Gastronom Michael Bohrmann schlägt die Hände vor die Augen, als der Reporter sein Deutsches Eck betritt. „Ich seh dich nicht, du siehst mich nicht“, nennt sich das Spiel, das er am Donnerstagmorgen spielen möchte. Dabei ist es gar nicht so einfach für den stämmigen Wirt, sich in Luft aufzulösen. Vor allem, wenn er da ganz alleine an seinem Lieblings-Ecktisch sitzt. So richtig reden will er nicht mit dem Reporter, wie immer, aber dann hat er doch noch eine Botschaft mitzuteilen, die seiner Stammkundschaft die Treue-Tränen in die Augen treiben wird: „Ich hatte noch keine Zeit, meine Preise zu erhöhen“, sagt er grinsend. So eine inflationsbedingte Preisanpassung ist aber auch ein Stress. Neue Karten, neue Schilder, die Kassen-Programmierung. „Ich weiß gar nicht, wann ich das alles machen soll“. Dann wird er nachdenklich. „Und wie soll ich das eigentlich meinen Gästen vermitteln?“

Vielleicht ja gar nicht. Bohrmann klingt so, als würde er das alles am liebsten verschieben. Bis zum Abschluss seines Überlegungsprozesses bleibt alles so wie es ist. Und so mögen es die Ballermänner ja eigentlich am liebsten. Bloß keine Veränderungen. Aber die kommen oder sind zum Teil schon da.

Keine tardeos mehr auf der Bierstraße

So wird es, und das wird die deutschen Gastronomen in der Bierstraße freuen, keine Tardeos mehr geben. Tardeo ist die spanische Variante der After-Work Clubs. Es gab wenige davon in der Bierstraße, aber die sorgten für Wallung: viel Müll, zu laut, und Spanier saufen ihren mitgebrachten Supermarkt-Alkohol statt in den Kneipen, waren die Vorwürfe. Darauf hat der Veranstalter Juan Ferrer (u.a. Chalet Siena) keine Lust mehr. Und die Behörden eigentlich auch nicht. 

DJ Robin trauert dem "Grillmüller" hinterher

Ein paar Meter von der Bierstraße entfernt machen Handwerker lustvoll Lärm. Sie reißen einen stark in die Jahre gekommenen Imbiss-Stand ab, von dem man behaupten kann, dass er zuletzt die Gegend optisch entwertete. Ein Arbeiter nimmt die Schilder mit der Aufschrift „Grillmüller“ ab und macht dabei ein verächtliches Gesicht. Ab sofort ist der Wurst-Imbiss von Melanie Müller Geschichte.

Hier war mal ein Imbiss: der abgebaute "Grillmüller". Ingo Wohlfeil

Ebenso der Döner-Laden daneben. Hier wird demnächst – genau gegenüber der Latino Bar, eine Bar entstehen. Müllers Krawall-Würste soll es stattdessen bald auf Gran Canaria geben. Zu weit weg für den neuen Superstar vom Ballermann, DJ Robin („Layla“). Der Discjockey schlendert an der Grillmüller-Ruine vorbei, verharrt und ist ganz kurz traurig. „Verdammt, hier hab ich mir immer noch ne Wurst geholt, wenn ich aus dem Oberbayern gefallen bin.“ Jetzt hat er aber eher Lust auf einen strammen Max und ein Bier in der „Krone“. Es ist 10 Uhr am Morgen.

Ein neuer Arbeitsplatz für den DJ

Kurz vor halb Elf am morgen gehen die Rollläden des Megaparks erstmalig in dieser Saison hoch. Soft-Opening. Gemächlich geht es zu, die ersten Grüppchen versammeln sich um die Biertische. Also noch etwas Zeit, um mit den Angestellten zu plaudern. Megapark Urgestein DJ Chris Deluxe ist sichtlich stolz, als er seinen Arbeitsplatz betritt. „Schau dir die Bühne an, alles neu“ sagt er erregt. „Ein neues Soundsystem haben wir und du musst dir heute Abend unbedingt die Lasershow angucken!

Saisonauftakt beim Soft-Opening im Megapark. Ingo Wohlfeil

Dann wird Deluxe am Kragen gepackt. Vor ihm steht Feschi. Feschi könnte man verächtlich Megapark-Hausmeister nennen, in Wirklichkeit ist er das technische Gehirn des Partykomplexes. Der Mann der tausend Schlüssel, der Mann der jedes Kabel kennt und Probleme erahnt, bevor sie auftreten. Das aktuelle Problem: der Laden ist offen und der DJ spricht mit dem Reporter statt auf der Kanzel zu stehen und die Menge in Stimmung zu bringen. Deluxe schnappt sich sein Bier und müht sich die schmalen Stufen zum DJ-Pult hinauf. Die Führung durch die Party-Innovationen wird fortgesetzt durch Geri Arnsteiner, CEO des Megapark. Erste Frage: „Lasershow? Ist das nicht nen bisschen 80er?“ Er lächelt. „Warte es einfach ab“.

Ein wenig Ibiza auf Mallorca: Das ist die neue Lasershow im Megapark

Ein wenig Ibiza auf Mallorca: Das ist die neue Lasershow im Megapark Felix Stadtlander

Später am Abend, als der Reporter schon längst den Ballermann verlassen hat, bekommt er Videos von der Laser-Premiere zugeschickt. Die Kommentare, die auf den Videos zu hören sind: „Geil gemacht“ „Alter, nicht schlecht!“ Rund anderthalb Millionen Euro hat der Megapark in neue Technik investiert. Was dabei besonders wichtig war: durch die behördlichen Dezibelbeschränkungen auf knapp 90 db, ist es gar nicht so einfach einen so großen Komplex wie den Megapark überall gleichmäßig gut zu beschallen. So gab es tatsächlich bei Künstlerauftritten Ruhe-Inseln in der überirdischen Halle. Der Sound drang einfach nicht zum Konsumenten durch. Das soll jetzt alles anders sein.

Schallschutz für den Bierkönig

Auch der Haupt-Konkurrent, der Bierkönig, soll eine ähnliche Summe investiert haben, nur ist das auf den ersten Blick nicht zu erkennen. So wurde noch einmal massiv in den Schallschutz investiert. Und, das ist ganz wichtig für alle, die nach einem Bierkönig Besuch unter massivem „Wodkahusten“ litten (Wodkahusten ist in Wirklichkeit eine bakterielle Infektion der Atemwege, die häufig durch verunreinigte Klimaanlagen verursacht wird): es gibt eine neue Air Condition im Partytempel, die sogar zum Teil durch Solarpanels betrieben wird, heißt es.

Röhrenkonstrukt gegen Wodka-Husten im Bierkönig. Ingo Wohlfeil

Mächtig zieht sich das Röhrenkonstrukt durch den alten Bereich. Und auch im neuen hat sich etwas getan. Das DJ-Pult steht jetzt direkt auf der Bühne. Das Podest, auf dem es vorher stand, ist jetzt vollständig den Gästen vorbehalten. Außerdem wird dieses Jahr erstmalig ein Sound Engineer zum Einsatz kommen. Der Bierkönig hat aus seinen Fehlern gelernt. Zwei Wermutstropfen gibt es dennoch: die schmuddeligen Toiletten bleiben uns vorerst erhalten. Sie sollen erst im nächsten Jahr renoviert werden. Und: DJ Banjee wird fortan nicht mehr in der Schinkenstraße auflegen. Am Donnerstagnachmittag wird ihm mitgeteilt, dass der Bierkönig auf seine Dienste verzichtet.

Der Bierkönig zum Saisonauftakt 2023. Ingo Wohlfeil

Eine neu asphaltierte Schinkenstraße mit "Hinkelsteinen"

Doch keine Zeit für Trübsal. Auch in der Schinkenstraße hat sich einiges getan: Die Straße wurde neu asphaltiert und die hässlichen Poller, die 2017 aufgestellt wurden, um mögliche ISIS Lastwagen-Attentäter aufzuhalten, sind verschwunden. Aber es gibt neue, die schon liebevoll „Suffnasen“ oder „Hinkelsteine“ genannt werden. Bereits jetzt wird spekuliert, für wie viele Trunkenbolde die Poller zu unüberwindlichen Hindernissen werden.

Neu asphaltierte Schinkenstraße mit den "Hinkelsteinen" Ingo Wohlfeil

Der Humor und die Lust am Leben sind an den Ballermann zurückgekehrt. Alle Beteiligten freuen sich auf eine tolle Saison, auf eine friedliche Saison. Dieser Frieden ist zu spüren um kurz vor 21 Uhr. Auf knapp 30 Metern warten die Menschen geduldsam, fast ein wenig demütig, auf Einlass in den prallvollen Megapark, um Lorenz Büffel („Johnny Depp“) zu erleben.

Während drinnen die Ekstase ihren Höhepunkt erreicht, ist draußen lediglich das Zwitschern der Vögel und das sanfte Rauschen der Wellen ist zu hören. Kein Geschrei, kein Megafon-Gegröle, keine Eskalation. Ein Promoter beobachtet leicht ungläubig die Szenerie. „Gott, ist das nicht herrlich?“, sagt er schließlich. Ja, das ist es wirklich, findet auch der Reporter. Das war ein guter Anfang…