Es war die Nacht von Donnerstag (17.11.) auf Freitag, als eine junge Frau mit ihrem Seat im Carrer Manacor in Palma de Mallorca von der Straße abkam und gegen eine Palme prallte. Der Beifahrer, ein 26-Jähriger aus Santa Maria, erlitt lebensgefährliche Verletzungen. Am Montagabend starb er daran im Krankenhaus. Bei der Fahrerin, die leicht verletzt überlebte, wurden knapp 1,8 Promille Alkohol im Blut festgestellt, die Frau soll außerdem mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen sein.

Dieser Unfall reiht sich ein in eine Serie ähnlicher Tragödien, die in diesem Jahr auf Mallorca immer wieder Menschenleben gekostet haben. Erst vor gut zwei Wochen starb eine 33-Jährige auf der Autobahn auf Höhe von Marratxí. Der betrunkene und unter Drogen stehende Fahrer war auf zwei andere Autos geprallt. Im Januar raste ein Betrunkener in Palma auf der Ausfallstraße von Valldemossa mit einem Transporter bei Rot über die Ampel und tötete beim Aufprall auf ein Auto dessen Fahrer. Und im Juni starb bei Cala Agulla ein 24-jähriger Mann, der unter Alkoholeinfluss zunächst mehrere Autos rammte, flüchtete und schließlich mit dem Wagen einer Frau zusammenstieß.

Alkohol und Drogen am Steuer - eine tödliche Mixtur, die die Behörden weder auf den Balearen noch im Rest des Landes in den Griff bekommen. Nach vorläufigen Zahlen für dieses Jahr starben bislang 52 Menschen auf den Balearen bei Verkehrsunfällen. Rund 40 Prozent der Getöteten standen unter Alkohol- oder Drogeneinfluss. Und die Inseln sind da kein Ausrutscher: Landesweit sehen die Statistiken ganz ähnlich aus. Belastbare Zahlen gibt es vom spanischen Justizministerium. Im Jahr 2016 etwa lag der Anteil derjenigen, die unter Alkohol und Drogen am Steuer im Straßenverkehr ums Leben kamen, gar bei 43 Prozent.

Das Ministerium wertete für die Statistik zwar nicht alle tödlichen Unfälle aus, griff aber mit 838 Getöteten auf genügend Fälle zurück. 1.810 Tote hatte es insgesamt 2016 auf spanischen Straßen gegeben. In Bezug auf Alkohol und Drogen am Steuer weist die Statistik vor allem Männer im mittleren Alter als die Hauptschuldigen aus. Fast 70 Prozent der Betroffenen waren zwischen 25 und 54 Jahre alt, die Altersgruppe mit den ­meisten ­tödlichen Unfällen stellte die Gruppe der 45- bis 54-Jährigen. Und: Bei 67 Prozent der tödlichen Rausch­unfälle waren Personen involviert, die mehr als 1,2 Promille Alkohol im Blut hatten.

Zum Vergleich ein Blick nach Deutschland: Alkohol und Rauschmittel am Steuer sind zwar auch hier ein Problem. Die Zahlen bewegen sich aber in gänzlich anderen Sphären. Auch in Deutschland haben Unfälle, die unter Alkoholkonsum oder im Drogeneinfluss verursacht wurden, die schwereren Folgen, aber die Zahl der getöteten Personen ist nicht mit denen in Spanien vergleichbar. Laut dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden starben im Jahr 2016 in Deutschland 7 Prozent der Unfallopfer bei durch Rauschmittel verursachten Verkehrsunfälle, also jeder 14. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Prozentsatz von tödlichen Unfällen im Zusammenhang mit Rauschmitteln in Deutschland stetig reduziert. Waren es in den 70er- und 80er-Jahren teils noch über 20 Prozent, sank dieser Anteil in den Jahren nach 2000 auf etwa sieben bis zehn Prozent.

Auf Mallorca sind bei fast jedem zweiten tödlichen Unfall Alkohol oder Drogen im Spiel. Worin die Ursachen dafür liegen, kann auch bei der balearischen Verkehrsbehörde niemand sagen. Zumal die Zahlen seit Jahren auf demselben Niveau stagnieren. Die Sprecherin der Dirección General de Tráfico auf den Balearen, Cristina Gago, antwortet der MZ schriftlich auf die Frage, warum auf den Inseln derart viele Menschen Auto fahren, wenn sie getrunken oder gar Drogen genommen haben: „Ich weiß es nicht."

Zwar habe man im Bereich der Prävention von Alkoholfahrten bereits große Fortschritte gemacht. Die häufigen Kontrollen und diverse Kampagnen hätten durchaus Gehör bei der Bevölkerung gefunden und zeigten auch nachweislich Wirkung. So habe in den vergangenen Jahren der Prozentsatz der auf den Inseln positiv getesteten Fahrer von fünf auf zwei Prozent abgenommen. Aber: „Was den Drogenkonsum am Steuer angeht, liegt noch ein langer Weg mit viel Arbeit vor uns", schreibt Gago. Sie bedauert, dass kurzfristig offensichtlich nur mehr Kontrollen und Strafen die Menschen dazu bringen,sich nicht betrunken hinter das Lenkrad zu setzen.

Die nächsten groß angelegten Kontrollen kündigt die Chefin der Verkehrsbehörde für Dezember auf den Inseln an und erinnert in diesem Zusammenhang noch einmal daran, dass die Promillegrenze auf den Balearen, genau wie in Deutschland, bei 0,5 Promille liegt. Auf den Inseln wird der Alkoholwert im Unterschied zu Deutschland üblicherweise im Atem festgestellt. Dort entsprechen 0,25 mg Alkohol pro Liter Atemluft den 0,5 Promille im Blut. Für Berufskraftfahrer und Führerscheinneulinge liegt die Grenze bei 0,3 Promille. „Aber uns allen muss klar sein, dass die einzige sichere Grenze 0,0 Promille sind", betont Cristina Gago.

So müht man sich, diese vermeidbaren Tragödien zumindest zu reduzieren. Bei einem Verkehrsgipfel vor wenigen Tagen trafen sich Vertreter verschiedener Institutionen auf Mallorca - darunter Balearen-Regierung, Inselrat, Unternehmerverbände und Verkehrsbehörde -, um über weitere Maßnahmen zur Disziplinierung der Autofahrer zu sprechen. Unter anderem sollen mehr mobile und fest installierte Radarkontrollen auf den Inseln aufgebaut sowie die Drogen- und Alkoholtests ausgeweitet werden. Ob das Abschreckung genug ist, wird sich zeigen. Bisher hat es nicht gereicht.