Umgangssprachlich spricht man von der Kacke, die am Dampfen ist, wenn sich in einer Angelegenheit Ärger anbahnt. Auf Cabrera, der unter Naturschutz stehenden Inselgruppe gut 13 Kilometer vor der Südküste Mallorcas, ist dies definitiv der Fall - egal ob nun im wahrsten Sinne des Wortes Fäkalienwasser ausgelaufen ist, wie der Umweltverband Gob behauptet. Oder sich infolge von Reparaturarbeiten an einem Abwasserrohr Ablagerungen gelöst haben, so die Version des balearischen Umweltministeriums, die dann möglicherweise kurzzeitig das ansonsten türkisblaue Wasser in der Bucht etwas trübten.

Fakt ist nämlich, dass der Vorfall für reichlich Aufregung sorgt. Denn zum einen wurden am 8. September zwei Strände, Sa Platgeta und Es Pagès, geschlossen - wenn auch nur vorsorglich, wie die balearische Naturbehörde Ibanat bei der Wieder­freigabe vier Tage später mitteilte. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Gesundheitsministerium die entnommenen Wasserproben bereits für unbedenklich erklärt und Entwarnung gegeben. Zum anderen war es genau an der Stelle der Insel zu Verunreinigungen gekommen, wo die Balearen­-Regierung im April eine Herberge eröffnete. Sie ermöglicht es erstmals auch Besuchern, die kein Boot haben, um an einer der Bojen in der Bucht anzulegen, im Cabrera-Nationalpark zu übernachten. Da das refugio Umweltschützern von Anfang an ein Dorn im Auge ist, war die Fäkalwasser-Geschichte ein gefundenes Fressen, um wieder einmal auf die negativen Begleiterscheinungen der touristischen ­Vermarktung der Inselgruppe hinzuweisen. Für den Gob hat die Herberge, in der nun bis zu 25 Personen pro Tag zusätzlich duschen und auf die Toiletten gehen, das seit jeher bestehende Problem der Abwasserreinigung noch verschärft.

Laut Umweltministerium gibt es auf Cabrera zwei Kläranlagen, eine im Hafen Es Port, die andere nahe der Gebäude, in denen die Herberge, deren Personal und andere Park­mitarbeiter untergebracht sind. Beim Umweltverband Gob dagegen hegt man schon lange den Verdacht, dass aus dem Abwasser lediglich die festen Bestandteilen herausgefiltert werden, der Rest aber unbehandelt ins Meer geleitet wird. Zudem prangert der Gob an, dass weder die Zusammensetzung der Abwässer selbst, noch die Wasserqualität an den Stellen, wo diese in die Bucht fließen, kontrolliert werden, sodass mögliche Veränderungen im Öko­system unbemerkt blieben.

Kurz nach dem Gob machte auch die Meeresschutzorganisation Oceana ihre Forderung publik, die Herberge zumindest so lange zu schließen, bis diese über eine Kläranlage verfüge, die auf dem neuesten Stand der Technik ist und gewährleistet, dass die Gewässer des Nationalparks nicht verschmutzt werden. Daraufhin meldete sich wiederum der balearische Umweltminister Biel Company (Volkspartei PP), der sich höchstpersönlich für die Eröffnung des refugio stark gemacht hatte, zu Wort: Die Umweltschützer seien nur deshalb gegen die Herberge, weil sie den Nationalpark gerne weiterhin für sich alleine hätten - „mit der Ausrede, dort Umweltstudien durchzuführen".

Das Gezänk um das Archipel, vor dem die Insel-Schickeria im Sommer gerne ihre Yachten ausfährt, auf dem Politiker auch schon mal, unter dem Vorwand Lehrvideos zu drehen, beim Tauchen und Langusten-Schlemmen ertappt werden, und wo Beamte der Guardia Civil besonders gerne Dienst schieben, weil es neben den Barbesuchen in der Cantina nicht allzu viel zu tun gibt, ist damit wieder entbrannt. Zusätzlich aufgeheizt wird die Debatte durch einen vergangene Woche von der Regierung veröffentlichen Entwurf für einen neuen Nutzungs- und Managementplan für den Cabrera-Nationalpark. Er enthält mehrere Vorschläge, wie man den „Gemeingebrauch" der Insel künftig ausweiten könnte. Die Rede ist unter anderem von zusätzlichen Wanderrouten, Bojen für größere Schiffe, einer leistungsstärkeren Entsalzungsanlage, Events auf der Hafenmole und Sportveranstaltungen.

„Die Nutzung durch die Bevölkerung an sich ist ja kein Problem", sagt Gob-Mitarbeiter Toni Muñoz. Wenn gewährleistet sei, dass die Einhaltung der im Nationalpark geltenden Verbote - nicht fischen, nichts wegwerfen, keine Pflanzen abreißen, die markierten Pfade nicht verlassen usw. - überwacht werde. Doch angesichts anhaltender Kürzungen seien die Parkwächter schon jetzt überfordert. Die Bucht d´es Burrí im Osten Cabreras sei etwa für Besucher tabu - trotzdem gingen dort immer wieder Besucher von Privat­booten aus an Land. „Weil das nicht zu kontrollieren ist, will man nun den Strand einfach freigeben und für alle zugänglich machen", poltert Muñoz. „Dabei wäre die logischere Schlussfolgerung, den Zugang zu Cabrera generell zu begrenzen."

Zumal es obendrein keine aktuellen Daten gebe, wie es überhaupt um die Artenvielfalt oder die Unterwasserwelt in dem Nationalpark bestellt ist. „Das Umweltministerium hat dort seit Jahren keine Studien mehr durchgeführt." Forschung und wissenschaftliche Dokumentation müssten deshalb in einem zukünftigen Nutzungsplan ebenso eine Rolle spielen.

Bewohner und Gäste: Wen man auf Cabrera so trifft

Offiziell hat Cabrera 20 Einwohner, darunter die Betreiber der Bar Cantina. Daneben halten sich dort die Parkmitarbeiter auf, die für Instandhaltung, Herberge oder Museum zuständig sind sowie die Tagesbesucher empfangen und über den Nationalpark informieren. Hinzu kommen stets vier diensthabende Parkwächter der Naturbehörde Ibanat und mindestens drei diensthabende Beamte der Guardia Civil, die auf der Insel einen Stützpunkt hat. Seit Mitte April ist zudem die Herberge in Betrieb. Die Auslastung nahm von Monat zu Monat zu und lag im August bei fast 95 Prozent. Bis Ende August wurden 1.362 Übernachtungsgäste gezählt. Die Zahl der Tagesausflügler, die per Schiff aus Colònia de Sant Jordi übersetzen, summierte sich von Januar bis August auf 26.657 - ein Viertel mehr als im selben Zeitraum 2013.

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