Nach dem Superbowl ist vor dem Voltors-Heimspiel: American Football auf Mallorca

Wer nicht genug von dem Sport mit dem ovalen Ball bekommen kann, der sollte am Sonntag zum Spitzenspiel nach Son Moix gehen

Körpereinsatz im Spiel der Zaragoza Hurricanes (in Weiß) gegen Mallorcas Voltors.

Körpereinsatz im Spiel der Zaragoza Hurricanes (in Weiß) gegen Mallorcas Voltors. / Alcover

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Ob Quarterback Patrick Mahomes nach dem Sieg des Superbowls in der Nacht auf Montag (13.2.) einen Keks bekommen hat, ist nicht bekannt. Die Spieler der Mallorca Voltors hingegen schon. Artig reihten sich die Spieler am Donnerstag auf und nahmen das Gebäck entgegen, das die zwei kleinen Töchter von Trainer Jesus Sánchez gebacken haben. Es ist beim Inselclub die offizielle Prämie für Siege. Alle drei Partien hat der Erstligist in dieser Saison gewonnen. Am Sonntag (19.2., 12 Uhr) kommt es auf dem Nebenplatz des Stadions Son Moix zum Spitzenspiel gegen den spanischen Rekordmeister Badalona Dracs.

Jesus Sánchez trainiert  die Voltors  seit 2022.     | FOTO: ALCOVER

Jesus Sánchez trainiert die Voltors seit 2022. | FOTO: ALCOVER / Ralf Petzold

1,77 Millionen Deutsche schalteten in der Nacht den Fernseher ein, um den Sieg der Kansas City Chiefs gegen die Philadelphia Eagles zu sehen. In Spanien hinkt der American-Football-Boom noch etwas hinterher. „Das Land steht bei den Einschaltquoten auf dem sechsten Platz weltweit“, sagt Trainer Sánchez. Er ist einer der wenigen, die hierzulande von dem US-amerikanischen Sport leben können.

„Die Spanier begeistern sich zwar immer mehr für die NFL, viele haben aber keine Ahnung, dass es auch hier Teams gibt“, sagt der Mexikaner und holt aus: „Nach dem Zweiten Weltkrieg haben US-amerikanische Soldaten in Militärstützpunkten Football gespielt. So kam die Sportart nach Spanien. In Madrid gibt es noch heute ein Team, das sich einst in einer Kaserne gegründet hat.“

Trainer war semiprofessionell unterwegs

Die Geschichte des Trainers klingt ein wenig wie ein Hollywoodfilm mit Adam Sandler in der Hauptrolle. Der Mexikaner war früher selbst Spieler und spielte in der höchsten Spielklasse seines Landes. Als sogenannter Import kam er dann auch nach Spanien. Da American Football hier ein Randdasein führt und es an guten Spielern mangelt, verstärken sich die spanischen Clubs mit semiprofessionellen Footballern hauptsächlich aus den USA oder Südamerika. Auch Deutsche heuerten immer wieder bei den Mallorca Voltors an.

Nach der aktiven Karriere kehrte Sánchez in die Heimat zurück und stürzte in eine Sinnkrise. „Ich hatte mit dem Football eigentlich schon abgeschlossen.“ An einem heißen Sommertag machte sich der Mexikaner auf, um im Laden um die Ecke eine Limo zu kaufen. Auf einen Bolzplatz sah er ein paar Jungs, die Football spielten. „Sie hatten keine Ausrüstung und kein Feld, aber eine Menge Spaß.“

Jungs von der Straße zu Team geformt

Eines der Kinder war der Sohn eines Bekannten. Der schlug Sánchez vor, die Jungs zu trainieren. „Die Aussichten für Jugendliche in der Gegend sind ziemlich mies. Viele enden als Drogenhändler oder bei der Mafia und sterben jung.“ Wie im Film rauften sich die Jungs zu einer starken Truppe zusammen, die in der Meisterschaft antrat. „Wir haben alle Spiele gewonnen. Erst in der letzten Partie gegen den amtierenden Meister mussten wir eine Niederlage einstecken.“ Im Jahr darauf holte die Mannschaft die Trophäe. „Die meisten Spieler haben es später auf die Universität geschafft, und sie erwartet eine bessere Zukunft.“

Jesus Sánchez hatte durch die Geschichte die Lust am Sport wiedergefunden. Ein ehemaliger Teamkamerad machte ihn darauf aufmerksam, dass in Gijón ein Trainer gesucht wird. 2012 zog er um. Über eine Zwischenstation bei Osos Madrid kam der Mexikaner vor einem Jahr auf die Insel.

Play-offs sind das klare Ziel

„Bei allen meinen Teams habe ich in der zweiten Saison die Play-offs erreicht. Das werden wir auch dieses Jahr schaffen“, sagt der Mexikaner. In der ersten spanischen Liga spielen zehn Mannschaften in zwei Gruppen. Die besten zwei Teams jeder Staffel ziehen nach den acht Saisonspielen in die Play-offs ein. Ein Sieg gegen die Dracs würde die Ambitionen untermauern. Das Team aus Badalona ist eine Art FC Bayern im spanischen American Football. „Jedes Jahr werben sie die besten Spieler der anderen Mannschaften ab“, sagt Sánchez. Die Katalanen locken vor allem mit einem Taschengeld. „Früher haben sie auch international gespielt. Das war für die Spieler natürlich reizvoll“, sagt Sánchez.

Die Voltors gehen da einen anderen Weg. Seit Jahren steckt der Club viel Geld und Einsatz in die Jugendmannschaften. Der Trainer klappert die Schulen ab, um mit Vorträgen und Probetrainings die Kinder vom American Football zu begeistern. Die Maßnahmen wirken. In dieser Saison hat der Inselverein nur zwei Imports geholt. Die restliche Mannschaft besteht aus jungen Mallorquinern, die von der großen Karriere träumen.

Sánchez ist auch Gründer der Profimannschaft Barcelona Dragons

Denn Jesus Sánchez trainiert nicht nur die Voltors, sondern ist auch Gründer und Sportdirektor der 2021 erneut ins Leben gerufenen Barcelona Dragons. Dabei handelt es sich um eine Profimannschaft, die nicht in Spanien, sondern in der vom deutschen TV-Kommentator Patrick Esume gegründeten European League of Football spielt. „Die Spieler dort können vom Sport leben. Nicht wenige haben sogar den Sprung in die Kader der NFL-Teams geschafft“, sagt Sánchez.

In der mit hauptsächlich deutschen Vereinen bestückten Liga ist der Football-Hype spürbar. „Zu einem Spiel des Düsseldorfer Vereins Rhein Fire kommen 10.000 Zuschauer“, so Sánchez. Barcelona ist in der vergangenen Saison im Halbfinale am späteren Meister Wien gescheitert. Im Juni geht die nächste Spielzeit los. Zudem kehrt auch die NFL 2023 nach dem ersten Gastspiel im Vorjahr nach Deutschland zurück. Sicher werden die Tickets wieder binnen Minuten ausverkauft sein. Einfacher ist es, bei den Voltors zuzuschauen.

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