Einstieg der Saudis beim spanischen Konzern Teléfonica - was dahinter steckt

Die diskrete Operation lässt in Spanien die Alarmglocken läuten – aus mehreren Gründen. Dabei hat man Erfahrung mit Investoren aus dem Nahen Osten

Sowohl die spanische Regierung, als auch der Telefónica-Vorstand erfuhren erst unmittelbar vor Bekanntgabe der Operation vom Einstieg der Araber.  | FOTO: EFE/TELEFÓNICA

Sowohl die spanische Regierung, als auch der Telefónica-Vorstand erfuhren erst unmittelbar vor Bekanntgabe der Operation vom Einstieg der Araber. | FOTO: EFE/TELEFÓNICA / Aus Madrid berichtet Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

In Zeiten der wirtschaftlichen Unsicherheit ist eine große Investition aus dem Ausland in der Regel willkommen. Der überraschende Einstieg Saudi-Arabiens bei Spaniens führendem Telekommunikationskonzern Telefónica hat zwar Anleger und Analysten gefreut. In der Politik und in weiten Teilen der Gesellschaft stößt die Operation jedoch auf Skepsis und Ablehnung. Die geschäftsführende Linksregierung prüft, ob sie den gesetzlichen Schutzschild gegen unerwünschte Übernahmen der heimischen Unternehmen anwendet.

Am Dienstagabend (5.9.) nach Börsenschluss ging bei der Madrider Marktaufsicht CNMV die Pflichtmitteilung ein, in der Saudi Telecom Company (STC) erklärte, dass man direkt und indirekt 9,9 Prozent der Anteile an Telefónica erworben habe. Das macht den saudischen Konzern, der zu 64 Prozent dem Staat, also dem Königshaus gehört, auf einen Schlag zum größten Aktionär des früheren staatlichen Telefonunternehmens, noch vor den heimischen Banken BBVA und Caixabank oder dem US-Fonds Blackrock. Der Preis von 2,1 Milliarden Euro entspricht in etwa dem aktuellen Börsenwert von Telefónica.

Große Bedenken

STC beteuerte in der Mitteilung, dass es sich um eine „freundliche Annäherung“ handele. Man beabsichtige weder, den Anteil zu erhöhen, noch die Kontrolle übernehmen zu wollen. Das Management um den Vorsitzenden José María Álvarez-Pallete und dessen Strategie wurden ausdrücklich gelobt. Doch damit sind die Zweifel nicht beseitigt. Zum einen stößt die Investition wegen der hinlänglich bekannten Menschenrechtsverletzungen und der Diskriminierung von Frauen in dem Wüstenstaat auf. Zum anderen gibt es Sicherheitsbedenken. Denn Telefónica hat das größte Netz des Landes und ist ein wichtiger Zulieferer des Verteidigungsministeriums.

Yolanda Díaz: Der Name ihrer Linkspartei „Sumar“ heißt übersetzt „addieren“ oder „summieren“.  | FOTO: E. BRIONES

Yolanda Díaz: Der Name ihrer Linkspartei „Sumar“ heißt übersetzt „addieren“ oder „summieren“. | FOTO: E. BRIONES / Tom Gebhardt

„Ich werde alles dafür tun, damit diese Operation nicht vollzogen wird“, erklärte Arbeitsministerin Yolanda Díaz, die Führerin des Linksbündnisses Sumar. Die Daten seien das Erdöl des 21. Jahrhunderts, Telefónica daher ein strategisch wichtiger Konzern, so die zweite Stellvertreterin von Premier Pedro Sánchez. Verteidigungsministerin Margarita Robles verwies auf die Rolle von Telefónica für die Landesverteidigung. Wirtschaftsministerin Nadia Calviño von den Sozialisten äußerte sich etwas zurückhaltender. Man wolle prüfen lassen, ob man den Deal stoppen oder zumindest Auflagen beschließe. Während der Pandemie hatten viele Länder in Europa ähnliche Schutzschilder eingeführt, um zu verhindern, dass wichtige Konzerne durch den Kursverfall an der Börse von ungewünschten Käufern aus dem Ausland übernommen werden.

Heimlich, still und leise

Die Art und Weise, wie die Saudis die Operation eingefädelt haben, wirft Fragen auf. Die US-Bank Morgan Stanley kaufte über Monate still und leise Aktien von Telefónica im Namen einer Tochtergesellschaft von STC in Luxemburg. Man besitzt nun 4,9 Prozent der Aktien direkt und weitere fünf Prozent in Form von Derivaten, die in stimmberechtigte Aktien umgewandelt werden können. Dieses Design ist kein Zufall. Der Schutzschild sieht vor, dass Spanien Aktienkäufe ab zehn Prozent des Kapitals genehmigen muss. Bei strategisch bedeutenden Unternehmen wie Telefónica, sinkt die Hürde auf fünf Prozent. Die 4,9 Prozent der Saudis liegen also knapp darunter. Sie benötigen allerdings die Zustimmung aus Madrid, um den Anteil auf 9,9 Prozent auszubauen.

Ebenfalls auffällig ist der Umstand, dass sowohl die Regierung als auch der Telefónica-Vorstand erst unmittelbar vor Bekanntgabe der Operation informiert wurden. Álvarez-Pallete erreichte die Nachricht auf einer Reise in Kalifornien. Er machte sich umgehend nach Riad auf, um die Absichten des neuen Großaktionärs kennenzulernen.

Weitere Investitionen der Saudis

Wird Telefónica, einer der internationalen Großkonzerne Spaniens, bald von Saudis geführt? Experten verweisen auf den Fall des britischen Mitbewerbers Vodafone. Dort stieg 2020 Etisalat aus den Vereinigten Arabischen Emiraten ein, ebenfalls mit dem Versprechen, dass man sich nicht ins Management einmischen wolle. Doch dann stürzte Etisalat mit anderen Aktionären den Vorstand und trat in den Aufsichtsrat ein.

Spanien hat Erfahrung mit Investoren aus dem Nahen Osten. Der Energieriese Iberdrola gehört zu fast neun Prozent dem Staatsfonds QIA aus Katar. Ein Staatsfonds aus den Emiraten kontrolliert den Ölkonzern Cepsa. Auch die Kaufhauskette El Corte Inglés oder die mallorquinische Hotelkette Meliá arbeiten mit Investoren der Arabischen Halbinsel zusammen. Wirtschaftsministerin Calviño warnte daher davor, potenzielle Großinvestoren aus dem nichteuropäischen Ausland zu verschrecken. „Spanien ist ein seriöses Land“, betonte sie auf dem Treffen der G-20-Staaten am Wochenende in Indien. Kritiker spekulieren schon, dass die Regierung auf einen Milliardenauftrag der Saudis an die Reederei Navantia schielt, die den Bau von fünf Kriegsschiffen verhandelt.

Als der wegen der Kuss-Affäre gerade zurückgetretene Präsident des spanischen Fußballverbandes, Javier Rubiales, den jährlichen Superpokal nach Saudi-Arabien verkaufte, gab es Naserümpfen, aber keinen großen Widerstand. Telefónica wird nun zum Testfall, wie weit man den wirtschaftlichen Einfluss aus dem Golf zulassen will.

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