Langsam, ganz langsam, findet auf Mallorca ein Umdenken in Sachen Schulweg statt. Stellte bis vor Kurzem kaum jemand infrage, dass Tausende Eltern jeden Morgen ihren Nachwuchs mit dem Auto praktisch bis an die Tür bringen, gibt es inzwischen mehr und mehr Initiativen, die genau das verhindern möchten. Sie trauen den Kindern stattdessen mehr Eigeninitiative zu und wollen gleichzeitig alternative Verkehrsmittel fördern.

Aber es dauert eben alles seine Zeit, wie Alejandra Araya der MZ berichtet. Die Präsidentin der Vereinigung „Vianants Mallorca“ (Fußgänger Mallorca) kämpft mit ihren Mitstreitern dafür, dass das Auto im städtischen Raum zugunsten von Fußgängern und Radfahrern zurückgedrängt wird. „Wir sind auf Mallorca immer noch wahnsinnig abhängig vom Auto, wir sind eine der Regionen in Europa mit der höchsten Fahrzeugdichte.“ Und das gehe auf Kosten der Umwelt und der Sicherheit all der Verkehrsteilnehmer, die keine vier Räder und einen stählernen Kasten um sich herum hätten.

Die Vianants Mallorca haben sich kurz vor Ende des vergangenen Schuljahres im Juni mit der Elternvereinigung FAPA zusammengesetzt und eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die in Zusammenarbeit mit den Gemeinden Projekte für sichere Schulwege auf den Weg bringen will. „20 Elternvereinigungen aus 15 Orten haben sich der Initiative bereits angeschlossen“, sagt Araya. Gemeinsam wollen die Beteiligten Druck auf die Gemeindeverwaltungen ausüben, an einer sicheren Umgebung für die Kinder und Jugendlichen zu arbeiten. Denn häufig liege die Schuld gar nicht bei den Eltern, die ihre Kinder zur Schule fahren. Oft seien die Wege zu gefährlich. „Die nötige Infrastruktur für einen sicheren Schulweg fehlt vielerorts komplett“, so Araya.

Bereits kurz vor Beginn der Corona-Pandemie im Schuljahr 2019/20 hatte etwa Alaró zaghaft damit begonnen, ausgewiesene Schulwege, sogenannte caminos escolares, für die Kinder einzurichten. Zu den Bring- und Abholzeiten werden seither um die beiden Schulen zahlreiche Straßen für den Verkehr gesperrt, man kommt nur noch zu Fuß oder mit dem Rad unmittelbar zum Schulgebäude. Inzwischen ist ein weiterer Ort dazugekommen: In Capdepera wurde im Mai ein sicherer Schulweg eingeweiht. Nach einer Analyse, auf welchen Straßen die meisten Schüler zur Schule kommen, wurden zwei Streckenabschnitte in der Zeit kurz vor und kurz nach Schulbeginn für den motorisierten Verkehr gesperrt. An zwei festgelegten Punkten können Eltern ihre Kinder morgens auf den Weg schicken und nachmittags wieder abholen.

Durchstarten im Oktober

Das ist der Weg, den sich die Arbeitsgruppe aus Vianants und FAPA für viele Gemeinden auf der Insel wünscht, wie der Direktor von FAPA auf Mallorca, Miguel Ángel Guerrero, der MZ erklärt. Zwar habe der Schuljahresstart die Arbeit zunächst kurz unterbrochen. Doch spätestens im Oktober soll die Arbeitsgruppe wieder aktiv werden, um sich zunächst die 15 derzeitigen Mitgliedsgemeinden genauer zu betrachten. Schule für Schule wolle man sich im Detail anschauen, Informationsveranstaltungen für die Eltern und Schüler einberufen und mit den jeweiligen Verantwortlichen in der Gemeinde sprechen, welche Maßnahmen konkret umgesetzt werden können.

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Guerrero geht es dabei nicht nur um einen sicheren Schulweg an sich, sondern auch um eine sichere Umgebung. „Denn was hilft es, wenn der Weg zur Schule verkehrsberuhigt ist, dann aber vor dem Schulgebäude wieder Verkehrschaos herrscht und Autos in zweiter Reihe parken?“, fragt er.

Auch in Palma, so hofft Guerrero, dürfte sich in naher Zukunft vieles zum Besseren wenden. Hier gibt es zwar seit einigen Jahren im Rahmen eines Projekts sichere Schulwege in manchen Stadtteilen. Doch Radfahrer und Fußgänger nutzen sie eher selten. Viele Eltern wüssten gar nicht, dass sie ein solches Projekt vor ihrer Haustür hätten. Aber weil Palmas Stadtverwaltung demnächst einen neuen Plan für nachhaltige Mobilität verabschieden muss, hofft Guerrero darauf, dass die sicheren Schulwege Eingang darin finden. Denn nachhaltig wäre es auf jeden Fall, wenn sich täglich Tausende Autofahrten verhindern ließen.