Ein tragischer Vorfall hat am 26. März 2019 Alejandro Jiménez Cruz das Leben gekostet. Der 22-jährige Mallorquiner starb, weil in seiner Kompanie nicht Zucht und Ordnung, sondern Nachlässigkeit und Verantwortungslosigkeit herrschen. Das lassen zumindest die Ermittlungsakten der Guardia Civil vermuten, in die das „Diario de Mallorca" Einblick bekommen hat. Sie umfassen 1.500 Seiten und sind voller Widersprüche, verweisen auf Machtmissbrauch und Nötigung von Zeugen. Und sie werfen kein gutes Licht auf die Legion Española, eine Militäreinheit, die wegen ihrer extrem konservativen Werte und starken Ideologisierung ohnehin immer wieder in die öffentliche Kritik gerät.

Alejandro Jiménez Cruz gehörte zu einer der vier Einheiten der Elitekompanie und war in Almería stationiert. Ende März befand er sich auf einem Truppenübungsgelände bei Agost, einem Dorf in der Provinz von Alicante an Spaniens Südostküste, als ihn ein Schuss direkt in die Brust traf. Wenig später erlag er in einem Krankenhaus seinen Verletzungen. Die Mordkommission der Guardia Civil von Alicante ­versucht derzeit zu ermitteln, wie es dazu kommen konnte. Die beiden grundlegenden Fragen heißen: Warum übten die Soldaten mit scharfer Munition? Und warum trug Alejandro Jiménez Cruz eine kugel­sichere Weste ohne Metallplatten, die ihn also nicht vor der Kugel schützte? Vor ­allem die Vorgesetzten des Toten, ein kommandierender Offizier und ein Unter­offizier, stehen unter Verdacht, nachlässig ­gehandelt und bei den Verhören gelogen zu haben. Sie erschweren die Ermittlungen der Polizei und haben einige Untergebene offenbar zur Falschaussage gezwungen, um sich selbst zu schützen.

Denn ballistische Untersuchungen haben ergeben: Alejandro Jiménez Cruz wurde mit dem Gewehr seines Vorgesetzten, des Unteroffiziers, erschossen. Der bestreitet allerdings die Tat und gab mehrmals zu Protokoll, er sei unbewaffnet gewesen, denn er habe das Manöver nur überwacht. Derzeit untersucht die Guardia Civil alle am Manöver Beteiligten auf ihre Körpergröße und darauf, ob sie Links-, oder Rechtshänder sind, um zu ermitteln, wer den ­tödlichen Schuss abgegeben haben könnte.

Das Verhalten der Vorgesetzten passt nicht zum Image der Legionäre, die heutzutage von der Öffentlichkeit vor allem ­positiv wahrgenommen werden: als Re­präsentanten Spaniens bei internationalen Friedenseinsätzen in Krisenregionen. ­Älteren Spaniern sind sie indes als hart durchgreifende Einsatztruppen in den spanischen Kolonien Nordafrikas und als franco­treue Kämpfer im Bürgerkrieg in ­Erinnerung. Bekannt sind die Berufssoldaten auch wegen ihrer feschen Uniform: weit aufgeknöpftes helles Hemd, eng ge­schnittene dunkle Hose, schräg auf dem Kopf ­sitzendes Schiffchen mit Kordeln.

Doch es gibt offenbar einiges zu verheim­lichen, denn der Fall Alejandro ­Jiménez Cruz zeigt, wie schlecht die Einheit intern funktioniert und wie nachlässig mit Sicher­heitsvorgaben umgegangen wird: In einer ersten, offiziellen Stellungnahme am Tag nach dem tödlichen Vorfall gab die Einheit bekannt, der Tod sei das Ergebnis „des wahrscheinlichen Abpralles eines Schusses in die Achselhöhle" gewesen, „da der Legionär eine kugelsichere Weste trug". In diesem Moment war aber bereits die Flugbahn der Kugel bekannt: ein Direktschuss in die Brust aus einer Entfernung von 16,5 Metern. Zehn Tage später stellten die Ermittler fest, dass alle kugelsicheren Westen mit Metallplatten auf der Brust, aber nicht alle mit welchen auf dem Rücken ausgestattet waren, denn, so der Kommandant. „Es hat nicht für alle gereicht." Den Soldaten hatte er Zeugenaus­sagen zufolge erklärt: „Ihr müsst jetzt schwerere ­Westen tragen, damit der Legionär ­Jiménez Cruz im Himmel etwas zu lachen hat." Zuvor hatten Soldaten zu Protokoll gegeben, sie hätten immer mit Westen ohne Metall geübt. Das sei leicht feststellbar gewesen, sie wögen zwei Kilo weniger.

Und es gab noch mehr Vertuschungsmanöver: Direkt nach dem Vorfall, während Jiménez Cruz schwer verletzt ins ­Krankenhaus gebracht wurde, soll der Truppenkommandant den Befehl erteilt haben, alle Geschosshülsen vom Boden aufzusammeln. Und dann, als Alejandro ­Jiménez Cruz verstorben war, versuchte er, den Ort des Geschehens zu verändern: Anscheinend befand sich wenige Meter von ­Jiménez' Truppe eine andere Truppe auf dem Übungsplatz, was aus Sicherheitsgründen verboten ist. Ein Zeuge sagte aus, der Kommandant haben seine Untergebenen mit den folgenden Worten zu einer Falschaussage gedrängt: „Auf mich wartet eine harte Strafe. Ihr seid unschuldig. Es war ein Unfall, und ich werde nicht erlauben, dass euch jemand das Leben ruiniert. Sagt die absolute Wahrheit, aber sagt der Guardia Civil nicht, dass ihr euch da oben versammelt habt. Sagt, dass ihr vier oder fünf Meter weiter unten ward."

Der Zeuge, der dem Druck der Vorgesetzten offensichtlich nicht nachgeben wollte, bezeichnete sich als Freund von ­Alejandro Jiménez Cruz. Nach seiner Aussage wurde er von seinen Kollegen geschnitten und als „Verräter" und als „Schwuchtel" beschimpft. Wenige Monate später ließ er sich krankschreiben, im Sommer wurde er aus der Legion entlassen.