Der im vergangenen Jahr eingeführte staatliche Mindestlohn in Spanien, der Ingreso mínimo vital (IMV), erfüllt noch nicht seinen Zweck. 73 Prozent der Anträge werden abgelehnt, 100.000 Formulare haben die Beamten noch unbearbeitet auf dem Schreibtisch. Auf Mallorca und den Nachbarinseln kann kaum ein Bedürftiger auf die Hilfe zählen. Lediglich 5,8 Prozent der an Armut leidenden Bevölkerung erhält auf den Balearen Geld vom Staat.

Die Mallorquinerin Mar Sureda ist ein Paradebeispiel. Im Februar 2020, also einen Monat vor dem Ausbruch der Pandemie, wurde der 46-jährigen Büroangestellten wegen einer Umstrukturierung der Firma gekündigt. Die zweifache Mutter ist alleinerziehend. "Ich habe niemanden, der mir finanziell aushelfen kann", sagt sie dem "Diario de Mallorca".

Im Januar 2021 beantragte sie den IMV. Dieser wurde abgelehnt, weil das Einkommen der Arbeitslosen angeblich noch zu hoch sei. "Ich frage mich: Wie soll eine Mutter von zwei Töchtern mit 10.000 Euro im Jahr auskommen?" Die Mallorquinerin vermutet, dass ihr Grundbesitz eine Rolle bei der Entscheidung der Behörden gespielt hat. Rechtlich gehört ihr das Haus ihrer Mutter. "Das nutzt sie aber nachweislich alleine. Wir können sie ja schlecht auf die Straße setzen", so Sureda.

Für solche Fälle hilft das Sozialamt der Balearen-Regierung mit der renta social garantizada (Resoga) aus. Diese soll einspringen, wenn der IMV verwehrt bleibt oder nicht ausreicht. "Hier wurde mein Antrag angenommen und ich beziehe nun 755 Euro im Monat."

Das reicht aber nicht aus. Sureda, die aus Scham ihren Wohnort nicht nennen möchte, stand kurz vor einer Zwangsräumung ihrer Wohnung. Bis sie die Resoga bekam, konnte sie die Miete nicht zahlen. Der sogenannte Geierfonds, der ihren Wohnblock betreibt, wollte sie im vergangenen Oktober auf die Straße setzen. "Wegen meiner misslichen finanziellen Lage habe ich eine Schonfrist von sechs Monaten bekommen", sagt sie. "Ich wohne in einem Touristenort. Es gibt kaum Wohnungen, die über einen längeren Zeitraum mietbar sind. Das meiste sind Ferienobjekte. Unter 800 Euro Miete im Monat findet man nichts. Ich bekomme 755 Euro Sozialhilfe. Es ist ein Drama."

Die Arbeitssuche ist nicht vielversprechend. "Ich schicke jede Woche Bewerbungen raus. Aber die Firmen wollen jüngere Leute, ohne Kinder und Schulden." Ein enger Freundeskreis hilft ihr im Notfall mit warmen Mahlzeiten aus. "Für mich ist es Luxus, die Heizung aufzudrehen. Ich hoffe, dass meine Töchter davon nichts mitbekommen. Sie sollen ohne Sorgen aufwachsen." /rp