Mallorca Zeitung

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Ewig lange Wartelisten: Jetzt sind Kita-Plätze auch auf Mallorca knapp

Seit Sommer 2023 müssen Eltern keine Gebühren mehr für die Kinderkrippe zahlen. Die Nachfrage ist riesig, die Plätze sind rar. Wie auch im Fall der Autorin gehen viele Familien leer aus – besonders zum Start der Saison ist das ein Problem

Die balearische Ministerpräsidentin Marga Prohens (2. v. l., oben) und Bildungsminister Antoni Vera bei einem Krippenbesuch im November 2023. CAIB

In Deutschland ist es seit Jahren ein Problem, auf Mallorca erst seit Kurzem: Die öffentlichen Krippenplätze für Kinder unter drei Jahren sind knapp. So knapp, dass viele Eltern zum Saisonstart keine Ahnung haben, wie sie ihren Nachwuchs unterbringen sollen, wenn sie selbst nach der Babypause wieder ins Berufsleben starten.

Ich weiß, wovon ich schreibe, denn ich bin selbst eine von Hunderten Betroffener. Nachdem ich damals, 2019, mit meinem ersten Sohn im Bauch noch von Mitarbeitern der örtlichen escoleta in Cala Ratjada als die überpünktliche Deutsche ausgelacht worden bin, weil ich schon schwanger die Anmeldung für mein Kind ausfüllen wollte, bereue ich heute – knapp ein Jahr nach der Geburt meines zweiten Sohnes –, dass ich bei ihm nicht ebenso verfahren bin.

Noch im vergangenen Sommer hatte man mich beschwichtigt, es sei vollkommen ausreichend, den Kleinen Anfang des Jahres auf die Warteliste setzen zu lassen, damit er wenige Monate später, also im Frühjahr 2024, in der Krippe starten und ich zur MZ zurückkehren könne. Doch Fehlanzeige: Als ich Anfang Dezember den Antrag einreichte, erhielt ich prompt Antwort: Bis September 2024 sei es aussichtslos, sowohl in Cala Ratjada als auch in Capdepera. Knapp 20 weitere Kinder unter einem Jahr stünden auf der Warteliste, vermutlich werde so gut wie keines in den nächsten Monaten aufgenommen werden können. Hektische Versuche, einen Platz in den Nachbargemeinden Artà oder Son Servera zu ergattern, schlugen ebenfalls fehl. Überall die gleiche Aussage: „Wir sind voll.“

Keine Kosten, dafür mehr Nachfrage

Zu wissen, dass man mit dem Problem nicht alleine dasteht, ist nur ein schwacher Trost. Überall auf den Balearen ist die Nachfrage nach Kita-Plätzen seit dem vergangenen Jahr sprunghaft angestiegen. Offizielle Zahlen kann oder will das Bildungsministerium derzeit nicht nennen, zumal einige Einrichtungen der Verwaltung des Inselrats unterliegen, doch klar ist: In vielen Orten sind die Wartelisten sogar noch länger als in Capdepera. In Sóller beispielsweise warten aktuell mehr als 40 Familien darauf, ihre Säuglinge oder Kleinkinder betreut zu bekommen.

„Und es werden immer mehr“, sagt Matias Gaebler. Der auf Mallorca aufgewachsene Sohn eines Deutschen hat sein zweites Kind – vorausschauender als ich – bereits auf die lista de espera in Sóller setzen lassen, obwohl der Geburtstermin erst für Mai 2024 eruiert ist. Und trotzdem sieht es so aus, als ob er und seine Frau nicht nach der ohnehin kurzen Elternzeit wie geplant arbeiten gehen können. „In Sóller wird das Problem auch im kommenden Schuljahr anhalten. Denn es ist keine kurzfristige Lösung in Sicht“, sagt Gaebler.

Überfüllt sind vielerorts nicht nur die staatlichen Kitas (escoletas públicas), sondern auch die halbstaatlichen (concertadas), die sich dem öffentlichen Verbund angeschlossen haben. Der Grund: Seit vergangenem Sommer ist die Betreuung der Null- bis Dreijährigen in all diesen Einrichtungen für die Familien kostenlos, erstmals übernimmt die balearische Landesregierung quasi alle Kosten. Das ist nett gemeint, bringt aber herzlich wenig, wenn der damit einhergehende Nachfragezuwachs nicht einkalkuliert wird. „Wir konnten ja nicht ahnen, dass sich so viele Familien dafür entscheiden werden, ihr Kind anzumelden, vorher hatten wir teilweise mehrere freie Plätze übrig“, wehrt die in Sóller zuständige Stadträtin Andrea Pomar (PP) auf MZ-Nachfrage ab. Nachdem sich die Eltern vor Ort zu Protestaktionen zusammengeschlossen haben, scheint sie jetzt bemüht, Lösungen zu suchen. Ein Treffen mit der Landesregierung sei für Ende des Monats angepeilt. „Vorher können wir nicht absehen, wann wir neue Plätze anbieten können. Eine Idee wäre der Bau einer neuen Kita, aber die Auflagen dafür sind seitens der Landesregierung sehr hoch“, so Pomar.

Matias Gaebler findet, dass das Rathaus es sich damit zu einfach macht. „Das alles hätte man früher absehen können und zumindest provisorisch schnelle Lösungen finden können. Durch vorübergehend aufgestellte Betreuungsräume in Containern oder in leer stehenden Räumen der Grundschule“, sagt er.

Auch in Capdepera ist man von kurzfristigen Lösungen für die anstehende Saison weit entfernt. Verantwortlich für die Engpässe sei die sozialistische Vorgängerregierung im Rathaus, die nicht weitsichtig gehandelt habe, so Gemeinderätin Mireia Flaquer (PP). Man sei aktuell im Gespräch mit der Landesregierung über eine mögliche Erweiterung der Krippe in Cala Ratjada. Doch das kann dauern.

Tagesmütter gibt es kaum

Während in Deutschland viele Familien auf Tagesmütter zurückgreifen, ist dieser Berufszweig auf Mallorca kaum vertreten. „Ausgebildete Betreuer gibt es in Sóller meines Wissens nach gar nicht“, sagt Gaebler. Einzige Alternative: Privatpersonen, die unter der Hand gegen Geld auf Kinder aufpassen. Doch auch die sind angesichts der geringen Arbeitslosigkeit in den Sommermonaten rar gesät. Zumal kaum eine Familie viel zahlen kann. Wer will schon arbeiten gehen, statt seine Kinder selbst zu betreuen, nur um sein gesamtes Gehalt an eine Person weiterzugeben, damit diese sich um die Kinder kümmert?

In meinem Fall habe ich Glück im Unglück. Mein Chef ist flexibel, und meine Familie springt bei der Betreuung meines Sohnes abwechselnd ein, mal der eine, mal die andere. So werden wir uns von Monat zu Monat hangeln, irgendwie. Und warten.

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