Die Hitze hat uns fest im Griff, und die Wassertemperatur im Meer von Mallorca verschafft kaum Abkühlung. Was für Urlauber maximal etwas weniger Erfrischung bedeutet, bereitet Wissenschaftlern ernsthafte Sorgen: Ein internationales Team hat am 18. Juli in der Fachzeitschrift "Global Change Biology" das Ergebnis einer neuen Studie veröffentlicht.

Die Forscher untersuchten dazu die Auswirkungen von Meereshitzewellen im Zeitraum von 2015 bis 2019. Im gesamten Mittelmeerraum war diese Zeitspanne die wärmste seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen im Jahr 1982. Die ungewöhnlich hohen Wassertemperaturen haben laut der Studie zu einem Massensterben bei rund 50 Arten geführt, in bis zu 45 Metern Tiefe und über tausende Kilometer Küstenlinie.

Viele Arten können sich nicht schnell an Veränderungen anpassen

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Mittelmeer eine Beschleunigung der ökologischen Auswirkungen von marinen Hitzewellen erlebt, die eine noch nie dagewesene Bedrohung für die Gesundheit und das Funktionieren der Ökosysteme darstellt", heißt es im frei abrufbaren Bericht zur Studie.

Das Meeresforschungsinstitut Imedea und das Centro Oceanográfico de Baleares (IEO) waren an der Arbeit beteiligt. Im Team von Letzterem wirkte auch die Meeresbiologin Maite Vázquez an der Publikation mit. "Das Mittelmeer hat eine große Artenvielfalt und viele endemische Arten, die dort unter speziellen Bedindungen leben", sagt sie im Telefonat mit der MZ. "Deshalb können sie sich in der Regel nicht schnell an Veränderungen anpassen."

Dies betreffe vor allem benthonische Arten, auf die sich die aktuelle Studie konzentriert, also solche, die im Bereich des Gewässergrundes leben. Das Problem: "Alle Arten sind verletzlich, aber jene, die fest auf dem Meeressubstrat leben und sich nicht fortbewegen können, ganz besonders", so Vázquez. Doch auch "mobilere" Arten bekämen Auswirkungen zu spüren, etwa durch Veränderungen ihrer Verbreitungsgebiete oder Wachstumsraten.

Schwämme, Korallen und Neptungras

Zu den empfindlichsten Arten, die am stärksten unter der Hitze leiden, gehören die im Mittelmeer funktional einzigartigen Weichkorallen. Die Wissenschaftler prognostizieren einen deutlichen Rückgang, der wiederum Auswirkungen auf die Ökysysteme haben wird. Auch Schwämme, Mollusken oder das für die Balearen ökologisch so wichtige Neptungras (Posidonia oceanica) sind betroffen. In Fall der Seegraswiesen diente unter anderem eine erhöhte Triebsterblichkeit als Indikator.

Eine kritische Temperatur, bei der es konkret kippt, ist laut Vázquez schwer zu definieren, weil sie von der Spezies und der Wassertiefe abhängt. "Es geht aber nicht nur darum, auf wie viel Grad die Wassertemperatur steigt", sagt sie. "Ein wichtiger Faktor ist, wie viele Tage hintereinander die Arten mit den hohen Temperaturen überleben müssen." Das sei ähnlich wie bei den Menschen, die umso stärker unter einer Hitzewelle ächzen, je länger sie andauert.

Kaskadeneffekt für eine Vielzahl von Arten

Für die Meereslebewesen könne eine marine Hitzewelle zu Tod durch physiologischen Stress, zu Problemen bei Stoffwechselprozessen oder zur Vermehrung von Krankheitserregern führen, die unterhalb einer gewissen Temperatur inaktiv bleiben. "Gerät ein Ökosystem aufgrund einer konkreten Art wie den Weichkorallen, die einen ganzen Lebensraum bilden, aus dem Gleichgewicht, dann hat das einen Kaskadeneffekt, das sich auf eine Vielzahl von Arten auswirkt", erklärt die Meeresbiologin.

Im Fazit schreiben die Forscher: "Unsere Ergebnisse deuten eindeutig darauf hin, dass die Auswirkungen des Klimawandels im Mittelmeer Fahrt aufnehmen, aber die Folgen für die sozio-ökologischen Systeme sind nur unzureichend bekannt." Auf die Gegenwart und Zukunft blickt Vázquez mit Sorge. "Es wird schlimmer werden. In diesem Jahr sehen wir auf den Balearen alle, dass die Temperatur des Wassers und außerhalb davon nie dagewesene Rekordwerte erreicht. Und die Konsequenzen können wir noch gar nicht absehen."

Ein Hoffnungsschimmer sei die Tatsache, dass viele Arten durchaus in der Lage wären, sich anzupassen, wenn die Veränderungen schrittweise erfolgen. "Wir müssen versuchen, die Prozesse zu entschleunigen, damit die Verluste der Artenvielfalt nicht irreversibel sind." Es geht also mehr denn je darum, dem Leben im Meer mehr Zeit zu verschaffen, um mit den Folgen des Klimawandels umzugehen.