Die über 120 toten Muränen, die zuerst an der Küste Ibizas und Formenteras und Ende August auch im Südosten und -westen Mallorcas angeschwemmt worden sind, versetzen die Meeresbiologen und Umweltschützer momentan in Alarmzustand. Noch konnten sie die Ursache für das befürchtete Massensterben der Tiere nicht bestimmen. Gewebeproben der morenas sollen nun Aufschluss darüber geben, ob die aalartigen Knochenfische womöglich von einem Parasiten befallen worden sind. Ein solcher Befall hat seit Herbst 2016 praktisch die ­gesamte Population an nacras, der größten ­europäischen Muschelart dahingerafft.

„Noch können wir den Verdacht nicht bestätigen. In einer bis zwei Wochen sollten wir aber die Analyseergebnisse aus dem Labor auf Ibiza haben", erklärt Salud Deudero, die Leiterin des Instituto Español de Oceanografía auf den Balearen. Sollte es sich um einen noch unbekannten Parasiten handeln, könnte der Schädling allerdings nur mithilfe von DNA-Analysen identifiziert werden - und die können dauern.

Was laut Deudero für einen Parasitenbefall sprechen könnte: Die toten Exemplare beider Meerestiere wurden zuerst bei ­Ibiza und erst dann an Mallorcas Küsten entdeckt. „Die Strömungen könnten den Parasiten nach Mallorca getragen haben." Auch das wohl an der spanischen Festlandküste initiierte Massensterben der nacras (dt. Edle Steckmuschel, Pinna nobilis) nahm damals diesen Verlauf. Etwaige Parasiten könnten allerdings auch mit Schiffen aus dem Atlantik oder anderen Gegenden des Mittelmeeres angetragen worden sein.

Als weitere Ursache für das Muränen-Sterben zieht Deudero auch Schadstoffe aus Entsalzungs- oder Kläranlagen als Ursache in Betracht. Die morenas stehen derzeit nicht auf der Liste der bedrohten Arten, weil es noch verhältnismäßig viele von ihnen gibt. In den Felsspalten und -höhlen um Mallorca sitzen vor allem zwei Arten der nachtaktiven Tiere: die Braune Muräne (Gymnothorax unicolor) und die Mittelmeer-Muräne (Muraena helena). Beide verfügen über vier Nasenlöcher. Bei der Muraena helena stehen zwei davon jedoch wie kleine Schläuche nach vorne ab. Durch ihren so verstärkten Geruchssinn kompensieren die Muränen ihr vergleichsweise schlechtes Sehvermögen. Die Mittelmeer-Muränen sind mit einer Länge von bis zu eineinhalb Metern größer als die bis zu einen Meter langen Braunen Muränen.

Ein Verschwinden der Muränen, die laut Deudero weniger aggressiv seien, als viele glauben, könnte das Ökosystem im Meer weiter aus dem Gleichgewicht bringen. Da sich die Wasserqualität, etwa durch immer intensivere Schifffahrt und Plastikmüll verschlechtert habe, könne sich das Ökosystem nicht mehr auf natürlichem Weg regenerieren, sagt die Meeresforscherin. Das Massensterben etwa der Steckmuscheln bekomme man wegen der Größe der Tiere mit, nicht aber das mögliche Verschwinden vieler anderer kleinerer und weniger erforschten Arten.

Wer eine tote Muräne findet, sollte entweder die Notrufzentrale 112 benachrichtigen oder unter www.observadoresdelmar.es ein Foto hochladen („subir observación"). Dazu muss man sich erst registrieren und dann den Projektnamen „peces mediterráneos" auswählen.