Vom Aussterben bedroht: Kann der Großgefleckte Katzenhai doch noch gerettet werden?

Auf den Balearen gilt die eierlegende Haiart als extrem gefährdet Doch ein erfolgreiches Aufzuchtprogramm lässt hoffen

Katzenhaie werden nahe El Toro freigelassen.

Katzenhaie werden nahe El Toro freigelassen. / Palma Aquarium

Alexandra Wilms

Alexandra Wilms

Er zappelt, schlängelt sich und ist, schwupps, draußen – die Videoaufnahme des aus seinem Ei schlüpfenden Katzenhais ist nur eines der Ergebnisse des Projekts „Acció Stellaris“. Seit drei Jahren arbeiten sechs verschiedene Organisationen gemeinsam mit der Balearen-Regierung daran, die Bestände des als stark bedrohten Großgefleckten Katzenhais (Scyliorhinus stellaris, span. alitán, kat. gatvaire) durch gezielte Aufzucht wieder zu vergrößern.

Und das mit „Riesenerfolg“, wie Eva Moragues freudig berichtet: Jedes einzelne der in Gefangenschaft geborenen Exemplare habe überlebt, berichtet die Abteilungsleiterin für Meeresressourcen im Landwirtschaftsministerium. Insgesamt 311 kleine Haie sind seit Beginn des Projekts im Palma Aquarium, im Besucherzentrum des Nationalparks Cabrera und im Labor für Meeresforschung und Aquakultur LIMIA (Port d’Andratx) geschlüpft.

71 Haie freigelassen

71 Exemplare konnten in den Meeresschutzgebieten von Cabrera, El Toro und Sa Dragonera mittlerweile freigelassen werden, berichtet Santi García. Er koordiniert das Projekt seit vergangenem Jahr vom Palma Aquarium aus. Neben Landesregierung und Palma Aquarium sind auch Shark Med, Mallorca Preservation Fund, Save the Med, Marilles und die Initiative kleiner Inseln (PIM) an dem Projekt beteiligt.

Im Labor an einer Stange aufgehängte Eiersäcke des Katzenhais.

Im Labor an einer Stange aufgehängte Eiersäcke des Katzenhais. / Agustí Torres/Shark Med

García zufolge ist der Großgefleckte Katzenhai derzeit in seinem gesamten Verbreitungsgebiet als gefährdet eingestuft. Auf den Balearen jedoch gilt er bereits als vom Aussterben bedroht. Die Gründe für den Rückgang der Population seien nicht gänzlich klar. Wahrscheinlich seien viele der Tiere, die im Mittelmeer bis zu einem Meter lang werden, Fischern als Beifang in die Netze gegangen – im Unterschied zu der kleineren, verwandten Art gató (Scyliorhinus canicula) wird der Großgefleckte Katzenhai kaum als Speisefisch genutzt.

Nur 20 Eier pro Jahr

Zudem lebt er in Küstennähe in einer Tiefe von 20 bis 60 Metern und schwimmt nicht im offenen Wasser, sondern will immer Meeresboden unter dem Bauch haben. Die balearischen Exemplare leben also isoliert von anderen Beständen im Mittelmeer und pflanzen sich auch noch sehr spärlich fort. Nur rund 20 Eier legt ein Weibchen pro Jahr, erst rund neun Monate später schlüpfen die Babyhaie dann schließlich.

Gabriel Morey, Meeresbiologe und Mitgründer von Save the Med, ist nicht zuletzt deshalb positiv von den Ergebnissen überrascht. „Wir hätten nicht gedacht, dass tatsächlich so viele Exemplare in Gefangenschaft geboren werden.“ Glücklicherweise seien einige der von Fischern abgelieferten Weibchen, mit denen der Versuch begonnen wurde, bereits befruchtet gewesen und hätten schnell Eier gelegt.

Die länglichen, lederähnlichen Eiersäcke – auf Spanisch werden sie ihrer Form wegen bolsas de sirenas (Meerjungfrau-Taschen) genannt – verankern sich in freier Natur mit spiralförmigen Fäden an Algen oder festem Untergrund, im Labor werden sie mit Haken an Stangen aufgehängt.

Nach dem Schlüpfen sind die kleinen Katzenhaie etwa zwölf Zentimeter lang.

Nach dem Schlüpfen sind die kleinen Katzenhaie etwa zwölf Zentimeter lang. / Agustí Torres/Shark Med

Tiere bekommen Kennnummern und Plastikringe

Beim Schlüpfen sind die kleinen Scyliorhinus stellaris etwa zwölf Zentimeter lang, danach werden sie so lange gehegt und gepflegt, bis sie eine Länge von etwa 50 Zentimetern erreicht haben und in die Freiheit entlassen werden können. Vorher werden die Tiere fotografiert: Jedes hat ein ganz eigenes Fleckenmuster, das dem menschlichen Fingerabdruck gleicht und zur Identifikation dient. Zudem bekommen sie eine Kennnummer und werden mit Plastikringen an der Rückenflosse markiert, die die Fachleute „Spaghetti“ nennen.

So können die Wissenschaftler verfolgen, wie es den Tieren nach ihrer Freilassung ergeht. Hier kommt eine weitere, wichtige Gruppe von Helfern ins Spiel: die Fischer. Wenn ihnen ein markiertes Exemplar in die Netze geht, können sie per Online-Formular die Kennnummer, den Fundort und das Gewicht des Katzenhais angeben, bevor sie ihn wieder ins Meer entlassen.

Zusammenarbeit mit Fischern hervorragend

Die Zusammenarbeit mit den Fischern laufe hervorragend, versichern alle Beteiligten. Das Projekt gefalle ihnen, weil sie von Anfang an eingebunden worden seien, erzählt Eva Moragues. Bei Informationsveranstaltungen erklärte der Biologe Morey beispielsweise, wie die Katzenhaie vom Haken oder aus dem Netz gelöst werden können, ohne dass sie verletzt werden. Auch die bisher gewonnenen Erkenntnisse sind für die Fischer interessant, denn Katzenhaie sind ein wichtiger Bestandteil des marinen Ökosystems, wie Agustí Torres von Shark Med erläutert.

Wenn mit dem Katzenhai ein kleinerer Räuber an der Spitze der Nahrungskette fehlt, vermehren sich die Beutepopulationen – im Fall des Katzenhais sind das Krustentiere, Kraken, Sepien oder kleinere Fischarten – zu stark und fressen wiederum zu viele noch kleinere Meerestiere. „Zudem halten sie die Meerespopulation gesund und verhindern das Ausbreiten von Krankheiten“, sagt Torres. Kranke Tiere sind leichtere Beute und werden von den Haien aus dem Verkehr gezogen, bevor sie andere anstecken können.

Die Katzenhaie schwimmen in einem Aquarium.

Die Katzenhaie schwimmen in einem Aquarium. / Agustí Torres/Shark Med

Aufklärungsarbeit erfolgt auch über einen Comic, in dem jüngere Generationen mehr über den Katzenhai erfahren. Der Erfolg der „Acció Stellaris“ soll dabei weiteren bedrohten Arten zugutekommen. Zwar sei es eher schwierig, andere Haiarten in das Aufzuchtprogramm zu übernehmen, dafür stünden die Chancen aber für die ebenfalls zu den Knorpelfischen gehörenden Rochen gut, sagt Gabriel Morey.

20 Tiere tragen einen akustischen Sender

Das ursprünglich auf drei Jahre angelegte Projekt läuft jedenfalls erst einmal weiter, denn immer noch gibt es zu wenige Daten, um den Katzenhai beispielsweise ganz unter Schutz zu stellen – bisher darf er außerhalb der Meeresschutzgebiete gefangen werden. Um möglichst viel über die nachtaktiven Katzenhaie zu erfahren, tragen 20 der freigelassenen Tiere deshalb einen akustischen Sender.

Dessen Signale werden von einem Netz von Rezeptoren empfangen, die im gesamten balearischen Seegebiet verteilt sind. Ersten Auswertungen zufolge legen die jungen Exemplare des Großgefleckten Katzenhais rund um die Balearen erstaunlich lange Strecken zurück. Die Sender sind noch sechs Jahre lang aktiv – und liefern so weiterhin Daten, um das Überleben des Großgefleckten Katzenhais zu sichern.

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