Die PP stößt auf taube Ohren: Die verzwickte Situation nach den Wahlen in Spanien

Regierungsbildung: Wahlsieger Alberto Núñez Feijóo und Sozialist Pedro Sánchez in aussichtsloser Lage

Bei der Fernsehdebatte zwischen Alberto Nuñez Feijoo (re.) und Pedro Sánchez.

Bei der Fernsehdebatte zwischen Alberto Nuñez Feijoo (re.) und Pedro Sánchez. / Juan Medina/Reuters

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Nach dem Wahlkampflärm vor den vorgezogenen Parlamentswahlen vom 23. Juli ist mit Beginn des August plötzlich Stille im Politikbetrieb eingetreten. Es ist erst einmal Urlaub. Am Montag (31.7.), dem ersten Tag, an dem die neu gewählten Volksvertreter ihre Akkreditierung und die beliebte lederne Abgeordnetentasche abholen konnten, erschienen gerade einmal zwei der 350 Parlamentarier im Unterhaus. Die beiden Spitzenkandidaten, Ministerpräsident Pedro Sánchez von den Sozialisten (PSOE) und der Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo von der konservativen Volkspartei (PP), sind weitgehend von der Bildfläche verschwunden.

Es wird hinter vorgehaltener Hand gesprochen

Hinter den Kulissen laufen jedoch Bemühungen zur Regierungsbildung, die sich durch die Patt-Situation äußerst kompliziert gestaltet. Núñez Feijóo traf den Führer der rechtsextremen Vox, Santiago Abascal, zu einem diskreten Essen in Madrid, wie später durchsickerte. Der PP-Chef lud zudem Sánchez in einem Brief zu einem Treffen ein und argumentierte erneut, dass die PP als Partei mit den meisten Stimmen und Sitzen ein Vorrecht auf die Regierung habe. Der Sozialist verwies in seiner ebenfalls schriftlichen Antwort darauf, dass man sich erst nach dem 17. August, wenn das Unterhaus neu zusammentritt, im Rahmen der Konsultationen der Parteien sehen könne. Es gilt jedoch als ausgeschlossen, dass Sánchez zugunsten seines Widersachers auf sein Amt verzichten wird. Der Regierungschef verabschiedete sich erst einmal in den Urlaub nach Marokko.

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez.

Pedro Sánchez von den Sozialisten (PSOE). / EP

Die Lage für die PP ist aussichtslos, auch wenn die Auszählung der Auslandsstimmen der Partei einen zusätzlichen Sitz auf Kosten der PSOE einbrachte. Mit Vox und der Regionalpartei UPN aus Navarra kommt Núñez Feijóo auf 171 Stimmen im Unterhaus, fünf weniger als die absolute Mehrheit. Die konservativen baskischen Nationalisten der PNV erklärten bereits, dass sie sich mit der PP nicht einmal an einen Verhandlungstisch setzen wollen. Das gilt erst recht für die katalanischen Separatisten. Der Spagat geht für die PP nicht auf, da Vox die Nationalisten zum Hauptfeind erklärt hat und den Föderalismus ganz abschaffen will.

Jede Verhandlung hat ihren Preis

Nun liegt es an Sánchez, die Unterstützung aller politischen Kräfte im Parlament, außer PP, Vox und UPN, für seine Wiederwahl zu gewinnen. Der Verlust eines Sitzes durch die Auslandsstimmen macht die Sache etwas komplizierter. Vorher hätte dem Linksblock eine Enthaltung der katalanischen Separatisten von Junts genügt. Die Partei des früheren katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont sträubt sich dagegen, mit ihren sieben Stimmen die Wahl der Regierung Spaniens zu ermöglichen. Allerdings hat Junts noch nichts ausgeschlossen. Der Preis für die Unterstützung dürfte hoch ausfallen. Ein bindendes Referendum zur Unabhängigkeit Kataloniens, wie es die Separatisten fordern, ist für die Sozialisten zwar undenkbar. Aber im Rahmen der Kompetenzen der Autonomien und der Finanzierung sieht Sánchez Spielraum für Verhandlungen.

Hoffnungen für den zweiten Wahlgang

Eine zentrale Rolle kommt auch der einzigen Abgeordneten der kanarischen Regionalpartei Coalición Canaria (CC) zu. Cristina Valido erklärte, für alles offen zu sein. Sollte Sánchez CC für ein Ja gewinnen können, würde erneut eine Enthaltung von Junts ausreichen. Denn im zweiten Wahlgang genügt eine einfache Mehrheit. Sánchez und sein Lager – einschließlich CC – hätten dann 172 Stimmen gegenüber 171 von Núñez Feijóo.

Die verzwickte Ausgangslage im Unterhaus wirft auch die Frage nach der Funktion von König Felipe VI. auf, der gerade mit seiner Familie zum traditionellen Sommerurlaub auf Mallorca weilt.

Felipe VI. empfängt die Präsidentin der Balearen, Marga Prohens, zu einer Audienz

Felipe VI. empfängt die Präsidentin der Balearen, Marga Prohens, zu einer Audienz. / Ballesteros

Verfassungsexperten debattieren über die Interpretation der Kompetenzen des Staatsoberhaupts im Prozess der Regierungsbildung. Diese sind in der Verfassung nicht ganz klar definiert. Der Artikel 99 besagt, dass der Monarch „nach Konsultation mit den von den politischen Gruppen im Parlament designierten Repräsentanten einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vorschlägt“. Das war lange Zeit eine reine Formsache, da aufgrund der Vormachtstellung von Sozialisten und Konservativen bei den Wahlen immer recht klare Verhältnisse herauskamen. Doch mit dem Ende des Zweiparteiensystems ist die politische Landschaft komplexer geworden. Wen soll Felipe VI. nun ins Rennen schicken?

Der Stichtag rückt näher

Die Experten sind sich darin einig, dass es nicht automatisch der Kandidat mit den meisten Stimmen und Sitzen sein muss. Klar ist auch, dass der Monarch nach einer nicht klar definierten Bedenkzeit jemanden vorschlagen muss, selbst wenn dieser keine Chance auf Erfolg hat. Denn mit der ersten Abstimmung zur Amtseinführung beginnt automatisch die Frist von zwei Monaten bis zur automatischen Auflösung des Parlaments und der Einberufung von Neuwahlen. Die könnten dann kurz vor Weihnachten stattfinden.

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