Hermine Reisinger kann man, ohne groß zu überlegen, guten Gewissens als Langzeit-Residentin bezeichnen. Bereits seit über drei Jahrzehnten betreibt die Österreicherin in Peguera das Lokal "Bei Hermine". In dem deutsch geprägten Ort ist es längst eine Institution. Auf die Insel gezogen ist Reisinger sogar schon vor knapp 40 Jahren. Wenige Monate nach der Wiedereröffnung der Kultkneipe am Donnerstag (16.2.) will sie im Herbst mit einer viertägigen Party ihr Inseljubiläum feiern.

Nach Mallorca gelangte die heute 64-Jährige im Herbst 1983 eher über Umwege. „Ich bin von Österreich erst nach Deutschland und habe dort viereinhalb Jahre lang in einem Tennis-Restaurant bei Heidelberg gearbeitet. Die Eigentümer haben eine Tennisanlage in Peguera (heutige Tennisakademie Peguera) gebaut. Ich wollte die Gastro dort machen, doch am Ende hat es jemand aus deren Familie übernommen.“ Mit ihrem damaligen Partner zog sie daraufhin nach Jordanien, bevor sie bei einem Österreich-Urlaub der Anruf erreichte, ob sie nicht doch nach Mallorca kommen wolle.

Linienflug für 2.000 D-Mark

Sie kam – erst einmal für zwei Tage, um sich alles anzuschauen. An ihren ersten Besuch auf Mallorca, sogar an das genaue Datum, erinnert sich die Mittsechzigerin noch genau. Für den 2. Oktober 1983 hatte sie einen Linienflug für 2.000 D-Mark auf die Insel gebucht. Vom Flughafen in Palma aus fuhr sie dann per Taxi nach Peguera. Je näher sie dem Urlaubsort kam, desto begeisterter war sie. Hier hatte sie alles: Meer, Berge und dieses ganz besondere Licht, das ihr sofort auffiel. „Es war ein wunderschöner Tag“, erinnert sich die Langzeit-Residentin. „Ich hatte sofort das Gefühl, als wäre ich schon öfter auf Mallorca gewesen, und habe mich direkt wie zu Hause gefühlt.“ Nach dem Kurzbesuch flog sie zurück nach Österreich, packte all ihre Sachen, und buchte für zwei Wochen später ein neues Ticket – dieses Mal nur den Hinflug. „Auch mein Fernweh hat mich nach Mallorca getrieben“, erzählt Reisinger, die schon alle Kontinente bereist hat.

Neue Heimat Peguera

Peguera war fortan nicht nur ihr Arbeitsort. Sie wurde dort auch sesshaft und war schon schnell nicht mehr von dort wegzubekommen – vor allem nicht, seit sie im März 1991 im Carrer de les Malgrats ein Lokal pachtete. Darin eröffnete sie das erste Bei Hermine. 1997 zog die Kneipe dann in ein neues, von ihr erworbenes Lokal im Carrer Eucaliptus um. Die Eröffnung feierte sie im November – heute würde man wohl einen Monat im Frühling vorziehen. Doch in Reisingers ersten Insel-Jahren war eben noch einiges anders. Auch im Winter sei Peguera damals alles andere als ausgestorben gewesen. Ganze 300 Gäste seien am Eröffnungsabend erschienen.

Auch Jahre später finden noch Gäste aus ihren ersten Jahren in der Tennisakademie den Weg in den Carrer Eucaliptus. Nach zwei Pandemie-Jahren konnte sich Reisinger Ende 2022 über eine gelungene Saison freuen. „Wir hatten einen tollen Sommer mit sehr vielen neuen und überraschenderweise jungen Gästen, die sich unheimlich wohlgefühlt haben“, sagt die Wirtin. Normalerweise schließt sie das urige Lokal im November und macht es im März wieder auf.

Deutlich kürzere Winterpause

Die aktuelle Wintersaison war die erste nach vielen Jahren, in der die Wirtin ihre Bar größtenteils geöffnet ließ. Erst ab dem 6. Januar legte sie eine kleine Winterpause ein. „Es war keine einziges Hotel geöffnet. Es waren vor allem gute Freunde, die gekommen sind. Wir haben schöne Abende miteinander verbracht. Geschäftlich hat es sich für mich zwar nicht gelohnt, aber es hat mir andere Türen geöffnet. Ich habe neue Musiker aus Palma kennengelernt, und wir haben beschlossen, dass es ab der Wiedereröffnung bis zum Sommer einmal pro Woche eine Jam-Session bei mir geben wird.“

Drei- bis viermal soll es während der Hochsaison Livemusik geben. Bendgens

Jam-Sessions und neue Musiker

Ein genauer Tag für die Jam-Sessions stehe noch nicht fest. Organisieren werden die improvisierten Abende zwei Frauen, die selbst Musikerinnen sind. „Musiker, die dazukommen, können einfach mitspielen. Sie bringen hoffentlich auch ihre Freunde mit. Wir haben eine große Bühne, das wird eine tolle Sache“, ist sich Hermine Reisinger sicher.

Im Februar wird die aus der Nähe von Graz stammende Residentin ihr Traditionslokal wohl „nur“ an vier Tagen pro Woche geöffnet haben, donnerstags bis sonntags. Spätestens im Sommer sei dann wieder täglich ab 19.30 Uhr geöffnet, und es wird drei- bis viermal pro Woche Livemusik geben. Auch einige neue Musiker seien dafür an Bord, etwa Winston James. „Er ist schon über 70 Jahre alt, eine One-Man-Band und macht Oldies“, sagt Reisinger. Auch Claudia Cussatti, die Country- und Rock-Musik macht, steht bald auf der Bühne im Bei Hermine. Reisinger wird, wie schon in den vergangenen Jahren, täglich in ihrem Lokal anzutreffen sein. Einen Ruhetag kennt sie nicht. „Das ist anstrengend, aber es geht“, so die Österreicherin, die sich eigentlich so langsam in ihren Ruhestand verabschieden wollte. Immerhin bekommt sie während der Hochsaison Unterstützung von drei Mitarbeiterinnen.

Empfängt seit dem 16. Februar wieder Gäste: Hermine Reisinger. Nele Bendgens

Vier Tage Party zum 40. Jubiläum

Im Herbst setzt Reisinger dann noch einen drauf. „Vom 30. September bis zum 3. Oktober werde ich vier Tage lang mit meinen Gästen meinen 40. Insel-Geburtstag feiern.“ Es werde täglich Livemusik geben und auch ein bis zwei Shows, ob Flamenco oder dimonis. Auch Häppchen aufs Haus dürfen ihre Gäste genießen. Zum Abschluss gibt es dann, wie jedes Mal, wenn Reisinger etwas Großes zu feiern hat, ein Feuerwerk. „Ich bin ein kleiner Feuerteufel“, sagt sie.

Auf die Frage, warum ihr viele Gäste auch nach all den Jahren treu sind, hat die Auswanderin eine schnelle Antwort: „Es ist zum einen wohl die Macht der Gewohnheit, zum anderen wissen die Gäste, dass wir gut auf sie aufpassen. Wenn jemand betrunken ist, fahre ich ihn höchstpersönlich nach Hause“, verspricht die Auswanderin.

Dass Hermine nach fast vier Jahrzehnten immer noch auf der Insel ist, ist auch ihrem langjährigen Partner José Saavedra zu verdanken. Schon seit 37 Jahren gehen der Andalusier und sie gemeinsam durchs Leben. Bei ihnen wohnt auch Reisingers 23-jährige Adoptivtochter Georgina Rüschoff-Reisinger. Sie möchte sich im Immobilienbereich selbstständig machen. Wenn Hermine erst einmal in Rente ist, will sie ihr dabei helfen. Für ihre Nachfolge gebe es ernsthafte Interessenten. „Wir sind am Verhandeln. Aber verkauft hat man ein Lokal ja bekanntlich erst, wenn man das Geld bekommen hat. Es könnte tatsächlich sein, dass 2023 mein letztes Jahr im Bei Hermine ist“, so Reisinger. Mallorca aber wird sie ein Leben lang treu bleiben.

Im "Bei Hermine" mitfeiern

Carrer Eucaliptus, 12, Peguera, Do.–So. ab 19.30 Uhr, IG: bar_beihermine, FB: Bar "bei Hermine" – Paguera