Es ist die für die Tourismuswirtschaft auf Mallorca in der Pandemie wohl wichtigste Kennzahl, doch sie wird in der Datenverarbeitung offenkundig seit Wochen sträflich vernachlässigt: Die Balearen haben große Probleme mit der Erfassung der ins Ausland übermittelten 7-Tage-Inzidenz der Corona-Neuansteckungen. Eine hochrangige Mitarbeiterin des Gesundheitsministeriums hat am Mittwoch (16.9.) weitere Erklärungen zu den offenkundigen Unstimmigkeiten geliefert. Seit Wochen weichen die hohen auf den Balearen veröffentlichten Werte von den niedrigen von Madrid ins Ausland kommunizierten Daten deutlich ab.

Das Grundproblem sei, dass die Zahlen, die die Balearen täglich veröffentlichen, sich auf sämtliche positiven PCR-Test-Ergebnisse der vergangenen 24 Stunden bezögen, Madrid aber nur diagnostizierte Fälle bei der Berechnung der Inzidenz miteinbeziehe, so die Erläuterung von Maria Antònia Font, Generaldirektorin im balearischen Gesundheitsministerium.

Die positiven Befunde auf den Balearen müssten zunächst einmal bereinigt werden. Aufgrund der Datenflut, aber auch wegen fehlerhafter Einträge in die Datenbanken stelle sich teilweise erst mehrere Tage später heraus, dass beispielsweise einige PCR-Tests zu ein und derselben Person gehörten.

Zudem müssten die Ärzte bei ihrer Diagnose strikt genommen 67 nach Madrid zu übermittelnde Datenfelder ausfüllen, was aber in der Praxis so gut wie nie zeitnah und vollständig geschehe. Diese Daten müssten dann nachgeliefert werden. All dies dauere, und deswegen sei auch die ebenfalls von Madrid ausgewiesene 14-Tage-Inzidenz aussagekräftiger als die von den Deutschen bevorzugte 7-Tage-Inzidenz.

Zuvor hatte eine weitere hochraginge Mitarbeiterin des Gesundheitsministeriums gegenüber der MZ von "Informatikfehlern" gesprochen. Die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol hat in einer Rede vor dem Regionalparlament bereits eingeräumt, dass die Corona-Inzidenz auf den Inseln um das Dreifache höher ist als bisher vom spanischen Gesundheitsministerium ins Ausland kommuniziert. „Derzeit registrieren wir im Schnitt 150,1 positive Befunde pro 100.000 Einwohnern, womit wir im spanischen Vergleich an siebter Stelle in den vergangenen sieben Tagen liegen", sagte Armengol am Dienstag. Noch am selben Tag meldete Madrid mit 44,11 erneut eine 7-Tage-Inzidenz von unter 50.

Dass bei den Kriterien, die die Bewegungsfreiheit innerhalb der EU derzeit einschränken, besser auf die 14-Tage-Inzidenz gesetzt werden sollte, in der zumindest die größten Schnitzer durch die Datenanalyse von Experten im Nachhinein ausgemistet worden sind, ist auch Gegenstand eines am 9. September von der EU-Kommission veröffentlichten Vorschlags.

Brüssel setzt auf eine Art Ampelsystem, bei dem neben der Zahl der durchgeführten und der positiven PCR-Tests nicht die 7-, sondern die 14-Tage-Inzidenz entscheidend ist. „Rot" und Beschränkungen des Reiseverkehrs seien demnach angebracht bei einer Inzidenz von mehr als 150 Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen 14 Tagen (oder bei einer 14-Tage-Inzidenz von mehr als 50 und wenn mehr als drei Prozent aller PCR-Tests positiv ausfallen). Am Mittwoch (16.9.) gab Madrid diesen Wert für die Balearen mit 136,15 an.

Dass sich die Bundesregierung bei ihrer Bewertung der Risikogebiete künftig tatsächlich auf die 14-Tage-Inzidenz stützen könnte, dafür gab es am Mittwoch (16.9.) auf MZ-Anfrage beim Auswärtigen Amt keine Hinweise. Und auch auf den Balearen scheint man der Bemühung, Fehler und Staus im Datenfluss so schnell wie möglich zu eliminieren, wenig Vorrang einzuräumen. Die Widersprüche mit den Daten des Madrider Gesundheitsministeriums bestehen fort.

Derweil sind am 15. September neue Regelungen für Reiserückkehrer inkraft getreten. Details lesen Sie hier.

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