Dass auf der Baustelle des Hotels Son Moll in Cala Ratjada an der Ostküste von Mallorca noch Aktivität herrscht, sieht und hört man erst auf den zweiten Blick. Am gleichnamigen Strand direkt daneben lassen sich an diesem Freitag (12.4.) mehrere Dutzend Urlauber, die bereits ihre Badetücher ausgebreitet haben, von den Baugeräuschen nicht stören. Es ist schon eher das Metallskelett, das skeptische Blicke auf sich zieht - und jede Menge Fragen der Urlauber an die Wirte und Einzelhändler in der Umgebung zur Folge hat.

Es wird die inzwischen fünfte Sommersaison sein, in der die Baustelle die Idylle am Strand stört. Eigentlich hätte schon zu Ostern Schluss sein müssen mit den Arbeiten - so sieht es eine touristische Lärmschutz-Verordnung in der Gemeinde Capdepera vor. Doch das Rathaus hat bis Samstag (20.4.) Aufschub gewährt. Dann ruhen die Arbeiten wieder bis zum Herbst.

„Sie haben zumindest den Rohbau geschafft und die Flagge gehisst", sagt Jochen Hesse. Der deutsche Rentner überwintert seit 13 Jahren in Cala Ratjada und hat die Veränderungen auch in seinem Blog dokumentiert: Nachdem ein Teil des Gebäudes bei starkem Regen im Dezember 2008 eingestürzt war und vier Arbeiter unter sich begraben hatte, rottete die Bauruine wegen des gerichtlichen Baustopps lange Zeit vor sich hin. Anfang 2012 wurde abgerissen. Seit Anfang des Jahres wuchs der Neubau dann Stock für Stock in die Höhe - bis zur achten Etage.

„Das passt nicht in die Landschaft", sagt Jürgen Armbruster, der in der Nähe eine Firma mit geführten Quad-Touren betreibt. Er hätte, wie viele anderen auch, an der Stelle lieber eine Grünfläche gesehen, mit freiem Blick aufs Meer. „Das ist der Schandfleck von Cala Ratjada", antworte er denn auch auf die beständig wiederkehrenden Fragen von Urlaubern. Jetzt sehe man immerhin, dass es vorangehe.

Leidtragende waren vor allem die direkten Nachbarn, ein Straßenzug war für Monate sogar ganz gesperrt. Die Saft- und Salatbar einer Deutschen, die hier im Schatten der Bauruine stand, ist inzwischen einem kleinen Supermarkt gewichen, wo gerade Óscar Muñoz das Sortiment für den Urlauberansturm vorbereitet. „Je höher, desto besser", sagt er über den Neubau - und ist mit dieser Meinung ebenfalls nicht allein. So fielen jede Menge Kunden für den Laden ab. Jeder profitiere von dem Hotel, und „mit all diesem Eisen kann es garantiert nicht mehr einstürzen."

Toni, der die Strandbar „Malibu" gegenüber dem Hotel betreibt, lässt auch ästhetische Bedenken nicht gelten. „Waren Sie schon einmal in New York? Dort gibt es auch schöne Hochhäuser." Das neue Hotel werde moderne Akzente setzen und für viele Jobs sorgen. „Wir kleinen Unternehmer leben von den Hotels." Die Familie Serrano, die neben dem Son Moll auch die zwei benachbarten Häuser Clumba und Serrano Palace betreibt, setze nämlich nicht auf All-inclusive, sodass die Urlauber auch außerhalb des Hotels Geld ausgäben. Und auch der Wirt des benachbarten „Pirata", Sebastián Bover, freut sich auf eine größere Zahl an Kunden ab 2014 direkt gegenüber von seiner Bar.

Unmut erregt vor allem die lange Dauer der Arbeiten. „So, wie das Hotel jetzt ist, hat keiner etwas davon", kritisiert Toni. Schuld daran hätten jedoch nicht die Betreiber, sondern die Behörden. In der Tat hatte das Gericht von Manacor lange gebraucht, bis die Ermittlungen nach dem tödlichen Unfall 2008 abgeschlossen waren. Und dann sollte es bis Juli 2011 dauern, bis zwei verantwortliche Architekten wegen Fahrlässigkeit bei der Bauaufsicht zu Haftstrafen verurteilt wurden. Den damaligen Bürgermeister, den Sozialisten Bartomeu Alzina, kostete die Vorladung in dem Prozess das Amt - die Arbeiten waren trotz fehlender Genehmigung nicht gestoppt worden.

Jetzt seien alle Unterlagen der Bauherren in bester Ordnung, versichert der heutige Bürger­meister Rafel Fernandez (PSOE) - um das spanische Küstengesetz einzuhalten, sei der Bau etwas zurückgesetzt worden. Er persönlich hätte zwar eine Grünzone an der Stelle des abgerissenen Hotels schöner gefunden, so der Bürgermeister. Doch die Verhandlungen zum Aufkauf des Grundstücks durch die Zentral­regierung seien ergebnislos verlaufen. Das Fünf-Sterne-Hotel werde aber nun wichtige Impulse zur Erneuerung der Hotel-­Infrastruktur und zur Belebung der Nebensaison setzen.

Dass die Bauarbeiten nicht zur Saison fertig werden, liege im Übrigen nicht an den Behörden, sondern der Bauweise: Wegen des schlechten Wetters hätte wochenlang nicht an der Eisenstruktur gearbeitet werden können. Die jetzige Ausnahme, auch nach Ostern weiterzubauen, begründet der Bürgermeister damit, dass die Bauarbeiter so die letzten zwei Stockwerke des Rohbaus fertigstellen und die drei Kräne abbauen könnten. Diese würden sonst die Landschaft verschandeln. Zwischen Ostern und dem eigentlichen Saisonbeginn seien ohnehin nur wenige Urlauber in Cala Ratjada.

In der Tat ist es derzeit noch beschaulich in dem Urlaubsort an der Ostküste, gewerkelt wird hinter den Kulissen. So entsteht noch ein zweiter moderner Neubau, das „Allsun Hotel Illot Park" am anderen Ende von Cala Ratjada. „Hier wird täglich gearbeitet", dokumentiert Blogger Jochen Hesse. „Der Anbau/Neubau ist teilweise schon in den neuen Farben, und ein neuer Pool entsteht auch."

Hesse wird erst wieder im Herbst nach Cala Ratjada zurückkommen und die Arbeiten in Son Moll weiter beobachten. Hoffentlich werde die Front nicht vollständig verglast, eine solche Optik passe nicht ins Bild. Aber zumindest künftige Gäste hätten eine tolle Aussicht. „Wenn man vom Bett aufs Meer schaut, sieht man das Hotel ja nicht."

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