„Es war ein enges Stadion. Die Spieler spürten unseren Atem im Nacken. Die Schreie der Fans waren so ohrenbetäubend, dass man die Pfeife des Schiedsrichters nicht hören konnte. Die Gegner haben sich aus Angst in die Hosen gemacht, als sie den Anhang von Real Mallorca gesehen haben, der wie eine Wand hinter dem Team stand.“ Das schrieb Real-Mallorca-Ehrenmitglied Jaume Piña in einem Zeitungsartikel von 2012.

Zwei Eingangstore sind die einzigen Überbleibsel des Stadions. | FOTO: GUILLEM BOSCH

Das Stadion von Real Mallorca als Hexenkessel, das ist heute kaum noch vorstellbar. „Wir hätten nie nach Son Moix ziehen dürfen. Dort ist es viel zu steril“, meint Tommy M. Jaume. Der Journalist hat der alten Heimat des Inselclubs das im Dezember erschienene Buch „Memoria del Sitjar“ gewidmet. Das einstige Stadion Lluis Sitjar war vergangene Woche in aller Munde, da bei einem Treffen des Rathauses mit dem Eigentümerverband am Donnerstag (10.3.) eine Entscheidung über das mittlerweile brachliegende Grundstück erwartet wurde. Doch die Sache zieht sich weiter hin.

Real Mallorca zog 1999 in das heutige Visit Mallorca Estadi. Das 1945 eröffnete Lluis Sitjar war baufällig, und der Verein hatte für eine umfassende Renovierung kein Geld. Bis 2007 spielten noch die Senioren, Jugendmannschaften und Real Mallorca B auf dem Platz im Viertel Es Fortí, am Rande des Sa Riera-Parks. Danach verfiel das Stadion. Obdachlose suchten sich hier eine Bleibe. Es kam zu Übergriffen und einem Brand. 2014 ließ die Stadt das Stadion abreißen. Übrig blieben zwei Eingangstore und ein Acker.

Zu manchen Spielen kamen bis zu 30.000 Zuschauer in dieses Stadion. | FOTO: DM

Seit mehr als 20 Jahren versucht das Rathaus nun vergeblich, das Grundstück an der Plaça de Barcelona zu erwerben. Das Problem: Das Eigentum ist in 666 Anteile aufgeteilt, von denen Real Mallorca ein Drittel besitzt. Das lukrativste Angebot kam 2010, als die Stadt das damals noch existierende Stadion auf einen Wert von 17,7 Millionen Euro bezifferte, was knapp 27.000 Euro pro Anteil entsprach. Real Mallorca hatte den Wert damals jedoch auf gut 32 Millionen Euro geschätzt.

Zweifelhaftes Angebot über 9,7 Millionen Euro

Am Donnerstag wollte das Rathaus nun 9,7 Millionen Euro bieten. Doch dazu kam es nicht. „Sie haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Uns lag kein unterschriftsreifes Angebot vor“, so Joan Aguiló, Chef des Eigentümerverbands. Ähnlich sei es schon 2010 gewesen. „Die 9,7 Millionen Euro sind lediglich eine Schätzung. Wir müssen uns erneut versammeln, wenn die genaue Zahl feststeht.“

Real Mallorca will unbedingt verkaufen, da das Geld für die Renovierung des Visit Mallorca Estadi gebraucht wird. Der Club hat den Eigentümern das Angebot mit zwei Dauerkarten pro Besitzer für die kommenden 15 Jahre schmackhaft gemacht. Das entspräche einem Wert von sieben Millionen Euro. Doch das ist nur scheinbar verlockend. Derzeit haben Anteilseigner am Lluis Sitjar das ständige Recht auf ein kostenloses Ticket zu den Heimspielen von Real Mallorca, unabhängig davon, wo der Inselclub spielt. „15 Jahre vergehen sehr schnell“, sagte Aguiló.

Kindheit im Lluis Sitjar verbracht

Für Tommy M. Jaume ist es nur noch ein Trauerspiel. Er ist der Enkel des legendären Zeugwarts und zeitweiligen Vizepräsidenten Tomás Jaume. „Mitte der 70er-Jahre hat er angefangen, damals streikten die Spieler – sie schlossen sich in den Umkleiden ein, um ihr Gehalt zu fordern.“ Der Opa gehörte zu den treuen Anhängern, die den insolventen Club mit ihrem Geld retteten. „Er hat Hotels und Flugtickets bezahlt. Er hat für den Verein eine Hypothek auf sein Haus aufgenommen. Ohne ihn würde es Real Mallorca nicht mehr geben.“

„Ich habe meine Kindheit im Lluis Sitjar verbracht“, sagt der Enkel. „Als es vor dem Abriss zu einem Abschied im Stadion kam, habe ich es nicht übers Herz gebracht hinzugehen.“ Auch heute meidet es der Journalist, dort vorbeizugehen. „Sonst kämen mir wieder die Tränen.“ Im Idealfall hofft er, dass aus dem Acker ein Park entsteht und zumindest die zwei Eingangstore erhalten bleiben. Das Rathaus konnte auf MZ-Anfrage keine Auskunft über die Pläne für das Gelände geben. Man wolle das Grundstück erst einmal kaufen.