Beate Müller-Blattau ist nicht leicht zu erschrecken. Als Journalistin hat sie ganz Afrika bereist und aus Krisengebieten berichtet, dann ließ sie sich auf Mallorca nieder und begann ein neues Leben. Sie hat keine Scheu vor dem Unbekannten, keine Angst vor Veränderungen.

Doch im vergangenen ­November wurde ihr mulmig. Knapp vier Jahre zuvor hatte sie in Inca am zentralen Kirchplatz ein Café aufgemacht. Lange lief das Geschäft blendend. Dann kam der Herbst 2008: Schlagartig brach der Umsatz ein, blieben die Kunden aus, sah die Deutsche einen Abgrund vor sich.

Anfang Dezember schloss die 63-Jährige das zentral gelegene ?Café Plaça" und machte zwei Monate Pause ?zum Nachdenken". Ende Januar kehrte sie zurück und blies zum Angriff. Mit Erfolg: Während die Wirte rundherum jammern, ist ihr Laden voll. Krise? Ohne Beate Müller-Blattau.

Im Detail erzählt, klingt die Geschichte nicht ganz so mühe- und reibungslos. Die Krise begann in Inca mit einem Stromausfall während der inselweit größten Messe, dem ?Dijous bo" Mitte November. Wie alle Gastwirte der Stadt hatte sie kiloweise Vorräte eingelagert und sich auf eine klingende Kasse eingestellt. Der apagón machte die Hoffnungen zunichte. ?Wir zündeten Kerzen an und es war sehr romantisch, aber wir konnten nichts Warmes servieren, weder Kaffee noch Mahlzeiten."

Das ?Dijous bo"-Desaster erwies sich als böses Omen. Am Tresen hörte Müller-Blattau von ihren Kunden immer erschreckendere Geschichten über verlorene Jobs und geplatzte Hypotheken. Und spürte die Krise bald auch selbst: An manchem Abend hatte sie gezählte 20 oder 25 Euro in der Kasse. Der Winter war im Eimer, erkannte sie und entschied, eine Auszeit zu nehmen. Noch heute hat sie ein flaues Gefühl im Magen, wenn sie über diesen Moment spricht. ?Das Café war schön eingerichtet, ich hatte 120.000 Euro investiert. Das einfach abschreiben? Aber es lief einfach nicht. Ich musste in Ruhe über einen Ausweg nachdenken."

Das Wichtigste war, nicht in Panik zu verfallen. Kein einfacher Vorsatz, denn ringsherum herrschte Hysterie. Freunden halfen ihr, darüber hinwegzukommen. ?Die sagten mir: ?Du hast Kriegsreportagen gemacht, und jetzt hast du Schiss?´"

Müller-Blattau besuchte Freunde in Deutschland und England. In großen Städten sah sie Gastwirte, die radikal reagiert hatten, oft mit spektakulären Preissenkungen. An Inspiration fehlte es nicht, sie musste nur noch ein Konzept schneidern, das zu ihrem Café und nach Mallorca passte.

Als sie zurückkehrte, entwarf sie einen systematischen Plan. Wie bringt man Kunden in ein Lokal? Mit einem ?skandalös billigen Angebot, das sich auch herum­spricht". Was ist des Mallorquiners liebstes Gericht? Pa amb Oli. Und so enstand Beate Müller-Blattaus mittlerweile berühmte 2-Euro-Jause: zwei Scheiben Brot mit Olivenöl, Tomate und mit acht Auflagen nach Wahl.

Nun musste die Kundschaft auch darüber erfahren. Krise hin, Krise her, die Deutsche steckte mehrere hundert Euro in Werbung und gestaltete schreierische Annoncen: ?Skandalös preiswertes Pa amb Oli im Sa Plaça".

Der Erfolg übertraf alle Erwartungen. ?Manchmal standen die Leute sogar Schlange!" Der Super-Mega-Billig-Teller hält ihr Café finanziell nicht am Leben, aber viele Kunden bestellen auch etwas anderes. Und vor allem ist der Laden voll, was weitere Kunden anzieht. ?Wer setzt sich schon gern in ein leeres Café?"

Von leer konnte in der Folge keine Rede sein, erzählt Müller-Blattau. ?Ich musste einen zusätzlichen Tisch reinstellen und konnte sogar in eine Erweiterung der Küche investieren."

Zwar ziehen erneut dunkle Wolken auf: Die Stadt wird möglicherweise mitten in der Hochsaison das Zentrum umgraben lassen, um mit Infrastrukturprojekten Staatsgelder zu verbrennen, die ansonsten verloren gehen. Eine weitere Prüfung für die gebeutelte Geschäftswelt. Doch Müller-Blattau feilt bereits an einer Gegenstrategie. ?Ich lasse mich nicht unterkriegen."

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