Plötzlich gingen die Zahlen in die Höhe: Noch vor drei Wochen rangierten die Balearen mit einem Wert der Neuinfizierten von 6,7 pro 100.000 Einwohner während der vergangenen sieben Tage in etwa auf dem Niveau von Hamburg oder Berlin. Mittlerweile sind es täglich mehr als 50, dem kritischen Grenzwert. Gleichzeitig aber kommt Deutschland weiterhin auf weniger als 10. Wie konnte es auf Mallorca

Schuld seien nicht die internationalen Touristen, betonte Javier Arranz, Corona-Sprecher der balearischen Gesundheitsbehörde, am Mittwoch (19.8.) im Gespräch mit der MZ. Das legt auch ein Bericht des epidemiologischen Instituts auf den Balearen nahe: Nur neun Prozent der insgesamt 68 registrierten Infektionsherde sind demnach „eingeschleppt" - und die überwiegende Mehrheit der infizierten Ankömmlinge reiste mitnichten aus den touristischen Quellmärkten an, sondern vom spanischen Festland.

Vor allem aus Madrid und Katalonien kamen gut ein Dutzend Infizierte, seit das Institut am 11. Mai die Nachverfolgung konkret dokumentiert. Wohl auch, weil bei den innerspanischen Transfers an Palmas Flughafen nach wie vor keine Temperaturmessungen stattfinden. Zudem seien einige Fälle von Inselresidenten aufgetreten, die von Aufenthalten in Südamerika - vorwiegend Bolivien­ - zurückgekehrt sind. Sieben Infizierte kamen aus Deutschland. „Aber in Hotels oder anderen touristischen Einrichtungen auf Mallorca ist kein Anstieg von Fällen dokumentiert. Die Betreiber scheinen die Vorgaben sehr ernst genommen zu haben", so Arranz weiter.

Doch wenn der Tourismus auf der Insel kaum Schuld an den hohen Fallzahlen trägt, wer dann? Wie es weiter im epidemiologischen Bericht heißt, sind 63 Prozent der Infektionsherde im familiären Umfeld entstanden. Sprich: Bei Familienzusammenkünften. „Es ist Sommer, man verbringt viel Zeit mit Freunden und Familie, und leider beachten dabei nicht alle die Sicherheitsmaßnahmen", so Arranz.

Auch Gesundheitsexperte Joan Carles March, der das Corona-Management auf den Balearen während der ersten Welle gelobt hatte, sieht den Knackpunkt derzeit beim Umgang mit Verwandten. „Es ist nicht der Zeitpunkt, sich zu treffen, denn damit provozieren wir nachweislich die Infektionen. Und wenn wir es doch tun, dann sollten so wenig Menschen wie möglich dabei sein und die Abstandsregelungen eingehalten werden, das ist fundamental, um die Fallzahlen zu senken", so der Mediziner am Dienstag (18.8.) im Interview mit dem TV-Sender IB3. Ungeniert den Salzstreuer am Tisch herumzureichen, sei momentan nicht angemessen - auch nicht unter Verwandten.

Sieben Prozent der Infektionsherde - also Fällen, in denen ein Infizierter mindestens zwei weitere Personen ansteckt - sind zudem auf Ansteckungen innerhalb eines Haushalts zurückzuführen, je weitere sieben Prozent kamen durch Treffen unter Freunden und durch Ansteckungen am Arbeitsplatz zustande.

Auffällig ist, dass fast die Hälfte der positiv auf Covid-19-Getesteten 29 bis 49 Jahre alt ist, die meisten von ihnen sind 30 bis 39 Jahre alt, und 58 Prozent haben Symptome. „Dass wir so viele Fälle dokumentieren, liegt auch daran, dass wir sehr viel mehr Tests durchführen als zuvor", wird Arranz vom Gesundheitsministerium nicht müde zu betonen.

Ebenfalls interessant: Nicht etwa touristisch geprägte Orte weisen viele Infektionsherde auf, sondern vor allem Stadtviertel in Palma, in denen viele Menschen dicht beieinander wohnen. Vor allem in sozial schwächeren Stadtteilen wie Son Gotleu oder Pere Garau, aber auch in Inca sei die Zahl der Neuinfektionen in den vergangenen Tagen enorm gestiegen. Im Touristenort Porto Cristo dagegen habe es bisher keinerlei Fälle gegeben, und auch in Andratx, Pollença, Campos, Alcúdia und Felanitx sei die Zahl sehr gering.

„Im Umkehrschluss kann man sagen, dass das Ausbleiben der deutschen Urlauber nun auch nicht automatisch zu einem Rückgang der Zahlen auf der Insel führen wird", so Javier Arranz. Vielmehr hofft er darauf, dass die neuen Corona-Regelungen greifen. Einen Effekt könne man erst etwa in zwei Wochen erkennen - oder dann gegebenenfalls noch härter durchgreifen. „Wer Schuldige suchen will, muss bei seiner eigenen Verantwortung beginnen", so Arranz. „Es ist unser aller Verhalten, was über die Zahlen bestimmt."

Das sind die aktuellen Corona-Zahlen auf den Balearen