Eigentlich berichtet Kommentator Wolff-Christoph Fuss aus dem Stadion in Katar über den deutschen WM-Auftakt gegen Japan am Mittwoch (23.11.). Doch seine Beschreibungen passen auch ziemlich gut zur Lage im Bierkönig. „Trotz vieler Leute fühlt sich das einfach nicht wie ein Fußballspiel an“, sagt er. Wirklich Stimmung kommt an der Playa de Palma nicht auf. Und ob die Deutschen nach dem verpatzten Debüt noch in ein WM-Fieber kommen? Derzeit sieht es eher nicht so aus.

Es ist Nebensaison auf Mallorca. Daran ändert auch ein Fußballturnier nichts. Außer dem Bierkönig hat kein Lokal in der Schinkenstraße geöffnet. Die afrikanischen Straßenhändler verkaufen an der Tür Deutschland-Trikots. „Eine One-Love-Armbinde habt ihr nicht?“, fragt ein Deutscher scherzhaft und spielt auf die von der Fifa verbotene Kapitänsbinde an, die die Diskriminierung von Homosexuellen in Katar anprangern soll. 

Jacken und Pullover statt Trikots

„Das hat man vor zwölf Jahren verbockt. Ich verstehe nicht, wie man nun kurz vor dem Turnier anfangen kann zu meckern“, sagt Richard Steinhauer aus Aachen. Er ist mit seiner besten Freundin Nina Rüssmann da. Sie gehören zu den wenigen Gästen im Bierkönig, die sich mit Fanartikeln eingedeckt haben. Der Saal ist zwar gut gefüllt - außer dem Bereich mit dem Schiebedach sind die anderen Räume abgesperrt -, aber optisch wirkt die Szenerie nicht, als finde gerade ein Deutschland-Spiel statt. Das könnte auch daran liegen, dass die meisten Leute sich in Pullover und Jacken eingemummelt haben. „Ich war zur WM 2002 schon hier. Das werde ich nicht vergessen. Das ist mit heute nicht vergleichbar. Um 9 Uhr morgens war es gerappelt voll und alle hatten ein Bier in der Hand.“

Dem Boykott entkommen

„Bei uns in der Gegend könnten wir das Spiel nicht schauen“, sagt Rüssmann. „Alle Leute boykottieren die WM. Auf der Arbeit drängen mich die Kollegen sogar dazu, den Fernseher auszulassen.“ Dass sie nun auf Mallorca schaut, will sie nicht verheimlichen. „Ich überlege sogar noch, nach Katar zu reisen. Das macht kein Deutscher und entsprechend günstig sind die Angebote.“ Dafür braucht die Aachenerin allerdings ein WM-Ticket. Ohne das ist die Einreise verboten. „Ich schaue regelmäßig auf das Ticketportal der Fifa. Ein zusätzlicher Anreiz wäre, dass Robbie Williams dort ein Konzert geben will.“

Der Vorbericht des Spiels dröhnt laut aus den Boxen. Ansonsten ist es ruhig. Eine stark angetrunkene Männergruppe aus Passau krakeelt herum, was die anderen Gäste eher stört. „Wir feiern Junggesellenabschied“, sagt einer der Männer im Deutschland-Trikot, auf dem ein großes F zu Ehren des Bräutigams prangt. Die Truppe ist nur eine Nacht da. Das Fußballspiel nimmt man dankbar mit.

Die Nationalhymne ertönt. Ein, zwei ältere Herren erheben sich und murmeln den Text mit gläsernen Augen mit. Die betrunkenen Passauer versuchen, die Nationalhymne mitzusingen, aber der Versuch scheitert an der mangelhaften Textkenntnis. Auch nach dem Anpfiff kommt keine Stimmung auf. Die Lage erinnert ein wenig an Corona. Die Kommentare der Spieler auf dem Platz sind gut verständlich. Im Bierkönig sitzen die Leute brav an ihren Plätzen, nippen am Bier und starren lethargisch auf die Leinwand.

In der Pause wird gesungen

Nach dem 1:0 durch Gündoğan wird kurz gejubelt und geklatscht. Danach stellt sich wieder Trägheit ein. Erst in der Pause, wenn die übliche Ballermann-Musik gespielt wird, wird es stimmungsvoller. Tom und Julia aus Berlin sind das erste Mal auf der Insel. „Als wir vor drei Tagen im Bierkönig waren, saßen 40 Mann rum. Im Vergleich dazu ist es heute richtig voll“, sagen sie. Auch die Berliner wüssten kaum, wie sie das Spiel in Deutschland schauen sollten. „Manche Kneipen setzen zu den Zeiten aus Protest lieber Halma- oder Skat-Turniere an. Ich hatte auch überlegt, die Spiele aufzunehmen und erst nächsten Sommer beim Grillen zu sehen“, witzelt Tom. 

In der zweiten Halbzeit sieht es anfangs nach einer klaren Sache für Deutschland aus. Die Passauer feiern sich selbst und legen den Fokus auf drei Blondinen am Nachbartisch. Mit ihren Flirtversuchen scheitern sie aber genauso wie die Deutschen am 2:0. Die Türsteher weisen die Gruppe darauf hin, etwas herunterzufahren. Dafür sorgen auch die Japaner, die erst ausgleichen und dann sogar noch in Führung gehen. Ein Mann im Deutschland-Trikot gibt den Katarer: Er steht auf und geht vor Abpfiff. Dabei lässt er es sich nicht nehmen, vorher den Stuhl wütend auf den Boden zu donnern und der Leinwand den Stinkefinger zu zeigen.

Am Sonntag (27.11., 20 Uhr) kommt es zum Duell mit den Spaniern, die am Mittwoch Costa Rica mit 7:0 weggeschossen haben. Bei einer weiteren Niederlage könnten die Deutschen bereits ausscheiden. Das Spiel wird in Deutschland vom ZDF übertragen, in Spanien von RTVE. Der Bierkönig lädt dann auch wieder zum Rudelgucken ein.