So kam es im Schatten der Burg von Capdepera zur ungewöhnlichsten Koalition auf Mallorca

In der Gemeinde regiert nun eine Koalition aus der Volkspartei (PP) und den Linksökologen von Més per Mallorca. Deren Ortsgruppe droht deshalb nun der Ausschluss aus der Partei

Besucher auf der Burg von Capdepera.

Besucher auf der Burg von Capdepera. / Biel Capó

Alexandra Wilms

Alexandra Wilms

Es scheint fast wie ein Wunder, dass die Festung von Capdepera ob der Erschütterungen in dem ansonsten eher beschaulichen Örtchen noch steht. Denn es geht hoch her in der Gemeinde, zu der auch Cala Ratjada, Cala Mesquida, Canyamel und Font de sa Cala gehören. Da tritt ein Urgestein der linksökologischen Regionalpartei Més per Mallorca per öffentlichem Brandbrief aus der Partei aus, da skandiert der ehemalige sozialistische Bürgermeister „¡Tránsfugas!“ (Überläufer!) und verlässt den Sitzungssaal des Gemeinderates, da droht dem Ortsverband von Més der Ausschluss aus der Partei – und alles nur wegen einer Koalition, die es so auf lokaler Ebene auch schon zuvor gegeben hat.

Es sind die Nachwehen der Gemeinderatswahlen, die im Mai 2023 eine ungewöhnliche Pattsituation ergeben hatten. Der bisherige Bürgermeister Rafael Fernández verlor deutlich, seine Sozialisten (PSOE) bekamen statt acht nur noch fünf Sitze im Gemeinderat – exakt so viele wie auch jeweils PP und Més per Mallorca. Die politisch einleuchtende Koalition zwischen den Sozialisten und Més – die auf Landesebene in den vergangenen acht Jahre gemeinsam regiert hatten – kam in Capdepera nicht zustande.

Das lag wohl vor allem an dem bisherigen Bürgermeister: „Seine Art, Politik zu machen, ist nicht mit der unseren vereinbar“, sagt Núria Garcia, die als Spitzenkandidatin von Més angetreten war. Zudem habe man im Wahlkampf explizit einen Wandel in der Lokalpolitik gefordert – und der sei mit Rafael Fernández, der das Bürgermeisteramt bereits zwölf Jahre lang innehatte, unmöglich gewesen.

„Da war kein Feeling“

Auch die Wahlsiegerin Mireia Ferrer, deren PP mit 1.181 Stimmen als meistgewählte Partei aus den Wahlen hervorging, wollte nicht mit Fernández koalieren: „Wir haben uns mit allen Parteien zu Gesprächen getroffen, aber es war von Anfang an klar, dass es mit der PSOE nicht klappt. Da war einfach kein Feeling“, sagt die 27-Jährige. Da auch Més zunächst nicht mit der PP regieren wollte, wurde Ferrer im Juni Bürgermeisterin einer Minderheitsregierung.

Zwar habe sie mit dem Gedanken gespielt, diese beizubehalten, sagt Ferrer. „Aber bei einer Gemeinde von der Größe Capdeperas ist es nicht möglich, ein Rathaus mit nur fünf Gemeinderäten zu führen.“ Zu dieser Einsicht kamen auch die örtlichen Més-Vertreter, die Verhandlungen wurden nach dem Sommer wieder aufgenommen. Doch das stieß bei der Führungsspitze der Regionalpartei in Palma auf energischen Widerstand. Denn dort gilt derzeit die Ansage: keine Koalition mit der PP, ganz egal auf welcher Ebene.

Die Angelegenheit habe ihn viele Tage lang „den Schlaf und das Lachen“ gekostet, so der Més-Vorsitzende Lluís Apesteguia. Drei Mal sei er mit anderen Mitgliedern des Parteivorstands nach Capdepera gefahren, um mit dem Ortsverband zu diskutieren. Bis zu 40 Personen seien zu den Treffen erschienen. Zwar könne er nachvollziehen, dass auf lokaler Ebene manchmal eine andere Dynamik vorherrsche, doch die Linie der Partei stünde nun einmal fest: Solange die PP mit Vox zusammenarbeite und somit die Politik der extremen Rechten salonfähig mache, könne man mit den Konservativen nicht regieren – auch nicht auf lokaler Ebene.

Die Fronten verhärteten sich: 96 Prozent der Ortsgruppe unterstützten die Koalition in Capdepera, 100 Prozent des Parteivorstands in Palma waren dagegen.

Das Zerwürfnis führte gar zum Parteiaustritt des Urgesteins Pere Fuster. „Wir hatten im Wahlkampf gesagt, dass wir für einen Wandel der Politik in der Gemeinde antreten. Deswegen konnten wir nicht mit den Sozialisten von Fernández regieren.“ Da der ehemalige Bürgermeister es ablehnte, sich zurückzuziehen und so den Weg für eine Linkskoalition unter neuer sozialistischer Führung frei zu machen, seien die Verhandlungen eben mit der PP weitergeführt worden.

Trotz der Tatsache, dass die Konservativen praktisch alle Punkte des lokalen Més-Programms mittragen wollte, blieb die Führung in Palma bei ihrem Nein. Die Bevormundung aus der Inselhauptstadt inklusive „Drohungen“ habe er als „unangebracht, empathielos und absurd“ empfunden, so Fuster, der nach dem zweiten ergebnislosen Besuch einer Abordnung der Parteispitze „sehr verletzt“ nach über 15 Jahren seinen Parteiaustritt verkündete.

Der deutschstämmige Yannik Wilken, seit Mai neues Més-Ratsmitglied von Capdepera, ist hin- und hergerissen. „Ich war überrascht, dass der Vorstand das einfach ohne jegliche Diskussion abgelehnt hat. Natürlich verstehe ich, dass es der derzeitigen Ideologie nicht entspricht, aber für uns geht das Wohl der Gemeinde vor.“ Und das hat laut Núria Garcia, die gemäß dem am 23. Oktober unterzeichneten Regierungspakt zwischen Més und PP ab November 2025 das Bürgermeisteramt von Mireia Ferrer übernehmen wird, unter Rafael Fernández schwer gelitten.

„Er hat alles privatisiert, was man nur privatisieren kann.“ Der Gemeindebauhof beispielsweise sei von 25 auf sieben Mitarbeiter geschrumpft worden, auch in der Burg und den Touristeninformationen fehle es mittlerweile hinten und vorne an Personal. Der Koalitionsvertrag mit der PP sieht denn auch eine Aufstockung dieser kommunalen Arbeiter vor.

Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien, mehr Fahrradwegen und einem besseren Schutz des Naturparks Llevant steht im Regierungspakt von Capdepera unter anderem auch ausdrücklich die Beibehaltung des Katalanischen als Amts- und Regierungssprache niedergeschrieben. Man sollte meinen, dass ein solches Programm eher die Balearen-PP störe als Més.

Die Parteispitze bleibt hart

Doch Apesteguia und sein Vorstand bleiben hart. Die fünf Gemeinderäte haben sich explizit den Anordnungen der Parteispitze widersetzt, den Pakt nicht als Mitglieder von Més per Mallorca, sondern nur als fraktionslose Gruppierung zu unterschreiben. Gegen ihren drohenden Ausschluss haben die fünf nun Widerspruch beim parteiinternen Schiedsgericht eingelegt. Bis Ende November müssen die Mitglieder dieses Gremiums nun entscheiden, ob in Capdepera weiterhin Més per Mallorca mitregiert – oder ob die fünf Politiker ausgeschlossen werden. Dann müssten sie bis zu den nächsten Wahlen eine neue Partei gründen, um wieder antreten zu können.

Noch will sich keiner der Beteiligten mit der Frage beschäftigen, ob die fünf aus Capdepera dann tatsächlich tránsfugas, also abtrünnige Überläufer wären, wie Ex-Bürgermeister Rafael Fernández sie bei seinem inszenierten Abgang aus der Ratssitzung am vergangenen Montag mehrfach bezeichnete. „Noch ist nichts entschieden. Und die PSOE ist nicht in der Position, hier Lektionen zu erteilen. Die sollen sich um ihre eigenen Probleme kümmern“, sagt Lluís Apesteguia.

Abonnieren, um zu lesen