seiner Website gab er sich sogar als „Leitender Direktor“ einer „Tages-Unfallklinik“ aus.

Der Fall, den die Mallorca Zeitung zusammen mit einem Privatermittler aufdeckte, war kein Sommerloch-Thema, aber ein echter Aufreger. Die deutsche Krankenversicherung Allianz leitete im Frühjahr erste Nachforschungen ein, nachdem hohe Rechnungen eingegangen waren, die sich als Fälschungen entpuppten. Eigentlich war der Mann Koch, führte ein Restaurant in Palma, bevor er in Deutschland eine Haftstrafe absaß. Dann kehrte er wieder nach Mallorca zurück, ging zu seinen Patienten nach Hause oder empfing sie in seiner Wohnung in einem Block in Arenal. Nach seiner Enttarnung zog er nach Gran Canaria. Dort war er in einem Mordskandal verwickelt. Dr. Bluff entging einer Strafe, er starb im Juli 2016 im Alter von 48 Jahren an einem Herzinfarkt.

Der Kopf der Hells Angels wird von der Polizei abgeführt. RTRPIX

25. Juli 2013: Hells Angels

Der Hannoveraner Frank Hanebuth, Kopf der Hells Angels, wurde am 13. Juli 2013 auf der Finca eines langjährigen Freundes in Lloret de Vistalegre festgenommen. „So machen deutsche Rocker Millionen auf Mallorca!“ titelte die „Bild“. Hanebuth kam zwei Jahre in Untersuchungshaft und wurde 2014 gegen eine Kaution von 60.000 Euro etwas überraschend freigelassen. Bei der „Operación Cassablanca“ waren über 200 Polizisten an mehreren Orten im Einsatz. So spektakulär der Polizeieinsatz damals war, so träge verläuft die gerichtliche Aufarbeitung seither. Nach dem Prozess gegen die Hells Angels Anfang des Jahres 2023 warten Hanebuth und 14 Mitstreiter weiter auf die Urteile, die frühestens im September erwartet werden.

Immer wieder werden Haie vor der Küste gesichtet. Oceana

30. Juni 2018: Hai-Alarm

Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wurde ein Weißer Hai gesichtet. „Wie gefährlich sind die Meeresräuber für Touristen?“, fragte die „Bild“, getreu dem alten journalistischen Motto „Mit Kindern und Tieren kannst du nicht verlieren.“ Völlig unter ging dabei allerdings die Tatsache, dass das Tier knapp 35 Kilometer von Mallorca entfernt beobachtet worden war. So weit draußen geht kein Urlauber schwimmen. Haie vor der Küste schafften es noch häufiger in die Schlagzeilen. Die Tiere waren aber in der Regel nicht bedrohlich, sondern meistens verletzt, krank oder orientierungslos.

9. November 2020: Beckers Finca

Die Finca von Boris Becker in Arta. Sylvia Nowel

Je höher einer aufsteigt, desto tiefer kann er fallen. Als Boris Becker am 7. Juli 1985 im Alter von 17 Jahren als erster Deutscher das Finale der Wimbledon Championships gegen Kevin Curren gewann, war der Jubel in der Bundesrepublik enorm. 1997 kaufte er für umgerechnet 500.000 Euro das Anwesen Son Coll bei Artà im Nordosten der Insel – bald darauf gab es Ärger. Ein Wohnzimmer im marokkanischen Stil, eigene Basketball- und Tennis-Courts sowie ein Pferdestall gehörten dazu. Sogar ein eigenes Amphitheater hatte Boris Becker bauen lassen.

Doch wegen Verstößen gegen die Bauauflagen musste Boris Becker Geldstrafen bezahlen. In der lokalen Presse wurde ihm eine „exzessive Bauwut“ vorgehalten. Nachdem Becker pleitegegangen war, verfiel das Anwesen, in das er Millionen investiert hatte. Während das Elternhaus in Leimen 2020 gerade zum Verkauf angeboten wurde, berichtete die „Bild“ am 9. November 2022, dass Beckers Finca in den Besitz der britischen Bank Arbuthnot Latham übergegangen sei. Die Bank hatte ihm eine Hypothek auf das Anwesen gegeben und sie war es auch, die 2017 gegen Becker vor Gericht zog und seine Insolvenz einleitete.

Georg Berres und Co besetzen die Finca von Boris Becker in Arta. Sylvia Nowèl

Das Lebenskünstler-Kollektiv um „Jesus Bruder Bauchi“ besetzte im Jahr 2018 die Finca. Nach drei gescheiterten Versuchen einer Zwangsversteigerung enterten die Hippies den Gebäudekomplex und blieben bis zur Räumung im Januar 2020. Der Aussteiger Georg Berres (Bauchi) aus dem Rheinland sorgte 2018 und 2019 für jede Menge Schlagzeilen, als er sich mit weiteren Bewohnern zwölf Monate in die zu dem Zeitpunkt verwahrloste Finca einnistete. Ein Gericht wies den Deutschen an, die Finca zu räumen, und verurteilte ihn sowie seine Kumpanen wegen des Vergehens der Hausbesetzung zu 480 Euro Bußgeld.

20. Mai 2022: Die Kegelbrüder

13 deutsche Kegelbrüder sollen in Arenal von einem Hotelbalkon aus mit Zigaretten das Schilfdach der Bar Why not Mallorca in Brand gesetzt und damit große Schäden angerichtet haben. Der Brand hatte am frühen Nachmittag des 20. Mai die Außenterrasse der von Deutschen betriebenen Bar an der Playa de Palma zerstört. Das Feuer richtete auch an einem darunter liegenden Bordell, einer Privatwohnung und dem angrenzenden Hotel Schäden an.

Die Männer bestreiten das bis heute. In Deutschland gingen Medien von der Unschuld aus. Die „Rheinische Post“ berichtete am 1. Juni 2022, dass die Mitglieder des Münsteraner Kegelvereins „Stramm am Tisch“ wohl nichts mit der Brandstiftung zu tun haben können, da sie zwar gefeiert, sich mit Bier übergossen und geraucht hätten, aber zum Zeitpunkt der Tat zu weit vom Brandherd entfernt gewesen seien. An dieser Fassung gibt es berechtigte Zweifel. Das Ermittlungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Ob es letztendlich zu einem Prozess kommt, ist derzeit ungewiss.

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