Die Strände auf Mallorca müssen einen gewaltigen Ansturm bewältigen. Nicht nur an der Playa de Palma liegt im Sommer Handtuch an Handtuch, auch die meisten Naturstrände haben sich von Insider-Tipps zu Besuchermagneten entwickelt. So stehen beispielsweise am Strand von Cala Agulla an Spitzentagen laut einer Studie der Balearen-Universität jedem Badegast weniger als sieben Quadratmeter zur Verfügung. Und der Traumstrand Es Trenc an der Südküste Mallorcas muss an Wochenenden im Sommer mit bis zu 10.000 Besuchern fertig werden.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen - wenn Servera von desolaten Zuständen spricht, meint er damit nicht das Badevergnügen der Touristen, sondern das Ökosystem. Während Strandbesucher auf ihre Kosten kämen, leide vielerorts die natürliche Umgebung. Welche Schäden das Dünensystem nehme, habe man bis vor kurzem nicht wahrhaben wollen. „Wir wurden fast wie Spinner behandelt", sagt der 49-jährige Wissenschaftler.

In Zukunft soll der Es-Trenc-Strand Teil eines Naturschutzgebiets sein: Renaturierungssysteme werden erprobt, neue Auflagen festgelegt. Aber auch andernorts gewinnen Schutzprogramme an Bedeutung. Ein Vorzeigestrand in Sachen Renaturierung ist S´Amarador im Naturschutzpark Mondragó an der Ostküste. Die Angestellten des Parks haben so etwas wie riesige Holzkämme installiert - vor zwei Jahren standen sie frei, heute sind sie von den Dünen, die sich neu gebildet haben, zum Teil fast völlig verdeckt. „Dieser Strand hat die Note eins verdient", sagt Servera.

Negativ-Beispiel ist Sa Mesquida in der Gemeinde Capdepera, ein Strand, der früher völlig intakt gewesen sei. Inzwischen habe sich der Sand zum großen Teil in den hinter dem Strand gelegenen Kiefernwald verabschiedet und den Wald geschädigt - und weil der Wellengang an dem Strand stärker ist als anderswo, ging der Sand besonders schnell verloren.

Was Servera bislang vergeblich zu erklären versuchte: Das Ökosystem der Strände ist komplex, und sobald ein Faktor verändert wird, gerät das ganze System ins Wanken. Das heißt zum Beispiel: Wer abgestorbenes Seegras am Es-Trenc-Strand entfernt, verändert auch den Wellengang und die Strömungen. Das kann bedeuten, dass Sand weggeschwemmt wird oder auch die Seegraswiesen am Meeresboden Schaden nehmen, die zur Entstehung von Sand beitragen.

Die Strandbuden-Betreiber von Es Trenc sehen dagegen derzeit ihre Felle davonschwimmen. Sie fürchten, dass Schmutz und Algen die Badegäste vertreiben, und laufen Sturm gegen die neuen Öko-Richtlinien des balearischen Umweltministeriums. „Wir werden zum Gespött der internationalen Medien", beklagt einer der Betreiber. Beim Umweltministerium verweist man dagegen darauf, dass das Seegras sehr wohl im Sommer - fachmännisch - entfernt werden dürfe. Das läge jedoch in der Verantwortlichkeit der dortigen Konzessionäre, denen man zudem vor kurzem Öko-Leitlinien an die Hand gegeben habe.

Wenn es nach Servera ginge, bliebe das Seegras auch im Sommer liegen. „Ein Arzt setzt eine Therapie ja auch nicht einfach aus", sagt der Wissenschaftler, dem die medizinischen Vergleiche gefallen. Was sei wichtiger - das Geschäft der Strandbudenbetreiber oder die Tatsache, dass der Strand schon wieder sichtbar breiter sei? Und den Touristen müsse man eben erklären, dass es sich nicht um Schmutz handle.

Dass es noch Anlaufschwierigkeiten bei der neuen Strand-Politik gibt, ist auch am Strand von Cala Agulla in der Gemeinde Capdepera zu begutachten. In der Vergangenheit war dort zweimal künstlich Sand aufgeschüttet worden - und wieder im Meer verschwunden. Auch dort werden nun Dünen regeneriert. Doch vor wenigen Wochen verteilten Bagger den neu gewonnenen Sand - und machten die Dünen wieder platt. Im Umweltministerium wurden die Fotos anschließend als abschreckendes Beispiel herumgereicht. In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

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