„Cuéntame, dime lo que va a pasar“, tönt es aus dem Nachbarraum. „Erzähl mir, was passieren wird“, heißt der Liedtext übersetzt. Die Jünger üben ihre Tanz- und Gesangssequenzen, wollen von Jesus die Zukunft erfahren. Jesus unterdessen sitzt nebenan und erzählt von der Vergangenheit. Jonathan Rodríguez, der nicht nur die Hauptrolle singt, sondern das gesamte Musical leitet, hat sich lange dafür eingesetzt, mit seiner Truppe „Jesus Christ Superstar“ aufführen zu können.

Die Idee kam ihm vor zehn Jahren. Acht Jahre brauchte es, bis er alle nötigen Lizenzen hatte. Jetzt, zwei Jahre Pandemie und mehrere Monate Proben später, verwandelt sich das Auditorium in Palma also in den Ort der Leidensgeschichte von Jesus Christus. „Es ist eines der Werke, die unser Verständnis von Musicals verändert haben“, sagt Rodríguez, der in Vorbereitung auf die Aufführungen Haare und Bart hat wachsen lassen. Davor seien es oft kitschige Geschichten mit spezifischem Gesangsstil gewesen, mit „Jesus Christ Superstar“ dagegen kamen auch andere Musikarten wie Rock dazu. Er kann gar nicht erwarten, damit auf der Bühne zu stehen.

Man merkt den Mallorquinern Spaß und jede Menge Training an

„Sie hat meine Waffe gestohlen“, beschwert sich ein Ensemble-Mitglied lachend und zeigt auf eine andere Tänzerin. Die Szene, bei der das Volk sich Waffen schnappt, um in den Kampf zu ziehen, bedarf wohl noch etwas Übung. Zum Zeitpunkt des Probenbesuchs ist aber auch noch eine Woche Zeit bis zur Aufführung. Im Moment tragen die Jünger Jeans und Sport-BHs, das Kreuz steht in Plastik gepackt im Hintergrund. Die jungen Mallorquiner singen und bewegen sich bereits koordiniert und routiniert. Man merkt ihnen Spaß und jede Menge Training an. Aber hin und wieder klappen Dinge dann doch nicht so wie geplant.

Jonathan Rodríguez hat zehn Jahre gebraucht, um das Musical aufführen zu können. Hier in einer Szene als Jesus mit Nahimé Fernández als Maria Magdalena. Foto: Nele Bendgens

Jonathan Rodríguez hat zehn Jahre gebraucht, um das Musical aufführen zu können. Hier in einer Szene als Jesus mit Nahimé Fernández als Maria Magdalena. Foto: Nele Bendgens Nele Bendgens

Die Gruppe Ilusions Teatre, die die Rock-Oper von Andrew Lloyd Weber aufführt, ist keine professionelle Truppe. Manche Mitglieder arbeiten zwar im Kulturbereich. Die Argentinierin Nahimé Fernández, die den Part der Maria Magdalena übernimmt, ist Sängerin, hat üblicherweise Auftritte in Hotels. Judas, gesungen von Pedro Adrover, ist Mitglied in mehreren Bands, und die Choreografin Bonnie Barceló arbeitet als Tänzerin und Schauspielerin. Aber sonst ist die Gruppe bunt gemischt. Rodríguez ist Verkäufer, der Regisseur Joan Manuel Segura Lehrer.

"Jesus Christ Superstar" wurde auf Mallorca neu übersetzt

Er hat den Text des Musicals für diese Aufführungen neu ins Spanische übersetzt. „Die frühere Übersetzung war stark zensiert“, erklärt Segura. Die spanische Version des Musicals wurde 1975 mit dem Titel „Jesucristo Superstar“ in Madrid uraufgeführt. Die Franco-Diktatur war da gerade in ihren letzten Zügen, und im katholischen Spanien musste man generell vorsichtig damit sein, wie man mit dem Sohn Gottes auf der Bühne umging. „Das Musical erzählt die berühmteste Geschichte der westlichen Welt aus der Sicht des vermeintlichen Bösewichts Judas, das muss man sich erst einmal trauen“, so Segura. Daher sei in der ersten Version sehr vorsichtig übersetzt worden.

Das sei angesichts der liberaleren Gesellschaft nun nicht mehr nötig, der Text ist näher am Original. „Ich denke nicht, dass irgendwer das Theater verbrennen will“, sagt Segura und berichtet von damaligen anonymen Drohungen. Trotz allem hat Rodríguez Respekt vor der Figur des Jesus. „Auch ohne religiöse Perspektive ist er eine bedeutende geschichtliche Figur.“ In Vorbereitung auf die Premiere heißt es also weiter proben, proben, proben.