Tom Schaal - Ein Künstler kehrt auf Mallorca aus einer verwunschenen Welt zurück
Mit seiner Frau Eva Gebauer hat sich der Deutsche in 40 Jahren nahe Inca einen Permakultur-Garten aufgebaut, wo Natur und Kunst eins sind. Nun gibt es die rare Gelegenheit, Werke von Schaal zu sehen und zu kaufen
Wie von der Natur verschluckt: So wirkt nicht nur das kleine Häuschen, das sich auf einem etwa 12.000 Quadratmeter großem Grundstück in der Nähe von Inca versteckt. Die Formulierung trifft auch auf Tom Schaal zu, der hier mit seiner Frau Eva Gebauer (beide 68) seit rund 40 Jahren zurückgezogen und in einfachsten Verhältnissen lebt. Einen Stromanschluss gibt es nicht, die beiden versorgen sich zu großen Teilen selbst. Das Übrige wie etwa Öl und Getreide wird gekauft – sie beziehen heute eine kleine Rente – oder mit anderen getauscht.
Wer schon sehr lange auf Mallorca ist und sich für Kunst interessiert, wird sich vielleicht noch an Schaals Zusammenarbeit mit der Galerie von Joanna Kunstmann erinnern, wo er 2001 seine letzte große Ausstellung hatte. Seitdem ist es sehr still um ihn geworden. Nun zeigt die Glaskünstlerin Connie Mildner in ihrer Son Barrina Gallery ab dem 29. Juni zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren Werke des Künstlers.
Rückzug aus dem Kunstbetrieb
Schaals Kreativität ist in all der Zeit jedoch nicht versiegt. Sie wurde nur zum Teil in andere Bahnen gelenkt, trieb buchstäblich andere Blüten. Mit Anfang 30 war der Künstler an Leukämie erkrankt. „Irgendwann überlegt man sich dann, ob man das Leben nicht vielleicht etwas leichter gestalten kann“, sagt Schaal, der daraufhin die Entscheidung traf, Rückzug und Ruhe auf der Insel zu suchen. Später sei, ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen, bei seiner Frau, die keramische Bildhauerin ist, und bei ihm selbst „der Entschluss gereift, Kreativität holistischer zu sehen“, wie der gebürtige Stuttgarter im Gespräch mit der MZ erklärt.
Er zog sich aus dem mit Stress verbundenen Kunstbetrieb zurück. Stattdessen widmeten sich Gebauer und er fortan der Aufgabe, ihr Grundstück auf Mallorca, das sie in den 80ern erworben hatten, in ein ökologisches Biotop zu verwandeln. Auch positive Neugierde und der Reiz an neuen Erfahrungen habe dabei eine Rolle gespielt – die Perspektive vergrößern, das anthropozentrische Weltbild verlassen.
Erweiterter Kunstbegriff
In ihrer Betrachtung der Dinge spiegelt sich der Einfluss von Joseph Beuys und seinem „erweiterten Kunstbegriff“ wider, laut dem Kunst alles ist, was der Mensch kreativ nach außen bringen kann und sollte: „Damit war es für uns auch etwas leichter, am Anfang ideologisch umschalten zu können“, sagt Schaal. Das Paar begann intuitiv mit dem, was man heute Permakultur nennt, las anfangs viel – „typisch deutsches Bildungsbürgertum“, sagt Schaal – und stellte bald fest, dass die eigene Erfahrung und der Dialog mit der Umgebung mehr zählen.
Und so schufen die Künstler im Laufe der Jahre aus dem öden, toten Gelände einer Mandelplantagen-Monokultur einen Garten Eden, der im vermeintlichen Chaos seine ganz eigene Ordnung entfaltet. Es sind kleine Oasen, die miteinander verbunden sind und in verschiedene „Räume“ mit eigenen Klimazonen und Böden eingeteilt sind, wo unterschiedliche Pflanzen gedeihen. „Ich habe mir vorgenommen, jeden Tag des Jahres einen Baum oder ein Büschlein zu pflanzen, als ‚Geburtshelfer‘ etwas Vegetatives in die Welt zu bringen“, sagt Schaal, der dadurch langsam einen Wald anlegte, in dem er heute Pilze ernten kann.
Die Vitalität und Vielfalt zu sehen, beglücke ihn. „Wir wollten einen Mikrokosmos erschaffen – eine Welt in einer Welt, wo man immer wieder etwas Neues entdecken kann.“ Und eine Welt, die sie kaum verlassen – dazu sieht Schaal auch keine Notwendigkeit. „Ich kann hier anhand der ganzen Pflanzen von Indien bis Peru reisen. Und es ist etwas, das uns völlig ausfüllt und erfüllt.“
Kunst in der Naturgartenlandschaft integrieren
Neben dem Pflanzen und Anlegen einer Saatgutsammlung war dem Paar wichtig, die bildende Kunst in der Naturgartenlandschaft zu integrieren: Skulpturen, lebende Organismen, Atelier- und Wohnbereiche, innen und außen verwachsen, alles ist dort eins, der von Gebauer geduldig geknetete Brotteig ebenso wichtig wie die geistige Nahrung in der Bibliothek. Schon damals, als Schaal an der Freien Kunstschule und der Akademie der bildenden Künste in Stuttgart studierte, waren ihm Beschränkungen zuwider, der im Trend liegende Neo-Expressionismus nicht genug – so viel wie möglich im Leben wie in der Kunst unter einen Hut zu bringen, immer sein Ziel.
Obwohl Schaal dem Kunstmarkt den Rücken kehrte, betrieb er seine „reine, hehre“ Kunst „tagebuchmäßig“ weiter. Ist genug Zeit und Kraft da, werden aus zeichnerisch-malerischen Büchern kleine fertige Bilder. Gesundheitliche Beschränkungen wie ein Tremor in der Hand brachten Änderungen in der Arbeitsweise: Früher zeichnete Schaal direkt im Stehen an der Staffelei, teils fast fotorealistisch. Ein Markenzeichen von ihm: Er malte „collagierend“, sodass es aussah wie geklebt. Nun macht er es umgekehrt: Kleine Arbeiten, die auf dem Zeichentisch entstehen, schneidet oder reißt er aus, klebt sie auf Leinwand und überarbeitet das Ganze so, dass es zu einem fertigen Bild wird. „Im Prinzip ist das Ergebnis dasselbe“, sagt Schaal. Seine Kunst ist sehr illustrativ, reich an literarischen Anspielungen und Ironie.
Inspiration und Hoffnung
Dass Connie Mildner nun einige der neuen Arbeiten ausstellt, ist eine seltene Ausnahme – beide kennen sich über das Permakultur-Netzwerk der Insel und sind schon lange befreundet. Mildner bringt auch immer wieder junge Menschen, die sich für alternative Landwirtschaft und Lebenskonzepte interessieren, zu Schaal und Gebauer. Das Paar freut sich darüber, denn beide wollen heute ein Beispiel geben – als Inspiration, wie man in Zeiten des Klimawandels Dinge verändern kann. Die Helfer und Neugierigen lassen Schaal hoffen, dass jemand den Garten auch in Zukunft weiterführen wird: „Bei der reinen Kunst kann man das nicht machen, dass jemand die Bilder weitermalt. Aber das hier ist lebendige Kunst.“
Ausstellung: 29. Juni bis 17. Juli, Son Barrina Gallery, Ctr. Inca– Llubí, km 6, Do. 12–15 Uhr, Fr. und Mo. 10–18 Uhr, Sa. und So. 10–15 Uhr, sonbarrina.es
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