Erbitterter Streit um den Ankauf von 88 Sozialwohnungen auf Mallorca

Die neue konservative Regierung will die Entscheidung der Sozialisten rückgängig machen und hat deshalb die Unterlagen der Staatsanwaltschaft geschickt. Die Vorgängerregierung tobt

In diesem Neubau sollten 88 Sozialwohnungen entstehen.

In diesem Neubau sollten 88 Sozialwohnungen entstehen. / Guillem Bosch

Es war, zumindest von außen betrachtet, eine Last-Minute-Aktion der scheidenden linken Balearen-Regierung auf Mallorca: Ende Juni, wenige Tage vor der Machtübergabe an die neue konservative Regierung, wurde bekannt, dass die kommissarische Regierung den Kauf einer Anlage mit 88 Wohnungen in Palma in die Wege geleitet hat, um daraus Sozialwohnungen zu machen. Die Wohnungen befinden sich in Palmas Neubaugebiet Nou Llevant, wo in den vergangenen Jahren zahlreiche hochpreisige Wohnblocks entstanden sind.

Die Regierung nutzte in diesem Fall ein Vorkaufsrecht, das im 2021 verabschiedeten balearischen Wohnraumgesetz verankert ist: Bei einer Transaktion zwischen zwei großen Konzernen darf die Politik dazwischengehen und die Wohnungen ihrerseits erwerben. Diese Voraussetzung war hier gegeben. Die Wohnungen wurden vom Bauträger Metrovacesa errichtet, einer der größten Firmen der Branche in Spanien. Und kaufen wollte die Apartments der Immobilienfonds AEW, der auf Mallorca bereits Hunderte Wohnungen besitzt.

Doch das Vorhaben steht offensichtlich unter keinem guten Stern. Der Machtwechsel auf den Inseln von einer sozialistisch geführten Linksregierung hin zu einer konservativen Regierung unter der Volkspartei PP hat das Projekt zum Stillstand gebracht. Und mehr noch: Die neue Landesregierung hat die Transaktion unter Verweis auf "substanzielle Unregelmäßigkeiten" bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht. Der Regierung zufolge fehlt es an technischen und rechtlichen Gutachten, die den Kauf rechtfertigen. Die neue Ministerin für Wohnraum, Marta Vidal, erklärte am Donnerstag (20.7.) bei einer Pressekonferenz, dass sie daher den Kauf der 88 Wohnungen rückgängig machen will.

Rechtzeitig dran ist sie dafür gerade noch. Die Kaufunterlagen liegen zwar bereits beim Notar und sollten am 5. Juli unterschrieben werden. Das ist allerdings nicht passiert. Grund dafür ist eine richterliche Verfügung, die der Bauträger Metrovacesa erwirkt hatte, der seine Wohnungen ohnehin lieber an den Fonds verkaufen würde.

Viel zu hohen Preis vereinbart

Der Preis kann dabei nicht das Problem sein, wie unter anderem zwei interne Gutachten zeigen, die am Donnerstag öffentlich wurden. Demnach wollte die Balearen-Regierung rund 26 Millionen Euro für den Wohnblock zahlen, zu einem Quadratmeterpreis von 3.800 Euro. Die PP hielt dem nun dagegen, dass der gedeckelte Preis für sozialen Wohnraum, der von privaten Bauträgern errichtet wird, auf den Balearen bei 2.400 Euro pro Quadratmeter liegt. Laut dem Vize-Ministerpräsidenten Toni Costa ergebe das ein Verlustgeschäft für die Balearen-Regierung von rund 10,5 Millionen Euro.

Wie Costa auf diese Zahl kommt, ist unklar. Die internen Gutachten beziffern den finanziellen Verlust auf 5,8 Millionen Euro respektive 573.735 Euro, je nachdem ob die Wohnungen verkauft oder vermietet werden. Hierzu hatte die Vorgängerregierung allerdings bereits erklärt, dass die Wohnungen zur Miete vorgesehen waren und der Verlust demnach mit gut einer halben Million Euro zu Buche schlage. Ein Betrag, den das entsprechende Gutachten als vertretbar einstufte.

Neu entstandene Wohnanlagen in Palmas Viertel Nou Llevant.

Neu entstandene Wohnanlagen in Palmas Viertel Nou Llevant. / Metrovacesa

Der Schritt zurück kommt nicht völlig überraschend. Schon bei Bekanntgabe der Kaufabsicht waren Zweifel über die Rechtmäßigkeit des Erwerbs laut geworden. Das lag nicht nur daran, dass die Regierung eigentlich schon abgewählt war. Um das Gebäude zu erstehen, musste die Landesregierung 16,3 Millionen Euro, die eigentlich dem öffentlichen Hafenunternehmen Ports de les Illes Balears zustanden, an das IBAVI umleiten. Laut dem "Diario de Mallorca" gibt es auch hierfür ein Gutachten, das diese Transaktion absegnet.

Sozialisten wehren sich gegen Vorwürfe

Die Entscheidung der PP-Regierung, den Kauf stornieren zu wollen, sorgte bei den Sozialisten für Empörung. Die sozialistische Abgeordnete und ehemalige Präsidialamtsministerin Mercedes Garrido verteidigte darüber hinaus den Kauf. Dieser sei beschlossen worden, als die Regierung noch voll handlungsfähig war. Zudem sei es eine glatte Lüge, dass nicht alle erforderlichen Gutachten vorlägen.

Nach Ansicht von Garrido sei der Gang zur Staatsanwaltschaft "Hütchenspielerei". "Die PP will dadurch die Aufmerksamkeit davon ablenken, dass hinter dem Bauprojekt ein Hedgefonds steht." Die Konservativen würden die Spekulation auf Kosten der Familien auf der Insel bevorzugen, so die Ex-Ministerin.

Man habe "sehr schnell" reagiert, sagen die Sozialisten

Die Regierung von Francina Armengol habe erst sehr spät, nämlich am 30. März 2023, vom geplanten Verkauf der Wohnungen an den Immobilienfonds erfahren und habe sehr schnell, am 25. Mai - also drei Tage vor den Regionalwahlen -, das Verfahren verabschiedet, das den Kauf durch die Landesregierung vorsah. Das Vorkaufsrecht hätte vier Tage später ohnehin geendet.

Ein Gschmäckle bleibt in diesem Fall zurück, zumal Recherchen des "Diario de Mallorca" ergaben, dass der Immobilienfonds AEW bereits kurz vor der Regierungsbildung der neuen Ministerpräsidentin Marga Prohens Kontakt mit dem Wohnraumministerium, kurz zuvor auf die PP übergegangen, aufgenommen hatte und um ein Treffen am 24. Juli mit der neuen Ministerin bat. Zu diesem Zeitpunkt war Marta Vidal noch gar nicht offiziell ernannt. Dieses Treffen werde in keinem Fall stattfinden, erklärte Toni Costa am Freitag.