Diese Tiere sehen knuffig aus, schaden aber nicht nur dem Ökosystem auf Mallorca massiv

Heimisch sind sie auf Mallorca schon länger, jetzt nähern sie sich auch Dörfern und Städten: Waschbären stellen eine große Gefahr für Mensch, Tier und Ökosystem dar. Artenschützer versuchen, sie wieder zurückzudrängen und hoffen auf die Vorteile der Insellage

Sieht putzig aus, ist aber gieriger Allesfresser und Raubtier: ein in eine Falle gegangener Waschbär auf Mallorca.  | FOTO: COFIB

Sieht putzig aus, ist aber gieriger Allesfresser und Raubtier: ein in eine Falle gegangener Waschbär auf Mallorca. | FOTO: COFIB / Simone werner

Simone Werner

Simone Werner

Sie sehen süß und knuffig aus – wohl auch wegen ihrer den Pandas ähnelnden Gesichtsmaske. Dabei sind Waschbären (mapaches, span.) Raubtiere, die noch dazu viel Schaden in Mallorcas Ökosystem anrichten. Die dem balearischen Umweltministerium unterstehende Naturschutzbehörde Cofib versucht schon seit einigen Jahren, die Verbreitung der invasiven Art zu verhindern und die Tiere zu fangen. Doch das ist gar nicht so einfach.

Erste Sichtung: 2006

Erstmals auf Mallorca gesichtet wurden Waschbären 2006 in Lloret de Vistalegre, zwei Jahre später dann auf dem Gelände der Finca Planícia in der Gemeinde Banyalbufar. Dazu, wie sich die mapaches, die ihren natürlichen Lebensraum in Nordamerika haben, auf der Insel ausgebreitet haben könnten, gibt es zwei Theorien.

Die erste lautet: Sie sind einem Tierpark auf Mallorca entlaufen. Alternativ könnten es auch Privatpersonen gewesen sein, die Waschbären einst als Haustiere gehalten und später freigelassen haben. „Als Jungtiere sind sie niedlich und witzig. Doch mit dem Alter werden sie aggressiver“, erklärt der Biologe Samuel Pinya. Früher seien die Tiere im Internet für um die 350 Euro leicht zu bekommen gewesen. Mittlerweile ist ihre Haltung auf Mallorca strengstens verboten.

Darum sind sie so gefährlich

In ihrem Ursprungsgebiet Nordamerika haben Waschbären natürliche Feinde, etwa Pumas oder Wölfe. Auf den Balearen sind sie selbst die größten Raubtiere, natürliche Feinde gibt es keine. Erschwerend kommt hinzu, dass mapaches Allesfresser sind. „Sie fressen Eier und Jungvögel in Nestern, sowohl auf dem Boden als auch in Bäumen, ebenso Geckos oder Iberische Wasserfrösche“, sagt Pinya. Die Angst davor, dass sie geschützte Arten langfristig ausrotten können, sei groß. Da die Raubtiere selbst Früchte fressen, machen sie auch den hiesigen Landwirten zu schaffen. „Sie lieben etwa Kirschen, Zwetschgen oder Äpfel“, sagt Samuel Pinya.

Waschbären können durch Flöhe, Läuse und Zecken zudem verschiedene Krankheitserreger auf Mensch und Haustier übertragen. Als Beispiele nennt etwa das deutsche Umweltbundesamt Tollwut und infektiöse Krankheiten wie Staupe, Panleukopenie und Hasenpest. In Kontakt mit Menschen kommen die Waschbären auf Mallorca, da sie sich zunehmend auch den Dörfern und dem Stadtgebiet von Palma nähern. „Ganz in der Nähe des Krankenhauses Palmaplanas und auch nahe der Balearen-Universität wurden zuletzt Tiere gesichtet“, sagt Samuel Pinya.

Am wohlsten fühlen sie sich aber wohl weiterhin in der Tramuntana. Samuel Pinya schätzt, dass etwa 90 Prozent der Waschbären auf Mallorca sich dort aufhalten. „Wir haben vier Orte mit höheren Konzentrationen ausgemacht: Estellencs, Esporles, Puigpunyent und Banyalbufar.

Viele Menschen finden Waschbären niedlich, insbesondere Jungtiere - doch auch sie können Krankheiten haben.

Viele Menschen finden Waschbären niedlich, insbesondere Jungtiere - doch auch sie können Krankheiten haben. / DPA

Schon über 1.000 Tiere gefangen

Die aktuellsten Daten stammen aus einer Studie, die 2022 vorgestellt wurde. Die Autoren sind Wissenschaftler der Balearen-Universität (Nil Lassnig, Esperança Perelló und Samuel Pinya) und Experten des Cofib (Gabriela Picó und Víctor Colomar). Die Studie bezieht Daten ein, die zwischen 2014 und 2021 gesammelt wurden. In diesem Zeitraum wurden auf Mallorca 1.068 Waschbären gefangen.

Das kleinste Tier war 27,3 Zentimeter lang (ohne Schwanz), das größte 75 Zentimeter. Auch sonst kamen die Wissenschaftler bei ihrer Studie zu besorgniserregenden Ergebnissen: 86 Prozent der geschlechtsreifen Weibchen hätten den Nachwuchs versorgt oder waren noch dabei, haben sich also fortgepflanzt. Laut vorherigen Daten habe das nur auf 40 Prozent der Weibchen zugetroffen. Damit bestätigte sich die Vermutung, dass die Population an Waschbären in den vergangenen Jahren stark angestiegen ist und weiterhin wachsen wird.

Fest etablierte Arte

„Es handelt sich damit nicht um eine Art, die sich gerade erst auf der Insel ausbreitet. Sie hat sich hierzulande schon fest etabliert“, betont Samuel Pinya. Die Zuwanderer sind zu Einwanderern geworden, deren weitere Ausbreitung die Artenschutzbehörde nun zu verhindern versucht.

An die 300 Fallen im Gebirge

Die Mitarbeiter stellen vor allem zwischen März und November und vor allem im südwestlichen Teil der Tramuntana, zwischen Sóller und Andratx, Fallen auf. Laut Cofib-Direktor Lluís Parpal dürften es um die 300 Fallen sein. Die Fallen werden tagsüber aufgestellt und alle 48 Stunden überprüft. Waschbären sind nachtaktiv und generell nur schwer zu Gesicht zu bekommen. „Leider landen auch immer wieder Katzen in den Fallen“, sagt Lluís Parpal. Um erst gar keine Katzen anzuziehen, würden die Mitarbeiter teils auch Süßigkeiten als Köder hineinlegen.

Die Fallen schnappen zu, wenn sich auf einer Plattform ein Tier befindet, das mehrere Kilo wiegt. Jährlich würden so im Schnitt 280 Waschbären gefangen. Das Cofib prüft derzeit, die Fallen mit einem Benachrichtigungs-System auszustatten. Das Problem: Nicht überall in der Tramuntana ist der Empfang dafür gut genug. Erschwerend komme hinzu, dass ein Großteil des Gebirges in Privatbesitz ist. Nicht alle Besitzer erlauben das Aufstellen von Fallen.

Eingeschläfert, untersucht, eingeäschert

Die gefangenen Waschbären werden dann eingeschläfert. Bevor sie eingeäschert werden, landen sie zu Forschungszwecken auf dem Untersuchungstisch von Samuel Pinya und seinen Kollegen. „Haben sie sich fortgepflanzt? Was fressen sie? Haben sie sich gut an die Bedingungen hier angepasst? Wir versuchen, das Maximum an Informationen herauszubekommen“, sagt Samuel Pinya.

Was tun bei einer Sichtung

Wer einen Waschbär sieht, sollte auf keinen Fall versuchen, ihn einzufangen, und sich dem Tier auch nicht nähern. Stattdessen sollte man die Sichtung eines mapache der Notrufnummer 112 oder direkt beim Cofib (Tel.: 607-55 40 55) melden. Alternativ können Bewohner und Urlauber auch in der App „Línea verde“ ein Foto hochladen. Der Standort wird dann automatisch vermerkt. Häufen sich die Sichtungen an diesem Ort, stellen die Mitarbeiter des Cofib dort Fallen auf.

Jährlich würden rund 25 Anrufe von Privatpersonen eingehen, die Waschbären auf ihren Fincas entdecken, sagt Parpal. „Privatpersonen, die einen Waschbären im Inneren eines Hauses finden, sollten die Tür des Raums schließen, damit er nicht entkommen kann, und das Cofib verständigen“, rät Pinya. Auf den Fincas suchten die Waschbären oft Hunde- und Katzenfutter. Privatpersonen mit Jagdschein dürfen zwar nicht gezielt auf Waschbären-Jagd gehen, die Tiere aber töten, wenn sie in einem offiziellen Jagdgebiet welche sehen.

Vorteil Insellage

Samuel Pinya und Lluís Parpal hoffen, dass es mit all diesen Maßnahmen gelingen kann, die Population zumindest einzudämmen. Hier sei dann die Insellage von Vorteil: Immerhin können nicht noch weitere Waschbären aus anderen Gebieten zuwandern.

Vorfälle melden: Notfallnummern: 112 (allgemeine Nummer), Tel.: 607-55 40 55 (Cofib), App: Línea verde

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