Fingerdruck statt Nadeln: Wie eine Deutsche auf Mallorca erreichen will, dass sich andere mit Akupressur selbst heilen

Akupressur ist eine Art Akupunktur ohne Nadeln. Wie sie genau funktioniert und was sie wo vermag, erklärt Maitri Hillebrecht in ihrem jüngst erschienenen großen „Praxisbuch“

Hat mit Akupressur nicht nur ihre Migräne-Probleme in den Griff bekommen: Maitri Hillebrecht.

Hat mit Akupressur nicht nur ihre Migräne-Probleme in den Griff bekommen: Maitri Hillebrecht. / Bendgens

Simone Werner

Simone Werner

Als Maitri Hillebrecht fünf Jahre alt war, bat ihre Oma sie, ihr den Rücken zu punktieren. Also knetete die gebürtige Niedersächsin, die mittlerweile 68 Jahre alt ist, ihr mit ihren zarten Kinderhänden entlang der Wirbelsäule den Rücken nach unten. „Sie hat das wohl als sehr angenehm empfunden und mich immer wieder gebeten, sie zu punktieren“, erinnert sich Hillebrecht. Erst viele Jahre später wurde ihr klar, dass sie während der Massagen verschiedene Akupressur-Punkte getroffen hatte.

Auf den richtigen Punkt und die richtige Fingerbewegung kommt es an

Wo sie genau liegen und welche Beschwerden man durch bestimmte Fingerbewegungen an ihnen lindern kann, kann man in Hillebrechts kürzlich erschienenem Buch rund um die Seite 100 nachschauen. Ob bei Brechreiz, flacher Atmung oder Spannungsgefühl im Unterleib: Wer den richtigen der abgebildeten Punkte erwischt und die richtige Fingerbewegung dort macht, sollte seine Beschwerden lindern können.

Fingerdruck statt Nadeln

Akupunktur mag den meisten geläufig sein. „Akupressur funktioniert nach demselben System, nur dass die Punkte statt mit Nadeln mit Fingerdruck stimuliert werden“, erklärt Hillebrecht. Während die Durchmesser der entscheidenden Punkte bei der Akupunktur gerade einmal fünf bis sieben Millimeter betragen, man sie also ganz genau treffen muss, sei der Bewegungsradius bei der Akupressur mit einer Daumenbreite deutlich größer. Damit könnten auch (geübte) Laien recht schnell Erfolge verzeichnen – bei sich selbst oder anderen, etwa ihren Kindern oder dem Partner. „Akupressur trifft immer“, bewirbt Hillebrecht auch im MZ-Interview ihr Buch. Es ist bewusst praxisorientiert gehalten.

Im Buch gibt es anschauliche Grafiken zu den Akupressur- Punkten.

Im Buch gibt es anschauliche Grafiken zu den Akupressur- Punkten. / Trias

Aus dem Leidensdruck heraus

Als sie vor knapp 40 Jahren über einen längeren Zeitraum mit Migräne-Beschwerden kämpfte, verzweifelte die Mutter dreier Kinder an den herkömmlichen Heilungsmethoden und -mitteln. „Ich habe alles Mögliche probiert. Nichts hat geholfen.“ Während Gleichaltrige am Wochenende feiern gingen und ihr Leben genossen, lag Hillebrecht von Migränesymptomen geplagt im Bett. Ihre Lebensqualität schwand dahin.

Maitri Hillebrecht begann zu recherchieren, kaufte sich schließlich Akupunktur-Nadeln, die sie dann selbst anbrachte. „Ich werde das Gefühl nie vergessen, wie mir der Schmerz vom Kopf über den Nacken den Rücken hinunter wanderte.“ Schon nach wenigen Anwendungen aber spürte sie, dass ihre Migräne besser wurde. Die Abstände zwischen den Tagen, an denen es ihr schlecht ging, wuchsen. „Nach ein paar Monaten war die Migräne weg“, erinnert sich die Auswanderin, die vor Mallorca lange auf dem spanischen Festland und auch auf Ibiza gelebt hat.

Hände statt Nadeln

Schon bald fielen Hillebrecht aber auch die Nachteile der Akupunktur auf: „Es kann wehtun, zudem kann Blut austreten“, resümiert sie heute. Erschwerend kam für die Autodidaktin und ehemalige Chefsekretärin hinzu, dass zu Beginn der 80er-Jahre mit Aids eine neue Krankheit entdeckt wurde. „Alles, was mit Blut zu tun hatte, also auch Akupunktur, wurde fortan als gefährlich wahrgenommen“, erinnert sich Hillebrecht. Sie verzichtete von da an auf die Nadeln. Stattdessen setzte sie die Hände ein, behandelte mit Akupressur auch ihre Kinder: ob wegen Windpocken oder Bauchschmerzen. Es schien zu funktionieren. Und welches Kind will schon mit Nadeln gestochen werden?

Akupressur statt Cognac

Damals lebte Hillebrecht samt ihren zwei Kindern noch in Andalusien. An ein einschneidendes Erlebnis erinnert sie sich noch heute: „In einem Café habe ich einen Bekannten getroffen. Er litt unter Zahnschmerzen und hatte eine geschwollene Wange. Seine Schmerzen wollte er mit Cognac betäuben.“ Mit diesem einen Punkt auf dem Kinn (siehe Seite 39 im Buch) könnte sie „den Nerv“ treffen, dachte sie, und stimulierte das Kinn des Mannes mit ihrem Daumen. „Er spürte sofort Erleichterung, die Schmerzen gingen zurück. Das erschien mir damals wie ein Wunder“, so Hillebrecht.

In ihrem Buch erklärt sie für Einsteiger auch, welche Abläufe sich bei Akupressur und -punktur abspielen. „Die dazugehörigen Punkte liegen auf sogenannten Meridianen. Zwölf Meridiane durchziehen unseren Körper, zehn davon sind direkt mit den Organen verbunden. Man kann sie sich wie elektrische Leitungen vorstellen, durch die statt Strom vitale Energie fließt. Sie verbinden die Organe mit der Psyche“, erklärt Hillebrecht.

Die anschaulichen Grafiken helfen, um zu wissen, wo man Hand anlegen muss.

Die anschaulichen Grafiken helfen, um zu wissen, wo man Hand anlegen muss. / Trias

Beschwerden vorab vom Arzt abklären lassen

Stimuliert man die Akupressur-Punkte gezielt, werden dort Blockaden gelöst, oder man leitet Energie von einem zum anderen Meridian. Oft – das zeigt das Buch – liegt der Punkt, der jeweils bearbeitet werden muss, weit weg von dem Körperteil, das Beschwerden bereitet. Wer etwa Probleme mit dem Ischias-Nerv hat, kann im Stichwort-Register am Ende des Buches bei „I“ schauen. Für „Ischias“ sind sechs Akupressur-Punkte angegeben, die man mittels verschiedener Fingerbewegungen bearbeiten kann. Die Erklärungen dazu finden sich wiederum auf sechs verschiedenen Seiten. So kann man auch bei jeder anderen Indikation vorgehen. Dennoch rät Hillebrecht jedem, die Beschwerden vorab immer von einem Arzt abklären zu lassen. Schwere Erkrankungen, wie etwa Krebs, finden sich in dem Stichwortverzeichnis nicht. „Sowohl psychische als auch physische Befindlichkeiten können wir aber verbessern, indem wir durch Akupressur die Selbstheilungskräfte stärken.

Vertrauen haben

Bis auf eine mögliche Erstverschlechterung der Symptome in Ausnahmefällen seien keine Nebenwirkungen zu erwarten. Zudem betont Hillebrecht, dass man Punkte, an denen Verletzungen oder Verbrennungen liegen, ausdrücklich nicht stimulieren soll.

Und der Mythos, dass es nur funktioniert, wenn man auch daran glaubt? „Wenn wir uns mental darauf einstellen, hat das sicher eine positive Wirkung. Ansonsten kann ich nur sagen: Wenn ich meinem Arzt oder Friseur nicht vertraue, gehe ich zu einem anderen.“ Nur bei 15 Prozent der Fälle zeige Akupressur keine Wirkung, so Hillebrecht, die selbst auch schon Behandlungen auf Mallorca angeboten hat. Auch viele Prominente hätten auf sie gesetzt. Eine Frau, deren Namen sie nicht in der Zeitung lesen möchte, hatte etwa immer morgens von 3 bis 5 Uhr Kopfschmerzen. Ihr half die auf Seite 111 abgedruckte Meridianuhr. Demnach ist der Lungen- oder Dickdarm-Meridian für die Beschwerden verantwortlich.

Auch als App

Wer seine Wehwehchen lieber per App angehen will, kann sich für 12,99 Euro „AcuApp“ herunterladen. Das Buch sei aber umfangreicher, beinhalte über 800 Indikationen, die App nur 500.

Akupressur in die Praxis umsetzen: Buch: „Akupressur – das große Praxisbuch“, Trias, 160 Seiten, 19,99 Euro, u. a.bei Amazon, Thalia oder Marlies‘ Deutsche Buchhandlung (Peguera). App: AcuApp nur für iOS, 12,99 Euro

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