Mallorca Zeitung

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Rechtsreform in Spanien: Die Marokkaner vom Flughafen-Coup auf Mallorca könnten bald freikommen

Eine geplante spanienweite Reform könnte Auswirkungen auf die Männer haben, die in U-Haft auf Mallorca sitzen

Beamte der Guardia Civil vor dem Flugzeug, das notlanden musste. DM

Gute Nachrichten für die 21 Marokkaner, die nach dem Flughafen-Coup vor fast genau einem Jahr auf Mallorca in U-Haft sitzen. Eine spanienweite Rechtsreform könnte bald dafür sorgen, dass sie das Gefängnis verlassen dürfen. Denn die Männer, die nach der Notlandung eines Flugzeugs am Flughafen von Palma aus der Maschine ausstiegen und flohen, sind wegen des seltenen Tatbestands der sedición angeklagt, zu Deutsch Aufruhr. Ihnen drohen deswegen bis zu 15 Jahre Haft. Und dieser Tatbestand könnte bald nicht mehr existieren.

Die regierenden Parteien PSOE und Podemos Unidas haben vor dem spanischen Kongress beantragt, den Paragraphen der Aufruhr abzuschaffen und durch ein Gesetz gegen schwere öffentliche Unruhen zu ersetzen, mit einer Höchststrafe von fünf Jahren. Ob der Fall der Marokkaner auch als öffentliche Unruhe gelten kann, bleibt abzuwarten. Denn der Vorschlag sieht aktuell vor, jene zu bestrafen, "die mit Gewalt und Einschüchterung oder inmitten einer Menschenmenge die öffentliche Ordnung stören und die Anwendung von Gesetzen verhindern". Die Anklage auf Mallorca hatte bisher vor allem argumentiert, dass nach der Flucht der Migranten drei Stunden lang Chaos am Flughafen herrschte. Doch öffentliche Unruhe verursachten die Männer - zumindest nach dieser Definition - nicht.

Grund für diese Änderung ist natürlich nicht die Anklage gegen die 21 Migranten. Der Hintergrund ist stattdessen viel politischer: Die katalanischen Separatistenführer waren nach dem illegalen Referendum im Jahr 2017 wegen Rebellion und Aufruhr angeklagt worden. 2019 wurden die Politiker deswegen zu bis zu 13 Jahren Haft verurteilt.

Weiterer Gefängnisaufenthalt "offensichtlich ungerecht"

Allein der Unterschied zwischen den verschiedenen Angeklagten – marokkanische Migranten versus katalanische Politiker – zeigt, dass der Strafbestand der Aufruhr sehr frei ausgelegt werden kann. Und das ist einer der Punkte, den Kritiker bemängeln. Der Strafbestand gilt als veraltet. Die Katalanen sahen darin eine politische Waffe des spanischen Staates, die Anwälte der 21 Marokkaner sehen die Anklage ebenfalls als Vorwand. Damit will die Staatsanwaltschaft, so argumentieren die Verteidiger, ihre Mandanten zu längeren Haftstrafen verurteilen, als illegale Einwanderung vorsieht.

Der Flughafen-Coup dominierte im vergangenen Jahr tagelang die Nachrichten. Die Anklage geht davon aus, dass die Migranten die Aktion planten. Sie sollen demnach einen medizinischen Notfall vorgetäuscht haben, um eine Notlandung auf europäischen Boden zu erzwingen. Die Anwälte der Marokkaner sehen in der Anklage wegen Aufruhr vor allem eine Abschreckungsmaßnahme, um weitere solcher Aktionen zu verhindern.

Aufruhr nach dem Luftfahrtgesetz

Neben Aufruhr nach dem Strafrecht, sind die Marokkaner auch wegen Aufruhr nach dem Luftverkehrsgesetz angeklagt, das dafür bis zu drei Jahre Haft vorsieht. Letzterer Punkt dürfte auch nach Abschaffung der sedición im Strafgesetz bestehen bleiben, würde aber ein viel geringeres Strafmaß bedeuten und die lange Untersuchungshaft damit nicht rechtfertigen. Der Anwalt Bartolomé Vidal, der einen der Migranten vertritt, hat bereits einen Antrag eingereicht, seinen Mandanten freizulassen. Er argumentiert, dass die Abschaffung des Strafbestands der Aufruhr nur eine Frage der Zeit sei. "Den Gefängnisaufenthalt meines Mandanten zu verlängern, ist daher offensichtlich ungerecht." /mwp

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