Auf Mallorca ließen die Terror-Anschläge auf die USA am 11. September 2001 einen Streit über Baupolitik zur Nebensache geraten. Mitten in die Sitzung, an der der damalige Balearen-Premier Francesc Antich und Inselratspräsidentin Maria Antònia Munar teilnahmen, platzte die Nachricht aus den USA. Die Politiker brachen das Treffen ab und verurteilten die Attentate. Munar sagte außerdem die geplanten Feierlichkeiten zur „Diada de Mallorca" am 12. September ab. Nur die Messe in Palmas Kathedrale fand statt. Vor den Eingang des US-Konsulats in Palma de Mallorca wurden schwer bewaffnete Polizisten gestellt.

Die Insulaner schienen sich allerdings nicht sicher zu sein, wie man angemessen auf die Angriffe der Islamisten und 3.000 Todesopfer reagieren sollte. Ein einheitliches Bild der Trauer gab es nicht. Zu einer Kundgebung vor dem Regierungssitz Consolat de Mar mit Präsident Antich und US-Honorarkonsul Bartomeu Bestard am 14. September kamen nur rund 200 Menschen.

Ob Ballermann oder Fußball: Das Leben ging scheinbar normal weiter

In der Gemeinde Calvià wurde nur Stunden nach den Attentaten der "Tag des Touristen" gefeiert. Eine MZ-Leserin aus Santa Ponça empörte sich über die „Menschenverachtung und Ignoranz" der Organisatoren. Ähnliche Kritik musste der Fußballverband Uefa einstecken, der erst einen Tag später alle ausstehenden Begegnungen absagte. Noch am Tag der Katastrophe spielte Real Mallorca im Stadion Son Moix vor mehr als 20.000 Zuschauern in der Champions League gegen Arsenal London. Etwa zur gleichen Zeit hörten tausende Menschen bei einem besonders besinnlichen Konzert dem Sänger Manu Chao in der Stierkampfarena in Palma zu. Auch viele deutsche Touristen am Ballermann feierten unbekümmert weiter. Der Reiseveranstalter Tui zog sich dagegen als Sponsor eines Beach-Volleyball-Turniers in Santa Ponça zurück.

Nervosität am Flughafen

Am Flughafen in Palma brach Nervosität aus und die Warteschlangen wegen der verstärkten Sicherheitsmaßnahmen wurden sehr lang. Besonders effektiv waren die Kontrollen aber nicht. Ein MZ-Mitarbeiter machte damals die Probe aufs Exempel und passierte am 12. September 2001 ohne Ticket und Ausweis die Schleuse.

Einen Kraftakt vollbrachte am 11. September die Redaktion der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca". Sie informierte die Leser noch am gleichen Tag auf 42 Seiten. Zum Vergleich: Die „Frankfurter Allgemeine" berichtete auf drei Seiten über die Terrorangriffe.  

So erlebten einige Mallorquiner den 11. September und die Tage danach

Wenige Tage nach den Attentaten am 11. September 2001 stand der spanische Geheimdienst CNI in Mustafa Boulharraks Büro bei der Gewerkschaft CCOO im Zentrum von Palma. Offenbar genügten damals seine marokkanische Herkunft und seine Vergangenheit als Regime-Gegner in seiner Heimat für ein Verhör. „Aus ihrer Sicht konnte ich das sogar verstehen“, sagt der 49-jährige Gewerkschaftler und Vorsitzende der marokkanischen Immigranten-Vereinigung Al Maghreb. Viel mehr ärgerte er sich später über die rüde Behandlung des Sicherheitspersonals bei Flügen.

Mustafa Boulharrak vor 10 Jahren. Bendgens

„Am 13. September hatte ich einen Flug nach Madrid. Ich wurde mehr mals durchsucht.“ Noch schlimmer war es wenig später in Málaga. „Als er meinen Namen las, sagte ein Beamter zum anderen: ‚Da ist einer‘ – so, als ob ich Terrorist wäre.“ Die nach dem 11. September gewachsenen Ressentiments gegenüber Moslems hätten aber wieder nachgelassen. „Die spanische Gesellschaft weiß zwischen Terrorismus und Religion zu unterscheiden.“ Boulharrak engagiert sich auf Mallorca für eine bessere Integration der Marokkaner. Er selbst spricht akzentfrei Spanisch und sagt über seine beiden Kinder Adel (16) und Najna (12): „Sie tragen beide Kulturen in sich, haben aber mehr einheimische als marokkanische Freunde.“ Von radikalen Maßnahmen hält er nichts. So sieht er auch das geplante Burka-Verbot

in Sa Pobla kritisch. „Vorher müsste man mal miteinander in Dialog treten und herausfinden, warum die Frauen Burka tragen. Auch der Westen muss auf die Moslems zugehen.“ Boulharraks Frau Malika trägt nicht einmal Kopftuch.  (Der Text von Silke Droll stammt aus der Printausgabe Nr. 592 vom 8. September 2011)

"Der Zusammenhalt in New York ist schön"

Als die Terroristen die Flugzeuge in das World Trade Center lenkten, telefonierte Sheela Gathrights Schwester gerade mit einer Freundin in den Zwillingstürmen. „Sie unterhielten sich über Alltägliches und während sie sprachen, sah meine Schwester von ihrem Büro in Brooklyn aus, wie es passierte. Das Gespräch brach ab und von da fing sie an zu beten“, erzählt die in New York aufgewachsene Jazz-Sängerin aus Biniali. Erst Tage später erfuhr Gathright, dass die Freundin ihrer Schwester überlebt hatte.

Sheela Gathright. Bendgens

In den Stunden nach dem Attentat konnte sie ihre Familie in den USA nicht erreichen. Sie selbst zog vor 25 Jahren nach Europa, lebte viele Jahre in Deutschland und verbrachte von den 90er Jahren an immer mehr Zeit auf Mallorca. Am 11. September 2001 war sie in Palma und hatte Karten für das Konzert von Manu Chao. Trotz des „riesigen Schmerzes“ entschloss sie sich hinzugehen. „Musik kann auch heilen. Es war dann ein ganz besonderes Konzert, alle waren sehr traurig.“ In der Zeit nach den At-

tentaten ärgerte sich Gathright über die „Achse-des-Bösen-“Politik von George W. Bush. „Krieg ist nie die Antwort. Es ist doch klar,

dass das nur ein paar Fanatiker waren.“ Sowieso fühlt sich die Obama-Anhängerin als Weltbürgerin. „Patriotismus ist nicht mein

Ding.“ Trotz allen Leids, das der 11. September 2001 bedeutet, sieht Gathright auch positive Folgen. „Ich habe den Eindruck, dass die Leute in New York danach noch freundlicher und hilfsbereiter geworden sind. Diesen Zusammenhalt finde ich schön.“  (Der Text von Silke Droll stammt aus der Printausgabe Nr. 592 vom 8. September 2011)

Ich hatte Angst um meine Mutter“

In ihrer Schulzeit musste die Amerikanerin Nicole Szulc Ginn (61) das Verhalten bei einem potenziellen Angriff auf die USA trainieren. „Wir gingen immer in den Luftschutzkeller, das fanden wir als Jugendliche cool.“ Doch der Kalte Krieg ging ohne eine direkte Auseinandersetzung der Supermächte zu Ende. Als dann am 11. September Terroristen die USA attackierten, erinnerte sich Szulc an die Schreckensszenarien von früher.

Nicole Szulc Ginn im Jahr 2010. Bendgens

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„Es waren verzweifelte Stunden, wir kannten ja noch nicht die Hintergründe, wussten nur, dass wir angegriffen wurden. Ich fürchtete eine nukleare Explosion.“ Die in New York geborene Journalistin, die seit 2004 mit ihrem britischen Mann bei Pollença lebt, verfolgte die US-Politik aus nächster Nähe. Lange Zeit arbeitete sie als Reporterin für den Sender CNN, bevor sie 1999 als Sprecherin der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) nach Bosnien ging. Die Anschläge 2011 sah sie von Großbritannien aus im Fernsehen. Große Sorgen machte sie sich damals um ihre Mutter.

„Sie lebte in Washington nahe der israelischen Botschaft.“ Erst später erfuhr sie, dass zwei ihrer Bekannten als Passagiere des entführten Flugzeuges, das die Terroristen ins Pentagon lenkten, starben. „Die Frau eines früheren Regierungsmitarbeiters der Clinton-Zeit und eine Fotografin von ‚National Geographic‘.“ Zwei Monate nach den Anschlägen reiste Sculz in die USA und wurde dort Zeugin der veränderten Stimmung. „Bush hatte es geschafft, genügend Hysterie für seine Kriege zu schaffen, Kriege, die er sowieso führen wollte.“ Auch die Feindseligkeiten gegenüber Muslimen beobachtete sie. „Vorher richtete sich Rassismus hauptsächlich gegen Schwarze und Lateinamerikaner.“  (Der Text von Silke Droll stammt aus der Printausgabe Nr. 592 vom 8. September 2011)