Wiedereinstieg des spanischen Staats bei Telefónica - was dahinter steckt

Der Telekomriese als politischer Spielball? Kurz vor dem 100. Geburtstag des Konzerns reagiert die spanische Regierung auf den Einstieg der Saudis

Szene aus „La Mesías“: Telefónica mischt mit Movistar Plus kräftig im Markt der Streamingdienste mit. 

Szene aus „La Mesías“: Telefónica mischt mit Movistar Plus kräftig im Markt der Streamingdienste mit.  / Movistar

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Telefónica feiert 2024 ihr hundertjähriges Firmenbestehen. Der ehemalige spanische Staatsmonopolist der Telekommunikation blickt auf eine bewegte Geschichte zurück, mit mehreren Eigentümerwechseln. Das jüngste Kapitel ist der Wiedereinstieg des Staates – gut ein Vierteljahrhundert seit der kompletten Privatisierung von Telefónica.

Die Linksregierung beschloss auf der wöchentlichen Kabinettssitzung am Dienstag (19.12.), dass die staatliche Industrieholding SEPI zehn Prozent der Anteile des Telekomriesen erwerben soll, was den Steuerzahler geschätzt um die zwei Milliarden Euro kosten wird. Die Koalition aus Sozialisten (PSOE) und Linksbündnis Sumar will Telefónica mit diesem Schritt „Stabilität im Aktionärskreis“ verschaffen. Es handelt sich jedoch ganz klar um eine Abwehrreaktion gegen Saudi Telecom Company (STC), die ebenfalls einen Anteil von knapp zehn Prozent des Kapitals anstrebt.

Einstieg der Saudis

Im September hatte das staatliche Unternehmen aus Saudi-Arabien angekündigt, dass man einen direkten Anteil von 4,9 Prozent der Telefónica-Aktien sowie weitere fünf Prozent indirekt über Derivate erworben hatte. Die Regierung und der Telefónica-Vorstand waren von dem Einstieg der Saudis völlig überrascht worden und spekulierten über die Motive der Investoren aus dem Wüstenstaat. Den Vorsitzenden von Telefónica, José María Álvarez-Pallete, erreichte die Nachricht während einer Geschäftsreise in den USA. Besonders groß war die Skepsis in der Politik. Wirtschaftsministerin Nadia Calviño äußerte Bedenken angesichts der eigentlichen Ziele von STC. Um die Beteiligung über die bisherigen 4,9 Prozent auf 9,9 Prozent auszubauen, benötigen die Saudis die Genehmigung der Regierung, da Telefónica eine strategisch wichtige Funktion zukommt. Den Antrag hat STC noch nicht gestellt. Seit Wochen wurde derweil über den Einstieg des Staates als Gegenreaktion spekuliert, was nun tatsächlich der Fall ist.

Das Thema ist heikel. Die konservative Opposition wirft der Regierung „Interventionismus“ vor und unterstellt den Linken die Absicht, den Privatsektor aushöhlen zu wollen. Beim kleinen Koalitionspartner Sumar denkt man in der Tat offen über eine Verstaatlichung in vielen Bereichen wie dem Energiesektor nach. Calviño kennt dagegen das Risiko, dass eine staatliche Beteiligung an einem Konzern wie Telefónica Investoren im Ausland abschrecken kann. Die Entscheidung wurde begründet mit der „entscheidende Relevanz für die Wirtschaft, die Produktion, Forschung, Sicherheit, Verteidigung und letztlich den Wohlstand der Gesellschaft“, wie es in einer Pflichtmitteilung an die Börsenaufsicht CNMV heißt.

Die Staatsholding SEPI mit ihren zehn Prozent soll zusammen mit den beiden Langzeitaktionären, den Banken BBVA und Caixabank, die jeweils 4,9 und sechs Prozent der Anteile besitzen, einen harten spanischen Kern bei Telefónica bilden, der den drohenden Einfluss der Saudis neutralisiert.

Sowohl die spanische Regierung, als auch der Telefónica-Vorstand erfuhren erst unmittelbar vor Bekanntgabe der Operation vom Einstieg der Araber.  | FOTO: EFE/TELEFÓNICA

Sowohl die spanische Regierung, als auch der Telefónica-Vorstand erfuhren erst unmittelbar vor Bekanntgabe der Operation vom Einstieg der Araber. | FOTO: EFE/TELEFÓNICA / Aus Madrid berichtet Thilo Schäfer

Wie alles begann

Es ist nicht das erste Mal in den hundert Jahren, dass Telefónica zum politischen Spielball wird. Gegründet wurde das Unternehmen am 19. April 1924 zur Zeit der Diktatur von Miguel Primo de Rivera unter König Alfonso XIII. Der Stammsitz an der Gran Vía von Madrid ist bis heute eines der bekanntesten Hochhäuser Spaniens. Hauptaktionär war zu Beginn die US-amerikanische ITT. Nach dem Bürgerkrieg verstaatlichte Diktator Franco den Telefonmonopolisten mit dem Erwerb von fast 80 Prozent der Anteile.

In den 1980er-Jahren dann begann in Spanien, nach dem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft, die große Privatisierungswelle. Unter dem sozialistischen Ministerpräsidenten Felipe González wurden erste Aktienpakete der Telefonfirma verkauft. Dessen konservativer Nachfolger José María Aznar vollzog 1997 die komplette Privatisierung von Telefónica. Allerdings hatte er zuvor noch seinen Schulfreund Juan Villalonga an der Spitze des Konzerns platziert. Dieser führte jahrelang einen Krieg um Fernsehrechte gegen den Medienkonzern Prisa, Herausgeber der Zeitung „El País“ und Eigentümer des Radiosenders Cadena SER, der den Sozialisten nahesteht. Auf Villalonga folgte mit César Alierta ein weiterer Konzernchef aus dem Umfeld der Konservativen. In der Amtszeit von José María Álvarez-Pallete ab 2016 hat sich Telefónica von der Politik weitgehend emanzipiert. Mit dem Einstieg der SEPI wird der Staat absehbar mit zwei Vertretern am Tisch des 15-köpfigen Verwaltungsrates Platz nehmen.

Der Staat als Teilhaber

Neben Telefónica trennte sich die SEPI Ende des vergangenen Jahrhunderts auch von Beteiligungen an anderen Großunternehmen in strategischen Bereichen wie dem Erdölkonzern Repsol, der Fluglinie Iberia oder der Bank Argentaria, die in BBVA aufging. Die Liste der Unternehmen unter der Fuchtel der SEPI ist heute immer noch lang, sie reicht vom Technologiekonzern Indra über die Post (Correos), bis hin zum Schiffbauer Navantia oder der Bergbaufirma Hunosa.

Besonders umstritten war die Privatisierung des Energieversorgers Endesa. Dieser landete schließlich in den Händen des Konkurrenten Enel, der heute noch vom italienischen Staat kontrolliert wird. Die üppigen Gewinne von Endesa durch die Explosion der Strompreise kommen also in Form von Dividenden dem Finanzministerium in Rom zugute und nicht dem spanischen Staatssäckel. Das Argument der Privatisierungsverfechter, wonach der Staat kein guter Manager sei, zieht natürlich nicht, wenn die Kontrolle von einem öffentlichen Hauptaktionär zu dem eines anderen Landes wechselt. Telefónica soll dieses Schicksal nun offenbar erspart bleiben.

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