"Fun Art Club" in Palma de Mallorca: Malen für die Seele

Die Berlinerin Julia Stenschke hat in Palma ein Projekt ins Leben gerufen, bei dem sich Menschen kreativ austoben können

Hat das Herz auf dem rechten Fleck und ein Händchen für schöne Dinge: Julia Stenschke in ihrem Laden in Palma.  | FOTO: PRIVAT

Hat das Herz auf dem rechten Fleck und ein Händchen für schöne Dinge: Julia Stenschke in ihrem Laden in Palma. | FOTO: PRIVAT / Isa Hoffinger

Isa Hoffinger

Isa Hoffinger

Es sind die knalligen, optimistischen Farben, die Julia Stenschke lange nicht sehen konnte. Warmes Rot, sattes Grün, tiefes Blau. Nur noch grau und monoton kam ihr die Welt vor, nachdem ihre Schwester, die nie zuvor ernsthaft krank gewesen war, eines Nachts plötzlich an einem Aneurysma gestorben war. Wie ein dunkler Schleier schirmte die Trauer die sonst so quirlige und zupackende junge Frau nach diesem Schicksalsschlag vom Leben ab, alles um sie herum verfinsterte sich. Zweieinhalb Jahre ist das her. Um etwas mehr Zeit für ihr Privatleben zu haben und wieder zu sich selbst finden zu können, kündigte die heute 28-Jährige einen festen Job im Modedesign und beschloss, sich beruflich neu zu orientieren. Im Februar dieses Jahres lief Julia Stenschke zufällig an einem leer stehenden ehemaligen Modegeschäft im Carrer del Pes del Formatge in Palma vorbei und wusste sofort: „Das ist der richtige Ort für mein neues Projekt.“

Utensilien aus den Kursen, etwa Kissen,  werden im  „Fun Art Club“ verkauft.  | FOTO: PRIVAT

Dekoration und nette Kleinigkeiten werden im Laden verkauft. | FOTO: PRIVAT / Isa Hoffinger

Am 25. Februar 2023 eröffnete Julia Stenschke, die in Hannover studiert und ihre Bachelorarbeit in New York geschrieben hat, mit der Hilfe ihrer Mutter den „Fun Art Club“. Ihre Vision: Menschen aus allen Ländern, in jedem Alter und auf allen künstlerischen Levels sollen für ein paar Stunden abschalten und beim Kreativsein neue Bekannte kennenlernen können. Bei Malkursen, die von ihr selbst gegeben werden, treffen sich US-Amerikaner, Deutsche, Engländer, Italiener oder Spanier in lockerer Atmosphäre. Ein Kurs dauert normalerweise zwei Stunden und kostet 30 Euro. „Ich möchte aber auch ganz bewusst Menschen ansprechen, die weniger privilegiert sind. Darum gibt es bei uns jeden Dienstag eine Art Night, bei der jeder nur so viel bezahlt, wie er kann und möchte.“

Emotionen mit Kunst verarbeiten

Auf die Idee, ihre Freude an Kunst und schönen Dingen anderen zu vermitteln, kam die Berlinerin beim Gedanken an ihre Schulzeit. Ihre Mutter war mit den beiden Töchtern nach der Trennung von ihrem Vater nach Mallorca gezogen, als Julia Stenschke acht Jahre alt war. Julia und ihre ältere Schwester Susann besuchten eine internationale Schule, Julia wechselte dann auf ein deutsches Gymnasium und zog zunächst für einige Jahre zu ihrem Vater, um das Abitur zu machen. „Im Kunstunterricht hatte ich den Eindruck, dass mich der Lehrer in eine bestimmte Ecke drängen will und mir vorschreibt, wie ich mich künstlerisch ausdrücken soll. Das hat mich eingeengt. Um starre Regeln sollte es beim Malen oder Zeichnen nicht gehen“, sagt sie. „Mir ist wichtig, dass die Teilnehmer auf ihr Bauchgefühl hören, darum machen wir keine konkreten Vorgaben, jeder soll selbst ausprobieren, was ihm am meisten liegt“, sagt Stenschke. Kreativität kann gesund machen, wenn man sich Freiheiten zugesteht. „Beim Malen lassen sich versteckte Emotionen einfacher anzapfen und durchleben als in verkopften Gesprächen“, glaubt sie.

Lebensfreude vermitteln als Beruf

Dass es erfüllend, aber auch höllisch anstrengend sein kann, sein eigener Chef zu sein, erlebte Julia Stenschke bei ihren Eltern, die selbstständig waren und den Mut aufbrachten, immer wieder Neues zu wagen. „Sie hatten zuerst einen Gemüseladen, dann einen Blumenladen, inzwischen arbeiten beide im Immobiliengeschäft. Ich habe manchmal mitgeholfen, etwa bei der Renovierung von Wohnungen bei Bauprojekten meines Vaters. Darum kann ich gut streichen.“ Im „Fun Art Club“ hat Julia Stenschke eine Wand in zartem Altrosa getüncht, eine andere ist karmesinrot. Neben den Kursen verkauft sie noch Dekorationsgegenstände, die sie teilweise im Internet zum Großhandelspreis bezieht. Ihre Einrichtung hat sie in einem Secondhandladen gefunden.

Sich mit voller Kraft in neue Aufgaben zu stürzen, half ihr über die schwere Zeit nach dem Tod ihrer Schwester hinweg. „Es gibt heute Tage, an denen ich gut über diesen Verlust sprechen kann und andere, an denen ich einfach nicht funktioniere, weil ich trauere. Einem Vorgesetzten wäre meine private Situation wahrscheinlich egal. Die Kunstklassen kann ich notfalls absagen“, erklärt sie. Dazu sei es bisher allerdings noch nicht gekommen. Im Gegenteil.

„Loslassen und einfach machen“

„Ich habe mehr Teilnehmer, als ich anfangs dachte, und es passieren tolle Sachen. Ein Mann hat mich gefragt, ob er seiner Freundin bei mir einen Heiratsantrag machen darf. Sie hatte einen Kurs im Aktzeichnen gebucht, und er wollte sich als Model auf das Sofa setzen – verhüllt von einer Decke – und sie dann überraschen. So etwas freut mich sehr.“ Ein anderer Teilnehmer fragte sie, ob sie das Ganze nicht als Franchise-Unternehmen aufziehen wolle. „Dann gäbe es neben dem Fun Art Club Palma vielleicht bald einen Fun Art Club London und einen Fun Art Club Rom. Pläne für einen „Fun Food Club“ mit besonderen Gerichten in der Nachbarschaft habe sie ebenfalls, diese seien aber noch nicht spruchreif.

Auch Kinder liegen ihr besonders am Herzen. „Mein Vater hat mich früher Lullebrumm genannt, weil ich andere gut einlullen konnte und mit dem Kopf durch die Wand wollte, mit Vollgas – brumm!“ Freitags bietet sie einen Kids Club an. Ein Ticket kostet 20 Euro, fünf Besuche machen 80 Euro. Den kleinen Künstlern vermittelt sie auch ihr Lebensmotto: „Loslassen und einfach machen“.

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