Sabine Rüdiger aus Llucmajor hat sich von dem Blog „Mini Decki" inspirieren lassen und angefangen zu nähen. Der Name des Projekts bedeutet „meine Decke" auf Schweizerdeutsch, die Intention dahinter: Jedes Flüchtlingskind braucht etwas, das wärmt, schützt und ein Zuhause gibt auf einer langen, unsicheren Reise. „Ich kann nicht viel tun, aber nähen kann ich", sagt Sabine Rüdiger. Seit dem 9. Januar animiert sie auf Facebook unter „Mi Manta España" zum ­Mitmachen.

Wie von Mallorca aus helfen, wenn die vorgesehene Zuteilung von 300 Flüchtlingen nach wie vor auf sich warten lässt? Diese Frage treibt nicht nur Privatpersonen, sondern auch Amtsinhaber um. Der Inselrat will sich dort engagieren, wo viele der Flüchtlinge erstmals EU-Boden betreten: auf den griechischen Inseln Lesbos und Chios, unmittelbar vor der türkischen Küste.

„Wir hängen bei den Hilfen von Madrid ab. Wenn sich dort nichts bewegt, müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen", sagt Jesús Jurado (Podemos), Vizepräsident des Inselrats sowie des solidarischen Fons Mallorquí. Über die gemeinnützige Organisation unterstützen die Balearen-Regierung, der Inselrat und die Rathäuser seit 1993 unter anderem Entwicklungs- und ­Nothilfeprojekte in Lateinamerika und Afrika. Man wolle helfen, auf Mallorca. Und handeln.

Kurz vor Weihnachten kam deshalb die Idee auf, eine Partnerschaft zwischen der spanischen und den griechischen Inseln ins Leben zu rufen. „Wir wollen uns der Wurzel der Flüchtlingskrise so weit wie möglich nähern", sagt Jurado. Dabei bauen die Mallorquiner auf das Wissen um die Besonderheiten der Insellage: „Das Gelände und die Ressourcen sind begrenzt, das macht die Sache komplizierter", sagt Jurado. Wenn wie auf Chios innerhalb von sechs Monaten doppelt so viele Flüchtlinge ankommen wie die Insel Bewohner hat, stelle das die Infrastruktur auf eine harte Probe. „Das bringt das sanitäre System, die Verkehrswege, die Müllentsorgung, einfach alles aus dem Gleichgewicht", sagt Jurado und zieht einen Vergleich: Ginge es Mallorca wie Chios, würden hier 1,6 Millionen Migranten ankommen, nicht 300.

Die ersten Kontakte zu den griechischen Inseln sind bereits geknüpft. Noch sei nicht klar, wie genau die Kooperation aussehen wird: Es könnte eine offizielle Partnerschaft zwischen der spanischen und den griechischen Mittelmeer­inseln entstehen oder auch andere Formen der Zusammenarbeit. Noch in dieser Woche will der Fons Mallorquí konkrete Vorschläge vorlegen. Sobald sie angenommen worden sind, soll ein Terminplan folgen.

Wichtig sei dabei, gemeinsam zu helfen: Nicht nur die Oppositionsparteien sollen sich den Hilfsaktionen anschließen, idealerweise auch weitere Institutionen sowie Unternehmen und Privatpersonen. „So können wir mehr Mittel sammeln. Jeder, der helfen möchte, kann sich beteiligen", sagt Jurado. Zunächst will der Inselrat die Rathäuser mit an Bord holen. Der Fons Mallorquí fungiert dabei als Impulsgeber. Auch das Geld wird zunächst aus der gemeinnützigen Organisation fließen. Außerdem will der Inselrat die EU-Organisation ALDA (European Association for Local Democracy) einbeziehen, die Bürgerinitiativen auf lokaler Ebene unterstützt. „Damit nicht so etwas passiert wie mit den Feuerwehrmännern aus Sevilla", sagt Jurado. In der vergangenen Woche hatte die griechische Küstenwache vor Lesbos drei Spanier und zwei Dänen mit dem Verdacht auf Beihilfe zur illegalen Einreise festgenommen.

Überhaupt setze man auf umfassende Unterstützung in Rücksprache mit den Behörden vor Ort: Noch im ersten Quartal des Jahres will der Inselrat mit mindestens einem Vertreter jeder Partei - inklusive der Opposition - nach ­Griechenland reisen, um sich zu informieren und angemessene Schritte zu vereinbaren. „Die Situation dort ist sehr schwierig. Deswegen wollen wir uns direkt vor Ort ein Bild verschaffen und mit den Experten dort sinnvolle Schritte in die Wege leiten", sagt Jurado. Grundsätzlich sei geplant, sich insbesondere für Kinder einzusetzen. Sollte sich herausstellen, dass die Not an anderer Stelle größer sei, wollen die Mallorquiner das entsprechend berücksichtigen.

Joan Bernat vom Flüchtlingshilfe-Verein „Sóller amb els ­refugiats" hat dem Inselrat etwas voraus: Er war schon auf Lesbos. Am Montag (18.1.) ist er von einer Woche als freiwilliger Helfer auf eigene Kosten zurückgekehrt. „Es ist herzzerreißend. Die Flüchtlinge denken, sie sind im Paradies angekommen, doch das, was sie noch erwartet, ist absolut unmenschlich. Schon bei der Betreuung auf Lesbos fehlt es an allem", sagt er.

Mit anderen Helfern des andalusischen Projekts Proemaid patrouillierte Bernat die Strände von Lesbos und versorgte Neuankömmlinge mit dem Nötigsten: Heizdecken, trockene Kleidung, Nahrung. Gleich am Tag nach seiner Rückkehr hat er den anderen Mitgliedern von „Sóller amb els refugiats" von seinen Erlebnissen berichtet und ihnen die mitgebrachten, maroden Rettungswesten gezeigt, die türkische Schlepper den Flüchtlingen verkaufen. „Ich habe jeden Tag geweint, aber es hat sich absolut gelohnt", sagt Joan Bernat. Im März will er wieder nach Lesbos.