Es sei alles ein wenig chaotisch hier, entschuldigt sie sich. Dann betritt man einen dann doch auffallend ordentlichen Raum in einem Altbau in Palma. An der Wand hängen sorgsam ausgewählte Zeichnungen. Die Bücher liegen nicht herum, sondern stehen in den Regalen. An einer Wand stehen gleich mehrere Schreibtische.

Es ist das Atelier von Hannah Bonner. Die 61-Jährige arbeitet seit etwas über 20 Jahren als Illustratorin. „Es ist eine häufig eher einsame Arbeit. Das ist zwar nicht schlimm, aber auch nicht der Grund, warum ich Illustratorin geworden bin." Bonner ist die Tochter des bekannten Ramon-Llull-Experten Anthony Bonner. Ihre Eltern sind beide US-Amerikaner. Sie wuchs auf Mallorca auf, hat aber auch mehrere Jahre in den USA gelebt. Seit zwölf Jahren ist sie inzwischen wieder auf der Insel.

Bonner zeichnet hauptsächlich Aquarelle. Die Linien zieht sie mit Bleistift oder indischer Tinte. Ihre Spezialität ist die Natur und die Prähistorie. In ihrem aktuellen Buch „Dining with Dinosaurs" etwa erzählt sie die Geschichte der Dinosaurier anhand von deren Essgewohnheiten. Es ist bereits das vierte Buch über die Urzeittiere. „Dabei mochte ich Dinosaurier früher eigentlich nicht. Die Urgeschichte ist auch ohne sie spannend genug. Und es gibt ohnehin schon genug Bücher über sie." Doch sie sei vom Verlag überredet worden.

Die Leidenschaft für die Wissenschaft hegt Bonner, die auf der Insel vor allem mit dem Vornamen Aina bekannt ist, schon seit ihrer Kindheit. „Als ich klein war, konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich lieber Künstlerin oder Biologin werden wollte." Sie studierte dann aber doch Kunst an einem College in den USA.

Nach ihrer Rückkehr nach Mallorca arbeitete sie dann als Illustratorin für Schulbücher. Hier zeichnete sie für die Fibelbuch­serie „De mica en mica" (in etwa: Schritt für Schritt) des mallorquinischen Lehrers Ramon Bassa. „Die Serie ist mittlerweile legendär, weil einige Generationen an Mallorquinern damit Katalanisch gelernt haben", sagt Bonner. Insgesamt 20 Bücher hat sie um das Jahr 1980 illustriert. „Es waren die ersten Jahre, in denen man angefangen hat, den Kindern nach Ende der Diktatur in der Schule wieder Katalanisch beizubringen." Seit einiger Zeit gibt es eine neue Auflage mit anderen Illustrationen. „Aber bis vor wenigen Jahren wurde damit noch gelernt. Im Rückblick wirken die Bücher allerdings ganz schön retro."

Trotz des Erfolgs der Serie verdiente Bonner aber nicht genug, um über die Runden zu kommen, weil die Auflagen sehr klein waren. „Als ich 25 Jahre alt war, gab es kaum eine Szene für Illustratoren, sondern vielmehr für Maler. Deshalb habe ich viele Jahre nebenbei Englischunterricht gegeben." Einige Jahre lang versuchte sie sich auch als Malerin. „Das war eine schöne Zeit, aber irgendwann wurde mir klar, dass ich doch lieber Illustratorin werden wollte."

Inzwischen lebte sie wieder in Boston. Einer ihrer ersten Aufträge in den USA war eine Verpackung für die US-amerikanische Keksmarke Pepperidge Farm zu entwerfen. Da die US-Elite-Universität Harvard nicht weit von Boston liegt, nutzte Bonner die Möglichkeit, dort ein paar Abendkurse über Wirbeltiere zu belegen. „Am meisten habe ich aber dennoch über meine eigene Arbeit als Illustratorin gelernt." Auch wenn die Bilder, wie etwa oben auf dieser Seite das der Käfer- und Insekten-Fresser, amüsant daherkommen, steckt dahinter monatelange Recherche. Denn Bonner schreibt die Texte für ihre Bücher selbst. „Ich lasse von den ersten Entwürfen bis zu den Druckfahnen alles immer wieder von Wissenschaftlern überprüfen." Den Prozess der Recherche integriert sie auch in ihren Büchern. Sie taucht als Ich-Erzählerin auf, zeichnet sich etwa selbst, wie sie mit Wissenschaftlern spricht. „Es war die einfachste Methode, um einen Erzähler in die Geschichte zu integrieren." Als Sidekick begleitet sie ein kleiner Flug-Dinosaurier.

Ihre Bücher hat sie bisher nur auf Englisch geschrieben. „Das liegt zum einen natürlich am Verlag. Aber dadurch, dass ich in einem US-amerikanischen Haushalt aufgewachsen bin, hatte ich in meiner Kindheit vor allem englischsprachige Bücher zur Hand. Das hat mich sicherlich geprägt." Übersetzungen ins Katalanische oder Spanische sind übrigens noch nicht erschienen. „Bisher gibt es vor allem Übersetzungen in asiatische Sprachen."

Mittlerweile sind ihre Werke, wie ihre erste Buchreihe über Urzeittiere „When Fish Got Feet, When Bugs Were Big & When Dinos Dawned", selbst in der Universitätslehre gelandet. „Eine Freundin von mir lehrt an der Universität Berkeley in Kalifornien. Sie gibt die Bücher ihren Studenten als Einstiegslektüre in ihrer Vorlesung über Paläobotanik. Ihr Argument ist, dass die Zeichnungen nicht nur lustig sind, sondern auch die ersten Grundlagen für den Kurs bieten. Das macht mich natürlich sehr stolz." Bonner beschränkt sich aber nicht auf Bücher. Für ein Geologie-Museum im US-Bundesstaat Wisconsin entwirft sie gerade drei Modelle der Erde: Vor vier Milliarden Jahren, als es noch kein Leben gab, vor drei Milliarden Jahren, als es schon erste Bakterien gab und vor zwei Milliarden Jahren, als es viele Bakterien gab.

Die Illustratorin erhält aber auch lokale Aufträge auf Mallorca. Sie holt ein Zeichenbuch aus dem Regal. Es sind Bilder von Pflanzen, Blumen, Käfern und anderen Tieren zu sehen, jedes sorgsam per Hand beschriftet. Ein Jahr lang hatte sie einmal pro Woche einen einzigen Quadratmeter auf einer Finca in der Nähe von Valldemossa beobachtet. Dort zeichnete sie alles, was sie fand. „Es war total spannend, die Entwicklung an einem so reduzierten Ort zu beobachten. Ein kleines Pflänzlein konnte man sieben Tage später schon bestimmen."

Der private Auftraggeber für diese Arbeit erhielt eine Reihe von sehr detaillierten Zeichnungen der Pflanzen seines Quadratmeters. Es bleibt sein privater Schatz. Denn veröffentlichen wird Bonner das Zeichenbuch nicht.

Die Bücher von Hannah Bonner, u.a. „Dining with Dinosaurs", sind auf Mallorca im Buchladen „Come in" im Carrer Sant Miquel, 58 in Palma erhältlich.