Achtung Bauträger, die öffentliche Gelder auf Mallorca verschwenden: Dieser Mann ist Ihnen auf der Spur

Erik Harley unterhält auf Instagram 372.000 Follower mit seinem Blick auf Korruption im Bauwesen. Der Katalane hat auch dank seines humorvollen Zugangs viel Erfolg. Aber eigentlich ist ihm nicht zum Lachen zumute

Der Instagrammer Erik Harley prangert Korruption im Bauwesen und der Architektur an.

Der Instagrammer Erik Harley prangert Korruption im Bauwesen und der Architektur an. / FLEM

Patrick Schirmer Sastre

Patrick Schirmer Sastre

Groß gewachsen ist er und schlank. Ein buntes Kopftuch über den kahl geschorenen Kopf gebunden. Erik Harley hat sich in den spanischsprechigen sozialen Medien einen Namen in einer ganz eigenen Nische gemacht: Er prangert Korruption im Bauwesen und in der Architektur an. Der 30-Jährige hat Kunst sowie Urban Studies an der Universität von Barcelona studiert und reist nun durch Spanien, um auf Gebäude zu klettern und in einem ironischen bis sarkastischen Tonfall zu erklären, wie öffentliche Gelder verschwendet wurden und wer sie eingesteckt hat. Im Mittelpunkt steht dabei ein Begriff: pormishuevismo. Das ist eine Substantivierung des Ausdrucks „por mis huevos“, der sich für ein FSK-0-Publikum wohl am besten mit „weil es mir so passt“ übersetzen lässt.

Wie erklären Sie einem Deutschen, was der „Pormishuevismo“ ist?

Es bedeutet, aus Egoismus zu pfuschen, wissentlich Schaden anzurichten, die Umwelt zu zerstören und nicht die Interessen der Mehrheit der Bürger im Blick zu haben, sondern nur die von einigen Auserwählten. Spanien ist geradezu Weltmeister in dieser Disziplin.

Warum ist Spanien so anfällig dafür?

Die 40 Jahre Diktatur haben da eine wichtige Rolle gespielt. Das Baugewerbe wurde damals genutzt, um Einnahmen für die Eliten zu generieren. Es ging dort nie darum, für die Bevölkerung zu bauen.

Aber die Demokratie dauert nun auch schon mehr als 40 Jahre an.

Das stimmt. Eigentlich hätte man schon viel weiter sein können. Es hat sich aber nur wenig geändert. Heute geht man diskreter vor. Es heißt nicht mehr ganz unverhohlen: Dieses Gebäude dient der Spekulation. Aber auch heute wird immer noch landwirtschaftlicher Raum umgewidmet, um Hotels zu bauen. In Naturschutzgebieten entstehen riesige Parkplätze.

Warum akzeptieren die Menschen das?

Wir sind einfach zu sehr daran gewöhnt. Man denkt: „Ah, noch ein weiterer Korrupter.“ Ich glaube, wir sind einfach übersättigt an Informationen über solche Fälle, dass wir ihre Bedeutung gar nicht mehr richtig wahrnehmen. Wir denken fast, dass ein Politiker, der nicht klaut, dumm sein muss. Nehmen Sie das Beispiel Mallorca. Wir haben hier Fälle wie die PalmaArena oder auch die Oper, die der berühmte Architekt Santiago Calatrava in der Bucht von Palma bauen sollte. Er bekam 1,2 Millionen Euro dafür. Gebaut wurde sie nie. Auftraggeber war damals Ministerpräsident Jaume Matas. Und wer regiert heute die Balearen? Seine Partei, die PP.

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Ist das ein Problem der Konservativen?

Nein. Der Pormishuevismo hat nichts mit links oder rechts, mit oben oder unten zu tun, sondern mit skrupellosen Menschen.

Ein großes Problem in vielen spanischen Städten ist der Mangel an Wohnraum. Gibt es Verbindungen zum Pormishuevismo?

Ich glaube schon. Ein Beispiel wären die ohnehin wenigen Sozialbauten, die es gibt und die nach wenigen Jahrzehnten privatisiert werden. Hier müssen wir gegensteuern. Ziel der Baupolitik muss es sein, dass wirklich alle ein bezahlbares Dach über dem Kopf haben. Die Reichen brauchen keine Unterstützung, um Häuser zu bauen.

Auf seinem Instagram-Account @preferiria.periferia folgen dem Mann mit der unverkennbaren Stimme 372.000 Menschen. Aber auch im Fernsehen ist er zu sehen, mit Gastbeiträgen für die Satire-Sendung „El Intermedio“ auf La Sexta. Seine Medienaktivitäten kombiniert er mit Stadtführungen, die er spanienweit organisiert, und in denen er vor Ort über Korruption und architektonische Hybris spricht. Sein gesammeltes Wissen hat der gebürtige Katalane, der seit einiger Zeit in Valencia lebt, nun in drei Büchern zusammengefasst, die kürzlich erschienen sind. Zum Interview haben wir uns deshalb auch im Melià-Hotel Calvià Beach in Magaluf getroffen, wo Anfang Oktober das Literaturfestival FLEM stattfand. „Es ist schon ein wenig merkwürdig, hier zu sein“, gibt er zu.

Wie sieht es im Tourismus aus?

Wie sieht es mit dem Tourismus aus? Befördert er so ein Handeln?

Nicht zwangsläufig. Es gibt nachhaltigen Tourismus und solchen, der die Kultur eines Ortes in den Mittelpunkt stellt. Aber der Massentourismus ist natürlich sehr verlockend für solche Projekte.

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Wir sind hier in Magaluf. Ein Epizentrum des Pormishuevismo?

Magaluf erinnert mich an Benidorm, auch aufgrund der baulichen Struktur. Ich finde es bedenklich, dass es immer noch solche Orte gibt, die in der öffentlichen Wahrnehmung nur existieren, damit man dort hinfährt, um sich danebenzubenehmen. Das Gleiche gilt übrigens für die Gegend um die Kirche La Porciúncula an der Playa de Palma, wo sich eine Hochburg der deutschen Urlauber befindet (der Ballermann, Anm. d. Red.).

Der Pormishuevismo in Deutschland

Haben Sie sich schon einmal mit dem Pormishuevismo in Deutschland auseinandergesetzt?

Ich war schon häufig in Deutschland. Die Situation dort hat nichts mit der in Spanien zu tun. Ebenso in Skandinavien. Gerade dort sieht man, wie erfolgreich die Stadtpolitik der Sozialdemokraten war. Ich bin kein Sozialdemokrat. Aber man muss die Erfolge einfach anerkennen. Aber natürlich gibt es auch in Deutschland Pormishuevismo-Projekte, wie den Flughafen Berlin-Brandenburg.

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Was für positive Beispiele haben Sie in Deutschland gesehen?

Besonders beeindruckt hat mich der Flughafen Tempelhof, der vor einigen Jahren als Park eröffnet wurde. Und der jetzt, soweit ich höre, auch für die Aufnahme von Flüchtlingen genutzt wird. Das finde ich großartig. In Spanien könnte man so etwas etwa mit der Formel-eins-Strecke von Valencia machen, die damals 300 Millionen Euro an Steuergeldern gekostet hat und nicht mal ein Jahr lang genutzt wurde. Hier wäre viel Potenzial, einen Ort zu schaffen, den die Menschen wirklich nutzen können und so dem Pormishuevismo für etwas Positives zu nutzen.

Gibt es den Pormishuevismo über das Bauwesen hinaus?

Selbstverständlich. Es gibt ihn in der Ökologie, in der Politik, der Literatur, in der Gastronomie.

In der Gastronomie?

Da gibt es zahlreiche Beispiele. Etwa diese pflanzlichen Ersatzprodukte für Fleisch, die in der Produktion unheimlich viel Wasser verbrauchen. Warum kann man nicht einfach Gemüse essen?

Korruption auf Instagram anprangern

Wie sind Sie darauf gekommen, dass so etwas ein Thema für Instagram sein kann?

Ach, das war ganz spontan. Es fing mit einer Story an, die ich gemacht habe. Das habe ich dann weitergesponnen. Später kamen die Stadtführungen dazu. Dann kam das Fernsehen und jetzt die Bücher.

Ist es manchmal schwierig für Sie, angesichts der Themen, die Sie besprechen, in Ihren Videos humorvoll zu bleiben?

Je mehr ich recherchiere und erfahre, desto schwieriger wird es. Wir sind alle verrückt geworden, so scheint mir. Aber wenn man so eine große Plattform hat wie ich, muss man eine optimistische Botschaft haben. Letztlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Der Wandel ist schwierig, aber ich denke, dass die Menschen auch sehen, was in ihrem Interesse ist.

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