Nicht jede Touristenattraktion ist weithin sichtbar. Mallorcas einziger restaurierter Grabhügel aus der Bronze- und Talayotzeit etwa hat seine Adresse in der Calle Oronella 17 in Son Ferrer - gerade so, als wäre es ein weiteres Einfamilienhaus in dieser Siedlung der Gemeinde Calvià. Dabei kann dort, wo sich früher ein unscheinbarer Steinhaufen auf einem brachliegenden Grundstück türmte, ab sofort der freigelegte Túmulo (Grabhügel) de Son Ferrer besucht werden.

Im Prinzip handelt es sich zwar noch immer um einen Steinhaufen. Doch die Reste der Kult- und ­Begräbnisstätte sind nun restauriert und haben ihre Geheimnisse preisgegeben: In den vergangenen acht Jahren wurden 40.000 Fragmente freigelegt, Knochen von mehr als hundert - vorwiegend jugendlichen - Toten ausgegraben, Analysen erstellt und Theorien aufgestellt.

Hinweistafeln liefern jetzt Besuchern auf Katalanisch, Spanisch und Deutsch wichtige Fakten. Die interessantesten Geschichten haben aber die Archäologen selbst zu erzählen. Für Mai ist ein Tag der offenen Tür geplant, an dem Besucher auch auf Deutsch informiert werden sollen. Auf Anfrage soll es später weitere Führungen geben.

Nur bei solchen Gelegenheiten wird es möglich sein, den túmulo auch von innen zu besichtigen. Für die MZ öffnet schon einmal Manel Calvo, der Koordinator des Ausgrabungsprojekts, das Eisengitter zur Grabkammer. Sie ist inzwischen leer, und es ist der Fantasie überlassen, sich vorzustellen, wie einst die Toten - vermutlich in Embryo-Haltung zusammengeschnürt, die Knie eng am Schädel - auf den Steinbänken bestattet waren. Nägel in der Wand markieren die Höhe, bis zu der die Knochen geschichtet waren. Die Funde werden auch nach Ende der Labor-Untersuchungen nicht hierher zurückkehren. „Wenn sich kein Platz in Calvià findet, kommen sie ins ­Museo de Mallorca", sagt Calvo.

Während die Arbeiten im Túmulo abgeschlossen sind, graben die Archäologen im anderthalb Kilometer entfernten, 40 Hektar großen Archäo­logiepark Puig de Sa Morisca weiter. „Dort werden wir niemals zu einem Ende kommen", sagt der Forscher der Balearen-Universität (UIB) angesichts der zahlreichen Funde. Freigelegt werden Wohn- und Verteidigungsanlagen.

„Der Puig de Sa Morisca war das Reich der Lebenden, der Túmulo das Reich der Toten", sagt Calvo. Und beide zusammen sind Teil des reichen archäologischen und ethnografischen Erbes, das in der Gemeinde Calvià Stück für Stück freigelegt wird. „Die Politiker ­sehen zuerst immer nur einen Haufen Steine", so der Wissenschaftler. „Bis wir mit unserer Arbeit beginnen." In die Restaurierung des Túmulo wurden 900.000 Euro investiert.

Dass mit der Freilegung des Grabhügels so spät begonnen wurde, ist einem Irrtum geschuldet: Er war zunächst als Überbleibsel eines talayot katalogisiert. Wie sich jetzt herausstellte, diente der Túmulo in der Bronze- und der späten Talayotzeit als Begräbnisstätte, dazwischen als Kultstätte. Nachgewiesene Pflanzenreste zeugen davon, dass ein Gebräu aus Meerträubel-Pflanzen (Ephedra fragilis) als Rauschmittel eingesetzt wurde - lange, bevor das darin enthaltene Ephedrin in den 1980er Jahren zur Herstellung von Ecstasy zur Anwendung kam. Nur noch erahnen können Besucher den letzten Verwendungszweck des Ortes im 18. Jahrhundert: Bauern brachten ihr Getreide auf die Erhöhung, um mit Hilfe thermischer Winde (embat) die Spreu vom Weizen zu trennen.

Während solche Geschichten nur im Rahmen einer Führung zu erfahren sind, können Besucher auch selbst auf Spurensuche gehen: Am Eisengatter befindet sich ein Lichtschalter, um einen Blick in die Grabkammer werfen zu können. Das Gelände ist nicht abgesperrt, Klettern erlaubt: „Wir sind also nicht vor Zerstörungen gefeit"? sagt Calvo, „aber die Nachbarn warnen uns im Fall von Randale." Sein nächstes geplantes Projekt: Die Restaurierung eines túmulo auf dem inzwischen öffentlichen Landgut Galatzó.

Hätten die frühzeitlichen Zeugnisse schon früher als mögliche Touristenattraktionen gegolten, wäre auch ein túmulo in Palmas Gewerbegebiet Son Oms erhalten geblieben. Doch unter der Diktatur Francos wurde in den 70er Jahren nicht viel Federlesens gemacht. Die bereits freigelegte Ausgrabungsstätte musste schließlich der zweiten Landebahn des Flughafens Son Sant Joan weichen.

Eine Führung zum Puig de Sa Morisca findet am Donnerstag, 14. Mai, um 9.30 Uhr statt.

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