Ihre Stimme klingt klar und jung aus dem Hörer – dabei wird Omara Portuondo an diesem Donnerstag (28.10.) 80 Jahre alt. Die Grand Old Dame der kubanischen Musik hat 65 Jahre davon auf der Bühne gewirkt, zunächst als Tänzerin im Tropicana-Varieté, dann sehr bald als Sängerin. Schon Jahrzehnte bevor Ry Cooder 1996 und später auch der Filmemacher Wim Wenders für die legendären Aufnahmen von „Buena Vista Social Club" nach Kuba reisten, war sie ein Star. Am 27. November tritt Portuondo mit eben diesem Buena Vista Social Club im Auditorium Palma auf. Das Konzert wird von der Mallorca Zeitung präsentiert (siehe Kasten).

Sagen Sie mal, wo treffe ich Sie gerade an?

In Havanna. Ich liege auf meinem Bett und blicke auf den Malecón (die Strandpromenade, Anm.d.Red.)

Ich blicke aufs Mittelmeer.

Was haben wir doch für ein Glück! Das Meer entspannt. Man schaut darauf – und entschwindet wie ein Papierschiffchen auf Weltreise.

Sie stehen seit 1945 auf der Bühne. Welche Jahre waren Ihnen die liebsten?

Die, als ich geboren wurde. Meine Mutter wurde in Kuba geboren, ihre Eltern waren Spanier. Sie verliebte sich über die Rassenschranken hinweg in einen schwarzen Baseball-Spieler. Sein Vater, mein Großvater, war noch ein Sklave gewesen. Meine Eltern brachten mir die ersten Lieder bei. ´Veinte Años´, etwa. Sie waren keine Musiker, aber sie hatten ein sehr gutes Gehör.

Ich meinte auf der Bühne …

Ach, es war immer aufregend.

Sie traten mit Nat King Cole auf.

Ja. Oder mit Imperio Argentina, mit ihr habe ich auch gearbeitet. Von ihr ist (singt): ´El día en que yo nací, que planeta reinaría …´ Sie ist vor einigen Jahren in Spanien gestorben. Kennen Sie die nicht?

Nein.

Wir haben hier sehr viele spanische Einflüsse verarbeitet. Und Sie in Spanien lieben ja auch den Interpreten von ´Dos Gardenias´. Sie wissen schon, wen ich meine.

Ich muss klarstellen: Ich bin Deutscher, das Interview wird in einer deutschen Zeitung veröffentlicht.

Ach. (Auf Deutsch:) ´Wie geht es Ihnen? Alles gut?´ Ich habe mal einen Deutschkurs belegt. Vor vielen Jahren habe ich mal mit einem deutschen Lied einen Preis gewonnen: ´Wenn Du schläfst, mein Kind´.

In den 40er, 50er Jahren galten Sie als Königin des filins. Was war das für eine Musik?

Wir hier auf Kuba haben eine große musikalische Tradition, und wir pflegen sie. Wir nehmen aber auch Einflüsse von anderen Ländern auf, zum Beispiel den USA, die ja nah dran sind. Damals traten viele US-Künstler auf der Insel auf, und der filin war eine Art moderner Bolero, mit Einflüssen von Ray Miller oder Frank Sinatra. Filin kommt von feeling. „Die hat aber feeling", hieß es zum Beispiel über mich. Es war damals der letzte Schrei, die Musik der jungen Musiker.

Auch die brasilianische Musik spielte schon damals eine Rolle.

Sie gefällt mir bis heute. Erst 2008 habe ich eine CD mit Maria Bethánia aufgenommen – sie wurde für einen Latin Grammy nominiert. Auch auf meiner neuen Solo-CD arbeite ich wieder mit Brasilianern zusammen.

Bekommen wir davon in Palma etwas zu hören?

Nein. Mit Buena Vista Social Club spielen wir traditionelle kubanische Musik, den ´Son´ und solche

Sachen.

Wie war Ihre Begegnung mit Ry Cooder damals?

Ausgezeichnete Leute, sage ich Ihnen. Ry Cooder hatte ich schon vor den Aufnahmen zu Buena Vista Social Club kennengelernt. Als er dann mit dem Produzenten Nick Gold in Havanna auftauchte, und ich gerade in denselben Studios eine Filin-Aufnahme machte, sprach mich Juan de Marcos González an, der auch in das ganze Projekt involviert war. Sie baten mich, kurz hochzukommen. Ich wusste gar nicht, worum es ging, aber da wir Musiker solidarisch sind, machte ich mit. Danach stellte sich heraus, dass es der Buena Vista Social Club war, der ja so erfolgreich werden sollte.

Es wurde zu einem Welterfolg!

Die kubanische Musik hatten wir schon zuvor in Europa bekannt gemacht. Wo es noch nicht geklappt hatte, war in den USA.

Was ist eigentlich das Geheimnis der kubanischen Musik?

Es muss wohl der Rhythmus sein. Schauen Sie: Eines der ersten kubanischen Lieder, die schon vor vielen, vielen Jahren weltweit gesungen wurden, war ´El Manicero´. Singt: ´Caserita no te acuestes a dormir, sin comerte un cucurucho de maní.´

Buena Vista Social Club besteht nur noch aus ein paar der originären Musiker. Es sind jetzt auch Jüngere hinzugekommen.

Ja, man hat ja leider nur ein Leben, und das hat irgendwann ein Ende, und dann kommen andere.

Sind es würdige Nachfolger?

Aber ja. Der Pianist Rolando Luna, zum Beispiel, spielt nicht nur so gut wie die Originalbesetzung Rubén González, sondern kennt sich auch mit Jazz aus. Kuba hat übrigens auch seit vielen, vielen Jahren eine Jazz-Tradition. New Orleans ist ja nicht so weit weg. Musik kennt keine Grenzen.

Nach der Revolution verließen viele Musiker die Insel, die kubanische Musik war zweigeteilt. Ist eine Versöhnung möglich?

Nun, die, die gingen, spielten ja weiterhin kubanische Musik und nannten sie nur anders: Salsa. Wobei auch Puerto Rico etwas dazu beitrug.

Ist die Versöhnung möglich?

Es geht um feeling, und da gibt es keine Grenzen. Olga Guillot, Celia Cruz, so viele andere – wir bewundern, respektieren, mögen sie.

Sie blieben in Kuba. Was schulden Sie der Revolution?

Wir sind alle Kubaner, gleich welcher Generation, und ich liebe es, auf dieser Insel zu leben – mi caimancito verde, mein kleines grünes Krokodil, wie ich sie nenne. Mich fasziniert unsere Kultur, mich fasziniert der Charakter der Kubaner, ihre Fröhlichkeit – auch wenn Sie nur ein Stück Brot und ein bisschen Zuckerwasser zu Hause haben.

Und die Revolution, die mögen Sie auch?

Ich mag hier alles.

Sie begannen als Tänzerin im Tropicana. Kann man die kubanische Musik genießen, ohne zu tanzen?

Um ein guter Musiker zu sein, muss man Gehör haben. Und um zu tanzen, muss man ein Rhythmusgefühl haben. Wobei: Auch wer schlecht tanzt, tanzt. Und es gibt Menschen, die überhaupt kein Gehör haben, und trotzdem viel Gefallen an der Musik haben. Und: Ich habe noch nie jemanden sagen hören: ´Ich mag keine Musik.´

Welches Lied würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?

(Singt:) ´Cuba, qué linda es cuba …´

Und welches Instrument?

Die Gitarre, das ist das solidarischste Instrument. Es darf nur keine Saite reißen, dann hat man ein Problem.

65 Jahren Karriere, was fehlt Ihnen noch?

Flamenco tanzen, das wär´ doch noch was …

Omara hautnah:

Die MZ vergibt diese Woche 4 mal 2 ­Freikarten für das Konzert am 27.11. im ­Auditorium (20.30 Uhr, 48 Euro), ein Treffen mit den Musikern inklusive. Inte­ressenten melden sich bitte unter Tel.: 971-17 05 01 oder mallorcazeitung@epi.es