Diese Ausstellung auf Mallorca zeigt viele leere Wände aus Pappe – warum sie trotzdem sehenswert ist

Der 30-jährige Ian Waelder präsentiert im Es Baluard eine Einzelausstellung. Die Besucher begeben sich in ein Labyrinth – auf der Suche nach dem Gedächtnis

Der Künstler Ian Waelder in seinem Labyrinth.

Der Künstler Ian Waelder in seinem Labyrinth. / B. Ramon

Patrick Schirmer Sastre

Patrick Schirmer Sastre

Ein wenig beklemmend ist es schon, wenn man sich durch einen Weg durch die Gänge des Labyrinths bahnt, hier im ersten Stock des Museums Es Baluard in Palma. Die Wände sind aus dicker Pappe und auf den meisten Metern kahl. Nur hier und da findet sich ein Kunstwerk, fast zufällig. Und ständig wird man von einer gepfiffenen Melodie begleitet, von der man nie wirklich weiß, wo sie herkommt.

Die Einzelausstellung „Even In A Language That Is Not Your Own“ , mit der Ian Waelder das Herbstprogramm des Museums bespielt, verlangt vom Besucher, dass er sich auf sie einlässt, wenn er sie verstehen will. Der Künstler, der in diesem Jahr 30 geworden ist und doch schon seit über einem Jahrzehnt in der Kunstszene der Insel mitmischt, nimmt den Betrachter mit auf eine Art Suche nach dem Gedächtnis.

Momentaufnahmen

Es ist keine stringente Erzählung, vielmehr sind es Momentaufnahmen, denen man in den verwinkelten Räumen unvermittelt begegnet – und die einem auf den scheinbar unendlich langen Wegen bis zur nächsten Installation begleiten. Und die doch ein großes Ganzes ergeben. Wer schon einmal Arbeiten von Waelder gesehen hat, wird bekannte Elemente finden. Die Skulpturen aus Schuhen, die erdfarbenen Töne, die Fotografien, die akustische Untermalung.

Waelder, der seit 2017 in Deutschland lebt, inspiriert sich wie schon bei seiner letzten Schau auf Mallorca, im April 2021 in der Galerie L21, an der Geschichte seines Großvaters. Er musste als deutscher Jude vor dem Terror der Nazis nach Chile fliehen.

Um die Reise finanzieren zu können, verkaufte er seinen Opel Olympia. Das Auto kommt an zwei Stellen vor: zum einen vor dem Eingang ins Labyrinth in Form von Fotografien aus einer Gebrauchsanweisung aus jener Zeit. Und zum anderen in Fotografien aus Filmen, in denen der Fahrzeugtyp auftaucht. Letztere liegen wie achtlos am Boden verstreut. Um sie betrachten zu können, muss man sich bücken.

Das Pfeifen im Hintergrund

Auch das Pfeifen, das ständig im Hintergrund zu hören ist, ist eine Reverenz an den Großvater. Dabei handelt es sich um eine Aufnahme von Waelder selbst, der aus dem Gedächtnis eine Klavieraufnahme seines Großvaters nachpfeift, die im Mittelpunkt seiner Ausstellung vor zwei Jahren bei L21 war.

Ian Waelder ist seit mehr als einem Jahrzehnt als Künstler bekannt. Er lebt in Offenbach.  | FOTO: NELE BENDGENS

Ian Waelder ist seit mehr als einem Jahrzehnt als Künstler bekannt. Er lebt in Offenbach. | FOTO: NELE BENDGENS / Patrick Schirmer Sastre

Ganz am Ende, kurz bevor man den Ausgang findet, stößt man auf zwei schwarze Punkte. Sie sind als die Punkte des deutschen Umlauts gedacht. Waelders Großvater hatte nach seiner Ankunft in Chile die Schreibweise seines Nachnamens geändert. Die beiden Punkte über dem A stellen in gewisser Weise Dinge da, die auf dem Weg bleiben. Gleichzeitig ist es der Wurmfortsatz eines Elements, das eigentlich immer Teil von Waelders Arbeiten war: Es ist der einzige Teil der Ausstellung, in dem der Künstler mit dem geschriebenen Wort spielt.

Familie als Ausgangspunkt

Doch die Familiengeschichte ist nur ein Ausgangspunkt, den Waelder selbst mit eigenen biografischen Elementen verbindet. Etwa mit den Fotografien von Pflanzen, die seinen Eltern zu seiner Geburt geschenkt wurden und die er im Laufe der Jahre abgelichtet hat. Oder auch durch einen Kurzfilm, den man durch ein Guckloch betrachtet und das sowohl Innen- als auch Außenaufnahmen des Hauseingangs in seiner Wahlheimat Offenbach zeigt.

Obwohl die autobiografischen Elemente einen wichtigen Teil ausmachen, sagt Waelder, er wolle sie nicht in den Mittelpunkt stellen. Stattdessen soll der Betrachter sich selbst in den Arbeiten finden oder sich an ihnen reiben. So ist es auch kein Zufall, dass er sich für Pappe als Material für die Wände des Labyrinths entschieden hat. Sie ist an Stellen uneben, die einzelnen Bauteile fügen sich nicht immer ineinander ein. Zudem ist das Material fragil genug, um bei einer zufälligen oder absichtlichen Bewegung verformt zu werden.

„Even In A Language That Is Not Your Own“ ist ein passender Titel für diese Ausstellung. Denn die poetische Sprache, derer sich die Ausstellung bedient, ist sicherlich nicht für jedermann von Anfang an verständlich. Sie ist eine Herausforderung. Seit Donnerstag (19.10.) können sich die Besucher des Es Baluard ihr stellen.

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