Sinfonien, Tänze, Werke für Orchester und Chor, viele davon mit klanglichen Einflüssen von der Insel - die Schaffensvielfalt von Baltasar Samper war groß. Der in Palma geborene Samper (1888-1966), ein Schüler des spanischen Pianisten Enrique Granados, dürfte einer der wichtigsten Komponisten sein, die Mallorca hervorgebracht hat. Und nicht nur das: Samper war auch ein vorzüglicher Pianist, ein brillanter Musikkritiker sowie - später - ein anerkannter Musikwissenschaftler. Die Balearen-Regierung hat sich vorgenommen, das Lebenswerk des Künstlers zu ehren und hat dafür sein Vermächtnis für 40.000 Euro erstanden. Am 31. August wird es auf Mallorca eine Weltpremiere geben, wenn der Pianist Francesc Blanco und das Ensemble Tramuntana unter der Leitung von Barry Sargent das Werk „3 danses mallorquines per a piano i orquesta de cordes" in Palma aufführen. Das bisher unveröffentlichte Werk wird drei Tage später erneut in Pollença gespielt.

Einer, der schon jetzt auf diese Konzerte hinfiebert, ist Amadeu Corbera, Musikwissenschaftler und Vorsitzender der Umweltschutzorganisation Gob. Corbera schrieb seine Doktorarbeit über den Komponisten. Zur Recherche lebte Corbera 2017 zweieinhalb Monate in Mexico City - dort befand sich das Archiv des Künstlers.

Amadeu Corbera hatte Ángel Samper ausfindig gemacht, den Enkel des Künstlers. Der hatte das gesamte Archiv des Großvaters in seine Wohnung gestopft. „Das war ein richtiges Chaos. Die Wohnung war ziemlich klein und lag voll mit Partituren und anderen Dokumenten des Großvaters", erzählt Corbera der MZ. Der Musikwissenschaftler verbrachte einen gesamten Tag damit, sich einen ersten Überblick zu verschaffen. Nach über zehn Stunden stand für ihn fest: Dieses Vermächtnis besitzt einen enormen Wert und sollte in Sampers Heimat Mallorca zu Forschungszwecken zugänglich sein. Zum Glück sei Ángel Samper schnell bereit gewesen, das Archiv zu verkaufen, berichtet Corbera. Kennengelernt hatte der Enkel seinen Großvater nie, weshalb ihm auch dessen Bedeutung nicht klar war.

Das war ohnehin das große Schicksal von Samper. Kaum jemand weiß von seinem vielseitigen Oeuvre, was daran liegt, dass Samper in Mexiko im Exil leben musste. Zuvor lebte er von 1907 bis 1939 in Barcelona, nachdem er mit nur 19 Jahren Mallorca in Richtung Katalonien verlassen hatte. Samper tat sich in der Gruppe „Compositors independents de Catalunya" hervor, einer republikanischen und pro-katalanischen Künstlerbewegung, die vom Pianisten Joan Gibert ins Leben gerufen worden war. Acht junge Musiker mit unterschiedlichen Philosophien und politischen Einstellungen wollten so die katalanische Musik international bekannt machen.

Gleichzeitig arbeitete Samper als Musikkritiker für die Zeitung „La Publicitat" und erarbeitete sich schnell einen hervorragenden Ruf. Außerdem trat Samper häufig als Pianist auf und war eine Zeit lang Dirigent des Pau-Casals-Orchesters sowie des Kammermusikorchesters von Barcelona. Nach und nach verfestigte sich auch sein Interesse für die Musikwissenschaften, 1936 war Samper Teil des Organisationsteams für den dritten Internationalen Kongress für Musikwissenschaften.

Sampers Karriereknick kam mit dem Erstarken des Franco-Regimes und dem spanischen Bürgerkrieg. Er befand sich in seiner Blütezeit seines Schaffens, als er ins Exil gezwungen wurde. Er hatte in der katalanischen Regionalverwaltung verschiedene kleinere Posten übernommen und sah den einzigen Ausweg in der Übersiedlung nach Mexiko.

„Es ist schwer zu sagen, ob er der bedeutendste spanische Komponist des vergangenen Jahrhunderts geworden wäre, wäre die Franco-Diktatur nicht gewesen. Aber einer der bedeutendsten sicherlich", glaubt Musikwissenschaftler Corbera.

„Manche behaupten auch, das Exil kam ihm gerade recht, um mit einer 25 Jahre jüngeren Schülerin durchzubrennen", berichtet Corbera, der selbst nicht so sehr an diese Theorie glaubt. Fest steht aber, dass Samper seine Frau in Barcelona zurückließ und sein neues Leben in Mexiko mit einer seiner Elevinnnen begann, ebenfalls eine Mallorquinerin.

In Mexiko verkümmerte Sampers zuvor so ausgeprägter Tatendrang zusehends. „Man weiß nicht warum, aber Samper komponierte in Mexiko so gut wie nicht mehr", erzählt Corbera. Eine der möglichen Erklärungen für Corbera ist, dass der Mallorquiner deprimiert über das Exil und das Leben fern seiner Heimat gewesen sein könnte. Er verdingte sich in Lateinamerika vor allem als Musikwissenschaftler und fand eine Anstellung am Instituto Nacional de Bellas Artes, wo er mit der Katalogisierung mexikanischer Folklore betraut wurde. Mithilfe mehrerer Mitarbeiter erstellte Samper einen Katalog der Musik der indigenen Bewohner Mexikos.

Gleichzeitig suchte Samper den Kontakt zu bedeutenden Komponisten seiner Zeit in Mexiko, wie beispielsweise Carlos Chávez oder auch zu dem ebenfalls im Exil lebenden Spanier Ernesto Halffter. Der Musiker sah seine Insel nie wieder und starb 1966 im Exil. Warum er auch nach Ende des Bürgerkriegs nie nach Europa zurückkehrte, erklärt sich Corbera damit, dass Samper zwischenzeitlich den Kontakt zur alten Heimat verloren hatte. Außerdem hätten viele Mallorquiner ihm nicht verziehen, dass er sich mit seiner Schülerin einließ.

Nachdem Corbera aus Mexiko abgereist war, versuchte er, die Balearen-Regierung von der Wichtigkeit des Kaufs des Samper-Archivs zu überzeugen. Das funktionierte einfacher als erwartet - und im Juni wurden die etwa 100 Kompositionen auf die Insel ins Arxiu del Regne de Mallorca gebracht, viele davon noch unveröffentlicht.

Corberas Motivation ist nun, das Werk Sampers zum Klingen zu bringen. „Wenn man seine Kompositionen nicht hören kann, hat das Archiv keinen Wert", sagt er. Corbera wird die beiden Konzerte in Palma und Pollença präsentieren, mit dem Pianisten Francesc Blanco hat er jemanden gefunden, der stolz darauf ist, auf der Heimatinsel von Samper die Weltpremiere von „3 danses mallorquines" spielen zu dürfen. Blanco war Professor von Corbera am Konservatorium und forscht ebenfalls seit Längerem über das Wirken von Samper. In Zukunft dürfte also auf Mallorca öfter von dem fast in Vergessenheit geratenen Komponisten zu hören sein.

„3 danses mallorquines" von Baltasar Samper am 31. August um 21.30 Uhr im Arxiu del Regne de Mallorca (C/. de Ramon Llull, 3, Palma) und am 2. September im Claustre de Sant Domingo in Pollença (C/. de Guillem Cifre de Colonya). Karten gibt es für jeweils 5 Euro an der Abendkasse und unter www.euroclassics.es.