Kann denn Lebensfreude Sünde sein? Wenn ein Künstler sie wieder und wieder in seinen Werken ausdrückt, drängt sich die Frage nach seinen Absichten auf. Versündigt er sich an Sinn und Zweck Bildender Kunst, wenn er sie ganz und gar befreit von Fragen und Kritik, von Zweifel oder Provokation? Wenn sein ganzer Ehrgeiz nur darin besteht, die Leichtigkeit von Volkstänzern auf Papier zu bannen, gebauschte Hosen und fliegende Röcke, erhobene Arme und flatternde Kopftücher zu malen? Auch Stillleben, Landschafts- und Architekturbilder gehören zum sehr umfangreichen Werk von Josep Coll Bardolet. Die meisten davon entstanden auf der Insel, manche auch in der Schweiz, wohin er jeden Sommer zum Bergwandern reiste.

Jetzt, zum hundertsten Geburtstag am vergangenen Mittwoch (7.11.), werden der Maler und sein Werk auf der Insel geehrt: mit einer großen Fotoausstellung in seiner Stiftung in Valldemossa, mit einer Wanderausstellung mit rund 40 Werken durch Dörfer und Städte sowie mit einem Konzert am Freitagabend (9.11.) im Teatre Principal in Palma.

Josep Coll Bardolet, geboren in einem zentralkatalanischen Dorf, gestorben vor fünf Jahren in Valldemossa, war ohne Zweifel ein lebensfroher Mensch. Er schnitt sich kein Ohr ab, verzerrte nicht die Wahrnehmung, zerbrach Körper nicht in geometrische Formen. Alle mochten den alleinstehenden, kinderlosen Mann, der seit den 1940er Jahren in Valldemossa lebte und auf der ganzen Insel wirkte. Er war Mitbegründer des Fördervereins balearischer Kultur Obra Cultural Balear, rief die Reihe von Open-Air-Chorkonzerten im Torrent de Pareis ins Leben und verewigte das Geschehen um sich herum in unzähligen Bildern, in Acryl, Gouache oder Öl, mit Tusche oder Aquarell. In fast allen Haushalten der Insel hänge zumindest eine kleine Zeichnung von ihm, sagt Amanda Corral, die Leiterin der Stiftung, „und wer es sich leisten konnte, der kaufte ein Ölbild." Das nennt man wohl geglückte Integration.

Coll Bardolet malte einfach - vielleicht summend - die Schönheit der Welt. Er malte graue Gipfel und dunkle Wälder, Valldemossa im Schnee, Frauen bei der Ernte, Männer und Pferde, Blumensträuße, Säulengänge, knorrige Eichen, Marktszenen, Palmsonntagsprozessionen - und immer wieder mallorquinische Volkstänzer beim Ball de Bot. Manche Motive druckte er als Postkarten und versandte sie mit Gruß an Freunde in Katalonien, Frankreich oder Belgien, wo er die Jahre des Bürgerkriegs verbracht und Malerei studiert hat. Kaum war der Krieg zu Ende, ließ er sich 1940 auf der Insel des Lichts nieder, wo er sich bald neben der Kartause von Valdemossa ein Wohnhaus mit Atelier und Garten kaufte. Dort lebte Coll Bardolet mit kleinem Hund, Köchin und Haushälterin in aller Zufriedenheit, offenbar unberührt von den Gräueln der Franco-Diktatur.

Er war eingefleischter Impressionist, 70 Jahre lang. Kubismus, Expressionismus, Pop Art oder Konzeptkunst zogen spurlos an ihm vorüber. Auf den Fotos aus seinem Leben, die die Stiftung bis zum Dreikönigstag zeigt, erscheint der kleingewachsene, gepflegte Mann fast immer lächelnd und umgeben von Menschen. „Coll Bardolet war ein sehr geselliger, aufmerksamer Mensch", sagt Corral. „Er sang im Chor, liebte die Natur und beantwortete jeden Morgen seine Korrespondenz." Sie kannte den 2007 verstorbenen Wahlmallorquiner zwar nicht persönlich, scheint aber angesteckt zu sein von der Harmonie und Fröhlichkeit, die der Künstler wohl zeitlebens verbreitet hat. Einen Repräsentanten oder gar Galeristen brauchte er nicht. Kunden kamen zu Besuch und nahmen mit, was ihnen gefiel. Das Geschäft lief zeitlebens sehr gut.

Bis heute sind Bilder im Internet zu kaufen. Ein kleines Ölgemälde gibt es schon für 2.000 Euro. Der Nachlass ist ansonsten unter der Stiftung, dem Neffen Josep Coll Vilanova und der Ordensgemeinschaft von Lluc aufgeteilt, der Coll Bardolet viele Werke gestiftet hatte. Der Erfolg bei der mallorquinischen Gesellschaft, seine technischen Fertigkeiten mit Pinsel und Palette und der ruhige Lebensort ermöglichten dem Sohn eines Müllers ein wohl­situiertes, erfülltes Leben.

Allerdings ließ Coll Bardolet ab den 1980er Jahren viele seiner berühmten Tanzszenen von der Valldemossiner Volkstanzgruppe stellen. Er platzierte die Mitglieder in Tracht auf ungenutzten Dreschplätzen oder Waldlichtungen, um sie dann beim fliegenden Schritt zu porträtieren.

Ist das die Sünde eines Malers, der sich zeitlebens der Wohnzimmerkunst gewidmet hat? Was 40 Jahre zuvor noch Realität war, wurde nach dem großen Tourismusboom Fiktion. Malte Coll Bardolet Mitte des 20. Jahrhunderts noch das wirkliche Dorfleben, ging er Jahrzehnte später dazu über, es zu inszenieren.

Hier wird der Kostumbrismus zum Kitsch. Und hier wird klar, dass sein Werk nicht alleine Lebensfreude ausdrückt, sondern auch die Freude des Künstlers am guten Leben im materiellen Sinn.

Die Ausstellung „Imatges d´una vida" (Bilder eines Lebens) ist bis 6. Dezember 2013 in der zweiten Etage der Fundació Coll Bardolet, Carrer Blanquerna, 4, in Valldemossa zu sehen. Im ersten Stock werden rund 40 Gemälde des Künstlers als Dauerausstellung gezeigt. Öffnungszeiten: Di-Sa 10-16 Uhr, Sonn- und feiertags 10-14 und 15-18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

www.fccollbardolet.org

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