Schlüsselspieler Puigdemont: So laufen die Verhandlungen um die Regierungsbildung in Spanien
Im Ringen um eine Mehrheit zur Regierungsbildung hat sich jetzt erstmals Separatisten-Führer Carles Puigdemont zu Wort gemeldet. Die Sozialisten zeigen sich vorsichtig optimistisch
Es war in letzter Zeit ziemlich ruhig geworden um Carles Puigdemont. Seit der frühere Ministerpräsident Kataloniens sich nach dem illegalen Referendum und der Unabhängigkeitserklärung 2017 vor der spanischen Justiz nach Belgien geflüchtet war, machte der Separatistenführer eher mit den juristischen Fügungen um seine geforderte Auslieferung nach Spanien und die Immunität als Abgeordneter des Europaparlaments Schlagzeilen. Politisch spielte seine Partei Junts in Spanien in den vergangenen Jahren kaum eine Rolle.
Doch das hat sich mit den vorgezogenen Parlamentswahlen vom 23. Juli schlagartig geändert. Die sieben Abgeordneten von Junts sind in der verzwickten politischen Arithmetik unverzichtbar für die Bildung einer Regierung. Puigdemont in seinem selbst erwählten Exil im belgischen Waterloo wird nun wieder umworben. Am Montag (4.9.) stattet die geschäftsführende Arbeitsministerin Yolanda Díaz dem Politiker, gegen den in Spanien weiterhin ein Haftbefehl vorliegt, einen Besuch in Brüssel ab. Die stellvertretende Ministerpräsidentin unterstrich, dass sie in ihrer Eigenschaft als Führerin der Linkskoalition Sumar unterwegs war. Doch ging es offensichtlich darum, das Terrain für eine mögliche Unterstützung von Junts für eine Neuauflage der Linksregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez auszuloten.
"Respekt für die Unabhängigkeitsbewegung"
Am Tag darauf führte Puigdemont in einem Saal des Europaparlaments seine Bedingungen für die Wahl einer neuen Regierung aus. Als Erstes forderte er „Respekt für die demokratische Legitimität der Unabhängigkeitsbewegung“. Diese wird den Separatisten vor allem von den rechten Parteien und Medien verweigert, während progressive Kräfte anerkennen, dass man innerhalb der Verfassung und der demokratischen Spielregeln auch für die Abspaltung von Spanien eintreten kann. Zweitens verlangt Puigdemont einen „Mechanismus zur Vermittlung“, also unabhängige Schiedsrichter für die Verhandlungen, da der Separatistenführer der Zentralregierung nach eigenen Worten nicht über den Weg traut.
Der entscheidende Punkt ist die Forderung nach einer Amnestie für die Beteiligten am Referendum von 2017. Während die Sánchez-Regierung die verurteilten Anführer begnadigte, drohen Hunderten Aktivisten, Bürgermeistern und weiteren Politkern noch immer Strafen. Puigdemont sprach in Brüssel von „der vollständigen und effektiven Abkehr der juristischen Verfolgung der Unabhängigkeitsbewegung“. Die Regierung schließt eine solche Maßnahme, die sie bis vor Kurzem noch kategorisch abgelehnt hatte, nicht mehr aus. Politiker und Juristen debattieren darüber, ob eine Generalamnestie verfassungskonform sein könne. Puigdemont bestand darauf, dass der Rahmen der Verhandlungen nicht die Verfassungsregeln sein sollten, sondern die internationalen Verträge für Menschenrechte. „Wir reden hier nicht über Flickzeug, um die Legislaturperiode zu ermöglichen und den Rechten den Weg zu verbauen“, warnte der Katalane: „Wir reden davon, dass, sollte es zu einem Abkommen kommen, dieses ein historischen Abkommen sein muss.“
Angebot an die Konservativen
Der Auftritt des Separatistenführers in Brüssel hat ein ganz unterschiedliches Echo ausgelöst. Puigdemont richtete sein Angebot offiziell an beide Aspiranten auf den Posten des Ministerpräsidenten, sowohl den Sozialisten Sánchez als auch den Konservativen Alberto Núñez Feijóo. Der Vorsitzende der Volkspartei (PP) stellt sich Ende September im Unterhaus zur Wahl, hat aber nicht die nötige Mehrheit der Stimmen beisammen. Der Oppositionsführer reagierte prompt auf die Rede Puigdemonts. Sollte die Bedingung für die Unterstützung durch Junts eine Amnestie sein, könne man sich ein Treffen gleich sparen. Núñez Feijóo hatte sich jedoch zuvor für Gespräche mit den Separatisten bereit gezeigt, was im konservativen Lager viele irritierte.
Die amtierende Linksregierung hielt sich mit Kommentaren zur Rede Puigdemonts bedeckt. Doch hinter den Kulissen war man vorsichtig optimistisch, was die Chancen auf eine Wiederwahl von Sánchez angeht. Denn der Katalane wählte anders als gewohnt einen versöhnlichen und teils konstruktiven Ton. Das Hauptanliegen der Separatisten, nämlich ein reguläres und verbindliches Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens, ließ der Separatist erst einmal außen vor. Die Frage solle zu einem späteren Zeitpunkt geklärt werden. Auch Sánchez hatte in einer Rede am Montag einen rhetorischen Schritt auf die Nationalisten zugetan. „Wir müssen weiter das Zusammenleben zwischen den Territorien und den Personen hüten, indem wir die Plurinationalität Spaniens verteidigen und die Vergangenheit der Schützengräben und Barrikaden hinter uns lassen“, erklärte der Premier.
Das sagen die Basken
Auch die baskischen Nationalisten, deren Abgeordnete im Unterhaus ebenfalls für die Regierungsbildung erforderlich sind, meldeten sich zu Wort. In einem viel kommentierten Beitrag in der Zeitung „El País“ stellte der Ministerpräsident des Baskenlandes, Iñigo Urkullu von der konservativen PNV, seinen Plan zur Bewältigung des Konflikts vor. Ein nicht weiter definierter „Konvent“ solle die Möglichkeiten der Weiterentwicklung der Autonomierechte der „historischen Nationalitäten“ innerhalb der Verfassung ausarbeiten, um einen „wesentlichen, positiven Fortschritt hin zu einem plurinationalen Staat zu ermöglichen“.
Sollte Núñez Feijóo wie erwartet im Unterhaus scheitern, bliebe Sánchez Zeit bis zum 27. November, um die Nationalisten hinter sich zu bringen.
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